Rund einen Monat im Amt, häufen sich die Aufgaben für Daniel Bahr: AMNOG-Kritik, Apothekenbetriebsordnung oder Pflegereform – die Arbeit wird dem neuen Chef des Bundesministeriums für Gesundheit wohl kaum ausgehen. Doch wird er seine Versprechen aus Oppositionszeiten einhalten?
Ein Bundesgesundheitsminister, der vom Fach kommt: Nach einem Studium der Volkswirtschaftslehre in Münster machte Daniel Bahr seinen MBA in „International Health Care and Hospital Management“. Er war mehrere Jahre Mitglied im Gesundheitsausschuss sowie gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Als Oppositionspolitiker kritisierte der Liberale Ulla Schmidts (SPD) Gesundheitspolitik – und stellte sich deutlich hinter die Apotheker. Jetzt ist der 34-Jährige selbst im Chefsessel und könnte die Weichen neu stellen. Laut Heinz-Günter Wolf, dem Präsidenten der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, seien die wichtigsten Themen das Versorgungskonzept, die Novellierung der Apothekenbetriebsordnung, die Folgen des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes sowie die Honorierung apothekerlicher Leistungen.
AMNOG auf den Schultern aller?
Mit dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz, kurz AMNOG, hatte sich der von Apotheken zu entrichtende Rabatt an die Krankenkassen auf 2,05 Euro je Arzneimittel erhöht. Damit nicht genug: „Häufig nutzt der Großhandel jetzt auch das AMNOG, um seine Position zu verbessern“, stellte Bahr im März dieses Jahres fest. „Die Rabattvereinbarungen müssen die Vertragspartner nun untereinander regeln und fair miteinander verhandeln.“ Sollte der Verdacht aufkommen, dass der Großhandel ein Kartell gebildet habe, erwarte er eine Prüfung durch das Kartellamt.
Die Apothekengewerkschaft ADEXA forderte indes, dass der Rabatt künftig wieder direkt zwischen dem GKV-Spitzenverband der Apothekerschaft ausgehandelt werden müsse. Auch der steigende Arbeitsaufwand und die allgemeine Preissteigerung seien zu berücksichtigen, so die Erste Vorsitzende Barbara Neusetzer. Trotz des Drucks auf alle Apotheken sieht Bahr dennoch keine Notwendigkeit, wirtschaftlich nachzubessern: „Als Oppositionspolitiker habe ich damals die Befürchtung vieler Politiker vor Apothekensterben in die Öffentlichkeit getragen. Das hat sich nicht bewahrheitet.“ Im Nachhinein relativiert sich diese Aussage: Rund 700 Arztpraxen gingen 2010 über den Jordan, größtenteils auf dem flachen Land. Im gleichen Zeitraum schlossen laut ABDA auch 370 Apotheken für immer ihre Türen. Deren Existenzgrundlage waren eben immer noch die guten, alten Kassenrezepte. Dieser Zahl stehen 263 Neugründungen gegenüber, allerdings wenige davon in strukturschwachen Regionen. Gelingt es, mit dem Versorgungsgesetz das Aussterben von Hausarztpraxen zu stoppen, rettet Daniel Bahr auch zahlreiche Apotheken. Experten rechnen, dass die neuen Regelungen bereits kommendes Jahr in Kraft treten werden.
N wie Normalität
Für Ärger und Mehraufwand in der Offizin sorgte im Januar die Packungsgrößenverordnung. Das Regelwerk setzte bei allen N-Größen enge Spielräume fest. Zwar hat das Bundesgesundheitsministerium bereits unter Philipp Rösler nachgebessert, am Horizont zogen dennoch drohende Wolken in Form der Reichdauerorientierung auf. Diese Anpassung auf Therapiezeiträume, eigentlich für Mitte 2013 geplant, hat Daniel Bahr erst einmal auf Eis gelegt. „Mit der zum 1. Mai in Kraft getretenen Packungsverordnung wurde die Umstellung auf Reichdauerorientierung für den Bestandsmarkt im Wesentlichen vorgenommen“, hieß es aus Kreisen des BMG. Damit sind quasi nur noch Arzneimittel, die neu auf den Markt kommen, betroffen.
Betrieb in Ordnung?
