Der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Theodor Windhorst, tritt an, um nun auch Präsident der Bundesärztekammer zu werden. Im DocCheck Interview erläutert Dr. Windhorst, wie er die Wahl gewinnen möchte.
Welche persönlichen Eigenschaften - Stärken wie Schwächen - rechnen Sie sich zu?
Zu meinen berufspolitischen Charaktereigenschaften zähle ich vor allem Glaubwürdigkeit und Entschlossenheit. Alle Ärztinnen und Ärzte in Westfalen-Lippe können bestätigen, wie entschlossen und für alle Betroffenen berechenbar, nachvollziehbar und glaubhaft ich mein Amt als Präsident der ÄKWL ausführe. Mit Authentizität, meiner typischen Geradlinigkeit und mit Teamgeist verfolge ich das Ziel, für die Ärzteschaft Existenzsicherung und Wertschätzung der Berufsausübung zu erreichen.
Als Vorsitzender des Ausschusses "Gebührenordnung" sind Sie für das GOÄ-Reformkonzept der BÄK verantwortlich. In der aktuellen Debatte über die von der PKV geforderten Öffnungsklausel treten Sie als entschiedener Gegner auf. Worin liegen Ihre Befürchtungen?
Durch die gemeinsamen Aktivitäten im Vorfeld mit der Bundeszahnärztekammer und bevorzugt durch meine gute berufspolitische Vernetzung ist es in vielen Einzelgesprächen gelungen, die Öffnungsklausel zumindest aus der Gebührenordnung für Zahnärzte heraus zu halten. Wie das Bundesministerium für Gesundheit bestätigt hat, ist anzunehmen, dass auch in der Gebührenordnung für Ärzte keine Öffnungsklausel aufgenommen wird.
Ich befürchte aber, dass eine neue Definition von Paragraph 4 der Zielleistungsabrechnung wieder missbraucht wird, um die Ärzteschaft zu knebeln. Ich werde dies zu verhindern wissen.
Meine weitere Befürchtung ist, dass durch Taktieren des Bundesministeriums und der Mitarbeiter auf Arbeitsebene in Bonn das schmale Zeitfenster der Genehmigung der GOÄ durch die Bundesregierung nicht bis 2013 erreicht wird. Zugesichert wurde vom BMG, dass zumindest die Akzeptanz der neuen GOÄ bis 2013 erfolgt.
Auch ist zu befürchten, dass die PKV-Administration durch politisches Taktieren versucht, eine GOÄ ohne Öffnungsklausel zu torpedieren. Dies wohl wissend, dass es als Eigentor gilt, wenn in dieser Legislaturperiode die PKV eine Novelle der 27 Jahre alten GOÄ verhindert.
Als ÄKWL-Vorstand haben Sie jüngst in einer gemeinsamen Resolution mit der Kammer Nordrhein auf den sich weiter zuspitzenden Ärztemangel hingewiesen und sich für ein Bündel von Gegenmaßnahmen ausgesprochen. Was muss dieses Bündel beinhalten?
Ärzte werden Mangelware. In der Patientenversorgung kommen einfach zu wenige Ärzte an. Das lässt sich durch zahlreiche Studien belegen und kann nicht mit Schlagworten wie Verteilungsproblem und Fehlversorgung wegdiskutiert werden. Es lodert bereits vielerorts, in fünf Jahren brennt es lichterloh, in 15 Jahren wird die Lage katastrophal sein. Wir müssen jetzt gegensteuern. Und es reicht nicht, an einzelne Stellschrauben zu drehen, wir brauchen einen ganzen Maßnahmenkatalog. Zu dem gehören die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Praxis und an den Krankenhäusern und eine bessere Vereinbarkeit von ärztlichem Beruf und Familie. Dies umfasst auch eine neue gerechte und faire Honorarregelung in neuen Gebührenordnungen für GKV und PKV, die Abschaffung des Regressrisikos für Niedergelassene und die Aufhebung der Präsenzpflicht für Vertragsärzte. Zusätzlich sollen die Ausbildungskapazitäten an den Universitäten erhöht und die Zugangsbedingungen zum Studium angepasst werden. Notwendig ist zudem eine Verbesserung der ärztlichen Weiterbildung, um die ärztliche Tätigkeit von Anfang an attraktiver zu gestalten und durch eine modular aufgebaute Berufsausübungsordnung mehr Praxisnähe und einen leichteren Zugang zu Abrechnungsregularien zu erhalten. Die Erhöhung der Attraktivität einer Tätigkeit in unterversorgten Regionen zum Beispiel mittels Zuschlägen für Tätigkeiten in weniger attraktiven Gebieten sowie strukturierte Maßnahmen zur medizinischen und gesellschaftlichen Integration ausländischer Ärztinnen und Ärzte sind ebenso notwendig.
Mit den neuen Arzt-Navigatoren von AOK und Barmer sind Praxis- und Klinik-Bewertungsportale wieder in der Diskussion. Viele Ärzte reagieren skeptisch bis verunsichert auf solche Online-Tools. Wie stehen Sie dazu?
