Die Entscheidung für eine experimentelle medizinische Doktorarbeit bedeutet oft den Mut, sich auf ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang einzulassen. Erfahrt hier, was es bedeutet, ein Jahr im Labor zu verbringen.
Alles fing im vierten Semester an: Nach einem Vortrag in der Uni habe ich die anwesende Dozentin gefragt, ob ich nicht das anstehende Forschungspraktikum in ihrer Arbeitsgruppe (AG) machen könnte. Die AG beschäftigt sich mit Grundlagenforschung im Bereich Allergologie und Immunologie, was mich damals schon sehr interessierte. Meine spätere Doktormutter willigte prompt ein und lud mich zum nächsten AG-Treffen ein. In dem einmonatigen Praktikum habe ich einen ersten Einblick in die Forschung erhalten. Ich habe das Handwerkszeug für die Arbeit im Labor erlernt, z.B. das richtige Pipettieren, die Verwendung verschiedener Pufferlösungen und einige Standardexperimente wie den ELISA. Ferner konnte ich die Arbeitsgruppe und meinen späteren Betreuer sehr gut kennenlernen.
Türöffner Praktikum
Nach erfolgreich absolviertem Praktikum wurde ich dann von meiner Professorin angesprochen, ob ich mir nicht die Anfertigung einer Dissertation in ihrer Arbeitsgruppe vorstellen könne. Bedingung war, dass ich aufgrund der umfangreichen Experimente ein Jahr lang aussetze. Gleichzeitig wurde mir jedoch ein Stipendium angeboten. Ich ließ mir die Sache noch einmal durch den Kopf gehen und sagte nach zwei Wochen schließlich zu. Wichtig war mir dabei, dass ich meine Arbeitsgruppe und meinen Betreuer schon kannte. Weiterhin konnte ich mich darauf verlassen, dass ich mich mit meiner Doktormutter im Falle von Problemen jederzeit hätte treffen können. Diese Punkte sind im Nachhinein betrachtet extrem wichtig, denn ohne gute Betreuung kann auch das beste Thema nach hinten losgehen.
Laufen lernen im Labor
Im fünften Semester ging es dann los mit der Doktorarbeit. Die ersten Wochen waren mit vielen organisatorischen Dingen gefüllt: Mauskurs hier, Anmeldung dort, Schlüssel- und Arbeitskittel besorgen etc. Ich traf ebenfalls meinen Betreuer, den ich schon vom Praktikum kannte. Er nahm sich in vielen Gesprächen Zeit, um mich in die Thematik einzuführen. Außerdem begrüßte ich es sehr, dass ich ihn bei Schwierigkeiten immer anrufen konnte.
Dann ging es langsam los mit dem "Laufen lernen im Labor", wie es meine Doktormutter nannte. Mir wurde von Kollegen gezeigt, wie ein Durchflusszytometer bedient wird, wie man Lymphozyten von menschlichem Blut trennen kann und so weiter. Daneben lernte ich dann noch das Arbeiten unter einer Sterilbank und jeden Abend habe ich eine Menge Experimentprotokolle zum Lesen mit nach Hause bekommen. Das Einarbeiten war auch recht anspruchsvoll, da viele meiner Laborkollegen Naturwissenschaftler waren und somit einen ganz anderen Wissenstand vorwiesen. Doch dies sollte man als Chance sehen, da man so eine Menge lernen kann. Weiteres wichtiges Accessoire der Laborarbeit ist das Laborbuch, in das jedes Experiment eingetragen werden muss. Denn auch in der Forschung gilt der Spruch: Was nicht dokumentiert ist, wurde nicht gemacht.
Labor-Clubszene
Unter der Woche gab es zudem regelmäßige Veranstaltungen. Dazu zählte zum Beispiel das wöchentliche Arbeitsgruppentreffen, in dem die Experimente der letzten Woche und etwaige Probleme gemeinsam besprochen wurden. In meiner AG wurde generell Englisch gesprochen, woran ich mich aber schnell gewöhnte, da das "Forschungsenglisch" recht einfach zu erlernen ist. Daneben gab es einige Fortbildungs- und Forschungsveranstaltungen wie den B-Cell Club, in dem Forscher über die Immunologie der B-Zelle diskutierten, und den Journal Club, wo neue Studien vorstellt wurden. Auch ich habe während meiner Promotion mehrmals eine Präsentation in den verschiedenen Clubs gehalten. Und jeden Freitag traf ich mich mit meinem Betreuer, um den Stand meiner Doktorarbeit zu besprechen und die zukünftigen Experimente zu planen.