Das nächste heiße Eisen aus der Gesetzesschmiede des BMG wird eine Novelle zur Apothekenbetriebsordnung sein. Im August 2010 stellte Bahr, damals noch Parlamentarischer Staatssekretär, klar: „Es ist wichtig, dass beim Betreten einer Apotheke nicht der Eindruck entsteht, man sei in einer Drogerie mit angeschlossener Apotheke.“ Damals war ein nicht autorisierter Entwurf nach außen gesickert, und Apothekenleiter hatten deutlich verschnupft reagiert. Kurz darauf wurde zurückgerudert. Bahr: „Der Text verfolgte richtige Ziele, machte aber zu viele Detailregelungen und zu viele Vorgaben.“ Die FDP würde nie vorschreiben, wie viel Verkaufsfläche für den Handel mit nicht apothekenüblicher Ware zur Verfügung stehe. Den Liberalen läge vor allem der Abbau bürokratischer Hürden am Herzen. In diesem Kontext sind auch geringere Anforderungen für den laufenden Betrieb zu interpretieren. Bei Filialen etwa kann eine Apotheke des Verbunds für Labor sowie Nacht- und Notdienst zuständig sein.
„Wir wollen keine Apotheke light. Wir wollen, dass alle Apotheken Vollversorger bleiben“, entgegnete darauf Erika Fink, die Präsidentin der Bundesapothekerkammer. In einigen Bereichen, etwa der Herstellung steriler Parenteralia nach dem EU-GMP-Leitfaden, würden die Maßstäbe sehr hoch angelegt. Fink monierte, dass unter dem Begriff „Bürokratieabbau“ Mindeststandards für eine sichere Arzneimittelversorgung aufgegeben würden, etwa im Rahmen der allzu laschen Genehmigung von Rezeptsammelstellen. Dazu forderte ADEXAs Erste Vorsitzende Barbara Neusetzer: „Pick-up-Stellen für Arzneimittel müssen, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, wieder abgeschafft werden.“
Wann der offizielle Entwurf zur neuen Apothekenbetriebsordnung präsentiert wird, ist fraglich. Laut BMG solle dies noch vor der Sommerpause geschehen. Mit umso größerer Spannung fiebern Kollegen deshalb dem „Strategietag Apotheke“ des Bundesverbands Deutscher Apotheker (BVDA) entgegen: Am 22. Juni wird die inhaltlich zuständige Ministerialrätin Dr. Dagmar Krüger vom BMG einen Vortrag zur Novelle halten.
Warten auf die Wirkstoffverordnung
Arzneimittelsicherheit und Kostendämpfung gelten als Maximen der aktuellen Gesundheitspolitik. Besonders hoch sind die Erwartungen speziell in das Medikationsmanagement, um bei multimorbiden Patienten arzneimittelbedingte Risiken zu minimieren und die Compliance zu erhöhen. Die Idee: Wirkstoff, Dosis und Behandlungsdauer kämen von den behandelnden Ärzten, hingegen würden Apotheker das Präparat auswählen und aus pharmakologischer Sicht beraten. Entgegen ersten Äußerungen bremst Daniel Bahr die weitere Umsetzung, er will nun doch einen Modellversuch: „Wir würden uns freuen, wenn ABDA und KBV dies in einer Region tun würden, um zu sehen, ob dies eine bessere Lösung ist.“ Entsprechende Pilotprojekte werden wahrscheinlich im Kammerbezirk Westfalen-Lippe stattfinden. Doch als ersten Schritt sieht Michael Schmitz von der dortigen Apothekerkammer einen klaren rechtlichen Rahmen durch das Versorgungsgesetz.
Gut Ding will Weile haben
Auch die Pflegereform wird das BMG nicht übers Knie brechen. „Zum 1. Januar, wie es geplant war, kommt die Reform nicht“, betont Heinz Lanfermann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP. Und laut Daniel Bahr bestehe kein Zeitdruck, „weil die Pflegeversicherung momentan noch genügend Geld hat“. Mit einem Gesetz ist folglich nicht vor Mitte 2012 zu rechnen. Besonders hart trifft das heimversorgende Apotheken: Bis diese auch mit ambulanten Einrichtungen Versorgungsverträge abschließen können, kann es also noch dauern. Auch die Frage der Honorierung ist ungeklärt, wie so oft in der Gesundheitspolitik.