Ich kann verstehen, dass im digitalen Zeitalter und in einer Informationsgesellschaft das Bedürfnis besteht, möglichst viele Informationen über die Qualität und Effizienz seines behandelnden Arztes zu bekommen. Mir scheint nur, der Arzt-Navigator stammt noch aus den Zeiten einer verstärkten Misstrauens- und Neidkultur. Und mir scheint diese Art der Qualifikationszertifikate ungeeignet zu sein, da bei 1000 Arzt-Patienten-Kontakten nur eine ganz geringe Zahl enttäuscht ist vom Arzt, eventuell auch durch lebenserschütternde Diagnosen. Nur diese wenigen Enttäuschten werden sich vermehrt melden, aber die Mehrheit der erfolgreich Behandelten bleibt stumm. Das Arzt-Patientenverhältnis ist ein besonderes Vertrauensverhältnis, es basiert auf den besonderen fachlichen Qualitäten des Arztes und der menschlichen Zuwendung, welche nicht in Scores abrufbar sind. Gesundheit ist keine Ware, Patienten sind keine Kunden.
Kollegenaustausch über Arztforen, Praxis- und Klinikmarketing via Newsletter, Homepages oder Facebook, Datentransfer zu KVen, Kassen, Kammern oder Kollegen - das Internet hat auch die Arztwelt verändert. Wie stehen Sie grundsätzlich zu den Entwicklungen im Online-Bereich?
Wir leben in einem Zeitalter, in dem Google eine Internetplattform auf freiwilliger Basis mit Gesundheitsdaten einrichten will. Wenn es noch eine geschützte Zone im menschlichen Leben, insbesondere das besonderen Arzt-Patientenverhältnis und die Krankengeschichte eines Patienten, geben soll, dann sind diese Plattformen und Internetaktivitäten falsch. Ich befürworte die digitale Kontaktaufnahme mit Hilfe des kryptografisch geschützten HBA. Wo die Arbeit der Ärztinnen und Ärzte durch die Techniken von Telemedizin, elektronischer Gesundheitskarte und anderem erleichtert werden kann, ist deren Einsatz richtig. Aber eines muss immer gewährleistet sein: Die Sicherheit der Daten und damit di Sicherheit der Patienten. Einen technischen Selbstzweck in der Medizin darf es nicht geben. Die Ärztekammern sollten die Insellösungen verschiedener Anbieter im Gesundheitswesen auf Kammerebenen einer einheitliche Lösung zuführen und unter Kammeraufsicht stellen.
Und jetzt noch ein paar Stichworte - was fällt Ihnen ganz spontan dazu ein?
Ausstieg aus dem Kassensystem … halte ich für kontraproduktiv. Das solidarisch finanzierte duale System ist eine besondere Stärke unseres Gesundheitssystems.
Evidenzbasierte Medizin … ist ein Mittel zum Zweck unter vielen, aber Naturwissenschaft ist nicht alles. Gute Medizin braucht Empirie, der Patient braucht eine menschliche Zuwendungsmedizin.
Hausarzt-/Facharzt-Debatten Diese Diskussion ist nur dann nützlich und zielführend, wenn es um eine ausgewogene sektorübergreifende Patientenversorgung geht und sie im Miteinander für Qualität in der Patientenversorgung sorgt, nicht im Gegeneinander mündet.
Priorisierung im Gesundheitswesen Die Schere zwischen medizinischen Möglichkeiten und begrenzten finanziellen Mitteln öffnet sich immer weiter. Dabei sind Rationalisierungsreserven weitestgehend ausgeschöpft. Eine umfassende Patientenversorgung wird zunehmend eingeschränkt. Das Schlimme dabei: Das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt wird belastet. Der Arzt schuldet dem Patienten eine Behandlung entsprechend dem medizinischen Standard. Aber immer häufiger stehen Ärzte vor der Frage, welche medizinische Leistung soll mit den zur Verfügung stehenden Mitteln finanziert werden? Eine versteckte Rationierung von Leistungen ist bereits Realität. Deshalb muss eine angemessene Verteilung medizinischer Leistungen in der Gesellschaft offen diskutiert werden. Aus diesem Grund ist eine Prioritätensetzung erforderlich. Leitende Prinzipien dabei sind Menschenwürde, Solidarität, Eigenverantwortung, Subsidiarität, Gemeinwohl und Gerechtigkeit. Dazu kommendie Kriterien medizinische Bedürftigkeit, Schweregrad und Gefährlichkeit der Erkrankung und Dringlichkeit des medizinischen Eingreifens. Die Entscheidung über eine Priorisierungsliste soll von einem „Bundesgesundheitsrat“ getroffen werden, der mit Vertretern von Ärzten und Patienten, von Kostenträgern sowie der Politik besetzt ist. Unser Ziel ist ein breiter Konsens über die gerechte Verteilung von Gesundheitsleistungen im Sinne einer guten medizinischen Versorgung der Patienten. Verpflichtung zur Zertifizierten Fortbildung Eine gesetzlich verpflichtende Aufgabe, die die ärztliche Selbstverwaltung wahrgenommen und mit Inhalten so ausgefüllt hat, dass die Qualität der medizinischen Versorgung stets auf dem neuesten Stand ist.
Fakten zu Theodor Windhorst
Windhorsts berufspolitischer Werdegang
Lesen Sie hier noch einmal die vorangegangenen Teile der Reihe mit den Kandidaten Dr. Frank Ulrich Montgomery und Dr. Günther Jonitz.