Vollzeitjob im Labor
Nachdem ich mich im Labor recht sicher fühlte, starteten die Experimente. Dazu gehörte einerseits ein Mausexperiment und andererseits eine In-Vitro-Versuchsreihe, sprich Versuche an menschlichen Zellen. Nebenbei musste ich mich noch in die Literatur einarbeiten. Dazu nutzte ich die Online-Literaturrecherche PubMed und auch mein Betreuer gab mir immer wieder Paper zum Lesen mit. Dieses ganze Programm füllte meinen Tag schon sehr aus. Im Durchschnitt war ich 6 Stunden jeden Tag im Labor. Auch am Wochenende war ich öfter dort, zum Beispiel um die Mäuse zu behandeln oder die Zellen zu analysieren, denn die kennen ja keine Feiertage. Ich war also zeitlich ganz schön ausgelastet, dabei ist aber hervorzuheben, dass ich mir die Zeit recht flexibel einteilen konnte. Da ich eher ein Spätaufsteher bin, fing ich somit oft erst um 12 Uhr im Labor an und blieb bis 18 Uhr dort. Einen längeren Urlaub konnte ich mir aufgrund der Mausexperimente leider nicht leisten, womit ich jedoch kein Problem hatte, da ich die Doktorarbeit zügig fertigstellen wollte.
Gute Daten - Schlechte Daten
Nach ca. 6 Monaten kamen dann die ersten Ergebnisse. Ich war in der Zeit davor sehr beschäftigt mit dem Gedanken, ob denn meine Arbeit überhaupt zu irgendwelchen brauchbaren Resultaten führen würde. Ich denke, dass sich jeder diese Frage im Laufe seiner Dissertation stellt. Meine Kollegen haben mir in Gesprächen allerdings immer wieder geholfen und mir mit auf den Weg gegeben, dass kein Ergebnis auch ein Ergebnis ist (d.h. wenn eine Hypothese nicht bewiesen werden konnte, dann wurde sie damit immerhin widerlegt). Ich bin der Meinung, dass es letztendlich auch etwas mit Glück zu tun hat, ob man gute Ergebnisse erzielt und ob die Experimente überhaupt auf Anhieb klappen. Gleichzeitig habe ich durch viele Gespräche mit Kommilitonen mitbekommen, dass auch "schlechte Ergebnisse" für einen Doktortitel reichen können, wenn die Methoden stimmen. Ich hatte Glück und die Versuche haben interessante und verwertbare Daten geliefert, so dass gleich noch ein Folgeexperiment gestartet wurde. Dies habe ich auch noch mit betreut, aber ich habe nebenbei schon mit dem Schreiben angefangen.
Die Schreibarbeit
Die Anfertigung der Dissertation habe ich in den letzten 3 Monaten vor Wiederaufnahme des Studiums begonnen. Ich wollte die Zeit zwischen den Experimenten und dem Schreiben der Arbeit möglichst gering halten, da mir bewusst war, dass es sonst schwierig sein würde, wieder in die Thematik reinzukommen. Also schlug ich mir eine Menge Nächte um die Ohren und fertigte die Dissertation schließlich in 2 Monaten an. Dabei schrieb ich nacheinander den Methodenteil, die Ergebnisse, die Einleitung und schließlich die Diskussion. Generell empfehle ich, das Schreiben nicht zu lange aufzuschieben und möglichst am Stück zu machen, z.B. in den Semesterferien. Während der Uni ist es auch möglich, jedoch hat man da immer noch den Unistress nebenher laufen.
Resümee
Rückblickend hat mir die Zeit sehr viel gebracht. Ich habe eigenständiges wissenschaftliches Arbeiten, die Durchführung von Mausexperimenten und sicheres Präsentieren gelernt. Auch die vielen Stimmungstiefs, die man im Laufe seiner Doktorarbeit zwangsläufig erleidet, habe ich durch Gespräche mit meiner Doktormutter, meinem Betreuer und Freunden gemeistert. Weiterhin konnte ich den Zeitplan von einem Jahr einhalten, was mir persönlich sehr wichtig war, da ich das Studium ohne die Last einer Doktorarbeit fortführen wollte. Abschließend möchte ich noch einmal betonen, dass die Auswahl der Arbeitsgruppe meiner Ansicht nach der wichtigste Punkt für eine erfolgreiche Promotion ist. Denn nette Kollegen und ein offener und gesprächsbereiter Doktorvater sind die halbe Miete zum "Dr. med."!