Was Ärzte Patienten empfehlen, ist unter Umständen etwas ganz anderes, als für sie selbst in Frage käme, ergab eine aktuelle Studie. Denn nicht nur Gefühle sind bei Entscheidungen wichtig, sondern auch die Kommunikation mit dem Patienten.
Stehen Patienten vor schwierigen medizinischen Entscheidungen, fragen sie meist den behandelnden Arzt nach seiner Meinung. Doch wie kommt es zur Entscheidung für eine Empfehlung und welche Faktoren beeinflussen den Arzt dabei? Dieser Frage gingen US-Forscher in einer aktuellen Untersuchung nach und fanden heraus, dass zwischen Empfehlungen für Patienten und sich selbst eine große Lücke klafft.
Szenario 1: Darmkrebs
Peter Ubel der Duke University und Mitarbeiter konnten anhand von Fragebögen zeigen, dass die Entscheidung für bestimmte Behandlungsempfehlungen die Arztmeinung zur Empfehlung verändert. Dazu entwickelten die Forscher zwei Szenarios: 500 Hausärzte sollten sich vorstellen, sie selbst oder einer ihrer Patienten hätten ein Kolonkarzinom diagnostiziert bekommen. Sie sollten eine von zwei möglichen Therapien auswählen. Beide Behandlungen versprachen Heilung bei 80 Prozent der Betroffenen, doch wies eine der Behandlungen eine höhere therapiebezogene Mortalität, dafür aber weniger Nebenwirkungen aus. Die andere Behandlungsmöglichkeit hatte ein geringeres Todesrisiko, dafür aber eine erhöhte Kolostomierate, das Risiko chronischer Diarrhoen, intermittierender Darmobstruktionen und von Wundheilungsstörungen.
242 Mediziner, also knapp die Hälfte der Befragten, beantworteten die Fragen zu den Therapieentscheidungen. 37,8 Prozent wählten für sich selbst die Behandlungsmethode mit der erhöhten Todesrate, doch dem geringeren Nebenwirkungsrisiko. Nur 24,5 der Ärzte würden diese Therapie ihren Patienten empfehlen.
Szenario 2: Vogelgrippe
1.600 Mediziner sollten sich vorstellen, ein neuer Stamm des Vogelgrippevirus machte sich breit. Ein Teil der Ärzte sollte annehmen, selbst infiziert zu sein, ein weiterer Teil davon ausgehen, ein Patient sei infiziert. Eine Behandlung mit einem Immunglobulin war möglich. Ohne diese Therapie würden zehn Prozent sterben und 30 Prozent für eine Woche ins Krankenhaus gehen müssen. Die Behandlung könnte die Komplikationsrate auf die Hälfte senken, aber auch bei einem Prozent der Behandelten den Tod verursachen und bei vier Prozent eine anhaltende Nervenschädigung mit Paralyse zur Folge haben.
698 Ärzte (43,6 Prozent) antworteten, wobei 62,9 Prozent für sich selbst eine Immunglobulinbehandlung bei einer Infektion ablehnten. Nur 48,5 Prozent der Ärzte hätten ihren Patienten das Ausschlagen der Therapie empfohlen.
Welches ist die optimale Entscheidung?
Welche der Entscheidungen in Einzelfällen die bessere wäre, ist schwer zu sagen. Auch bleibt das Ergebnis wie auch die ganze Untersuchung hypothetisch, denn es handelte es sich ja um keine echten Krankheitsfälle. Dennoch scheint der Prozess der Entscheidungsfindung von Ärzten für Patienten oder die eigene Person unterschiedlich zu sein. Für Patienten muss das keinen Nachteil bedeuten. Wahrscheinlich ist, dass Entscheidungen zu Therapieempfehlungen für Patienten rationaler getroffen werden, während bei eigenen Entscheidungen Gefühle wie die Angst vor Nebenwirkungen und anhaltenden Gesundheitsbeeinträchtigungen eine Rolle spielen.
Welche Rolle spielt der Patient bei der Entscheidung?
In der Realität befindet sich der Arzt meist im Gespräch mit seinen Patienten und berücksichtigt in der Mehrzahl der Fälle auch dessen Ideen und Präferenzen bei der Planung der Therapie. Diesen Schluss lässt zumindest eine Untersuchung aus dem Jahr 2007 zum Thema zu. Auch diese Studie geht allerdings auf eine Befragung von über 1.000 Ärzten zurück und spiegelt schon deshalb möglicherweise nicht die Praxis wider.
Bei 53 Prozent Antworteingängen gaben zwei Drittel der Ärzte an, die gemeinsame Entscheidungsfindung mit dem Patienten bevorzugt anzuwenden. 14 Prozent waren eher für eine Bevormundung und elf Prozent stellten die Patientenmeinung in den Vordergrund. Der Entscheidungsstil und die Entscheidung selbst sind also von verschiedenen Faktoren abhängig und der Patient bleibt in diesen Untersuchungen die unbekannte Größe.