Die innere Uhr steuert unsere Einschlaf- und Aufwachzeiten, Leistungsfähigkeit und Blutdruck. Auch innere Organe wie die Leber arbeiten im 24-Stunden-Takt. Wie eine solche Steuerung funktioniert und warum Störungen zur Fettleber führen, zeigen nun Studien.
Immer um die Mittagszeit plagt uns irgendwann der Hunger. Auch dann, wenn die Zwischenmahlzeit noch gar nicht so lange zurück liegt. Dagegen überstehen robuste Naturen auch längere Partynächte ohne mitternächtliche Stärkung. Warum ereignen sich die meisten Herzinfarkte und Thrombosen am frühen Morgen? Und warum haben Schichtarbeiter zuweilen große Probleme mit ihrer Verdauung? Sie setzen viel leichter Übergewicht an und ihr Diabetesrisiko ist erhöht.
DNA-Modifizierung im Tag/Nacht-Rhythmus
Unsere innere Uhr ist weitgehend tageslicht-gesteuert und wird durch das entsprechende Neuron-Uhrwerk im Nucleus suprachiasmaticus (SCN) im Hypothalamus angetrieben. Zahlreiche Studien und Beobachtungen haben gezeigt, dass sich auch die Aktivität innerer Organe nach einem 24-Stunden-Rhythmus richtet, selbst wenn sie nicht über entsprechende Nervenverbindungen mit lichtempfindlichen Sensoren verbunden sind.
Welche Mechanismen die regelmäßig wiederkehrenden Aktivitäts- und Ruhephasen der Leber steuern, hat ein vor einigen Wochen ein Artikel im Wissenschaftsmagazin „Science“ beschrieben. Nach den Erkenntnissen von Mitchell Lazar und seinen Mitarbeitern aus dem Institute for Diabetes, Obesity and Metabolism im amerikanischen Philadelphia sorgen Modifizierungen an der DNA für die rhythmische Aktivität. Bei nachtaktiven Mäusen konnte das Team nachweisen, dass ein entsprechendes Enzym, die Histon-Deacetylase, zusammen mit einem Kofaktor tausende von Genen nachts anschaltet und damit den Zucker- und Fettstoffwechsel beeinflusst. Die Erkenntnisse liefern auch neue Einsichten darüber, wie die Steuerzentrale der circadianen Rhythmik im SCN mit den peripheren Zeitmessanlagen verbunden ist.
Mehrere tausend Gene im Takt
Die Histon-Deacetylase 3 (HDAC3) spielt bei der Aktivierung von Genen eine Schlüsselrolle. Sie entfernt Acetylgruppen von ihrem Zielobjekt und fördert dadurch die Bindung zwischen Histon und der DNA. Tagsüber, so fanden die Wissenschaftler heraus, ist das Enzym an rund 14 000 Stellen im Genom der Mäuseleber gebunden, nachts nur an rund 100. Ein Unterschied, der die Forscher selber verblüffte: „Ich war von der Breite des Effekts überrascht“, so kommentiert der Leiter der Arbeitsgruppe, Lazar, die Daten in einem Radio-Interview, „mit Hunderten von Genen hätte ich gerechnet, nicht aber mit Tausenden.“ Dieser regelmäßige 24-Stunden Zyklus funktioniert auch, wenn die Tiere in ständiger Dunkelheit gehalten werden, ein Beweis dafür, dass ihre innere Uhr die Aktivität unzähliger Gene steuert.
Wechselt man analog zum menschlichen Jetlag den Rhythmus und legt die Fütterungszeit in die Tagesstunden, so kehrt sich auch die HDAC3-Aktivität um. Die Konzentration des Enzyms in der Leberzelle bleibt jedoch im Verlauf von 24 Stunden ungefähr gleich. Um an Histone zu binden, braucht dieser indirekte DNA-Blocker einen Ko-Repressor (Rev-Erbα), der im tageszeitlichen Rhythmus auftaucht und wieder verschwindet. Wieviel von diesem Kofaktor in der Leber verfügbar ist, hängt aber nicht nur von der nächtlichen Aktivität der Mäuse ab, sondern auch vom Glukoseumsatz und der Energiespeicherung in Form von Fett. Regulationsmechanismen sorgen dafür, dass Rev-Erbα rechtzeitig wieder da ist und die Fettsynthese stoppt.
Steuerdefekte führen zur Fettleber
Wenn aber HDAC3 und Kofaktor nicht fahrplangemäß auftauchen, bleiben die Enzyme für den Energiespeicher aktiv, es kommt zur Fettleber. Im Experiment legten die Forscher HDAC3 in der Leber für einige Tage still. Der Triglyceridgehalt stieg danach um fast das Zehnfache. Die Transaminase-Konzentration im Serum erhöhte sich dagegen nur geringfügig. Ähnliche, wenn auch nicht so starke Effekte ergaben sich, als die Wissenschaftler, dafür sorgten, dass in der Zelle kein Kofaktor mehr verfügbar war.
Unsere interne Rhythmik bestimmt aber nicht nur Schlaf, Laune und die Aktivität der Leber, sondern auch zahlreiche andere innere Organe und Stoffwechselprozesse. Der Blutzuckerspiegel hängt auch von der Insulinproduktion im Pankreas ab, die auch im Tagesrhythmus auf- und abschwingt. Schaltet man Bmal1 ab, einen weiteren wichtigen Faktor im Uhrwerk, fallen Läsionen in der Arterienwand nach einer Verletzung viel stärker aus. In Patienten mit Metabolischem Syndrom fehlt die nächtliche Abnahme des Blutdrucks. („Nondippers“)
Wer Schlafende in bestimmten Phasen ihrer Nachtruhe aufweckt, verändert ihren Stoffwechsel und damit beispielsweise ihre Glukosetoleranz. Noch immer sind die Verbindungen von der SCN-Steuerzentrale in die Peripherie weitgehend unbekannt. Die Arbeiten aus Philadelphia zeigen nun aber zumindest, wie die innere Uhr in inneren Organen auf molekularer Ebene arbeitet. Ob sich ähnliche Rädchen auch in Muskeln, Fettspeichern und anderen Geweben drehen, will das Lazar-Labor in den kommenden Projekten herausfinden. Möglicherweise lassen sich irgendwann einmal Jetlag und Fettleber bei Schichtarbeitern auf ähnliche Weise behandeln.