Missliebige Themen werden die Deutsche Ärzte- und Apothekerbank noch eine Weile im Gespräch halten: Wie geht es weiter mit dem Ex-Vorstand? Wie viele Klagen stehen wegen der „Licon-Deals“ an? Welche Folgen zieht das OLG-Urteil zu den „Renten auf Pump“ nach sich?
„Mit einer Privatbank verhält es sich wie mit einem Mädchen - wenn die Leute zu viel darüber reden, schädigt das den guten Ruf.“ Die Weisheit stammt von Giles Davison, einem persönlich haftenden Gesellschafter des Münchner Geldhauses Merck, Finck & Co. und dürfte in seinem Wahrheitsgehalt auf alle Geldinstitute zutreffen – auch auf eine Genossenschaft wie die apoBank.
Der gute Ruf der Standesbank für Ärzte, Apotheker, ihrer Organisationen und Verbände stand seit ihrer Gründung im Jahr 1902 lange außer Zweifel. Über „die Bank im Gesundheitswesen“ wurde 107 Jahre kaum gesprochen – weder die mittlerweile 330.000 Bankkunden und die darunter befindlichen 110.000 Anteilseigner, noch die Vertreter der Bankenaufsicht, der Staatsanwaltschaft oder der Medien hatten groß Grund dazu. Doch das hat sich mit der Finanzkrise 2009 schlagartig geändert. Und man muss kein Prophet sein, um zuverlässig zu diagnostizieren, dass das Düsseldorfer Kreditinstitut auch in den nächsten Wochen und Monaten im Gerede bleiben wird: Die Folgen von Fehlbesetzungen, Fehlinvestitionen und Fehlentscheidungen liefern ausreichend Gesprächsstoff über das „Mädchen“.
Thema 1: Die „Müllmänner“
Vorstandssprecher Herbert Pfennig müht sich redlich, seine Bank ins positive Licht zu rücken: „Wir haben gute Nachrichten für unsere Mitglieder. Denn wir haben unser vorrangiges Ziel der Dividendenfähigkeit erreicht. Den Grundstein für diesen Erfolg bilden die Ergebnisse in unserem Kerngeschäft. Hier haben wir trotz vielfältiger Herausforderungen im letzten Jahr ordentliche Zuwächse erzielt. Darüber hinaus zeigen über 14.000 neue Kunden, dass wir über eine starke Position im Gesundheitswesen verfügen“, erklärte der apoBank-Chef Mitte April bei der Präsentation der aktuellen Finanzdaten. „Und schließlich konnten wir auch die Belastungen aus unseren Finanzinstrumenten deutlich reduzieren.“
Belastungen? Finanzinstrumente? Da war doch was! Mit dem Einbruch des US-Immobilienmarkts im Jahr 2009 geriet die größte deutsche Genossenschaftsbank mit einem für sie mit weit über fünf Milliarden Euro überdimensionierten Portfolio an strukturierten Wertpapieren an den Rand des Ruins (DocCheck 2009: Leichte Spastik im Portfolio). 1,2 Milliarden Euro für diese „toxischen“ Wertpapiere mussten abgeschrieben werden. Rund 900 Millionen Euro aus diesen „Giftgeschäften“ sind laut eigener Aussage „unwiederbringlich“ verloren.
Das Geld ist weg, die Schuldfrage noch da: Die derzeitige Führung der apoBank (Herbert Pfennig, Dr. Thomas Siekmann, Eckhard Lüderung) hat nach einem Beschluss des Aufsichtsrats Schadenersatzklage gegen die vor drei Jahren entthronte Vorgängerriege eingereicht. Ex-Vorstandssprecher Günter Preuß, Ex-Risikovorstand Günther Herion, Ex-Kapitalmarktvorstand Harald Wilsing und die ehemaligen Vorstände Gerhard Girner und Werner Albert Schuster sollen 66 Millionen Euro zurückzahlen. Der Vorwurf: Management-Verfehlungen bei den Geschäften mit eben jenen strukturierten Wertpapieren für Müll-Immobilien.
Ob die „Müllmänner“ davonkommen? Solche Prozesse können sich jedenfalls hinziehen, ihr Ausgang ist stets ungewiss. Und der Abbau der noch im Portfolio liegenden Giftpapiere im Wert von 4,2 Milliarden wird laut Herbert Pfennig noch mindestens bis 2014 dauern. Reichlich Zeit und Gelegenheit, darüber zu reden, zu spekulieren, zu diskutieren. Armes „Mädchen“. Doch immerhin: Die Bank schreibt wieder schwarze Zahlen: Der Geschäftsbericht 2010 weist einen Jahresüberschuss von 53 Millionen aus - nach Verlusten in Höhe von 283 Millionen Euro im Jahr zuvor.
Thema 2: Die Immo-Dealer
Gleichzeitig macht der apoBank seit Herbst letzten Jahres ein interner Betrugsfall zu schaffen, der inzwischen den beiden Vorständen Stefan Mühr und Claus Verfürth sowie drei weiteren leitenden Mitarbeitern den Job gekostet hat. Die Bank hält den Fall nach den Entlassungen der schwarzen Schafe zwar für erledigt – betroffene Kunden aber werden mit ihrem bereits angekündigten Gang vor den Kadi für weiteren Gesprächsstoff sorgen. Immerhin stehen mehrere Schadenersatzklagen wegen vorsätzlicher Falschberatung und versteckter Provisionen ins Haus. Und auch über die Ergebnisse der derzeit laufenden Untersuchungen der Bankenaufsicht BaFin sowie der Staatsanwaltschaft gegen drei ehemalige apoBank-Vertriebsleiter wird sicher nicht nur geflüstert werden.
Der Hintergrund: Die Standesbank kooperiert seit 2008 mit einem Tochterunternehmen des Leipziger Bau- und Projektentwicklers Licon, der Firma Medicon. Diese vertreibt denkmalgeschützte Top-Immobilien als Kapitalanlage, die Bank sorgt für die Finanzierungen. An insgesamt 600 apoBank-Kunden wurden 1.500 Häuser und Wohnungen im Raum Leipzig und Berlin im Gesamtwert von 270 Millionen Euro vermittelt. So weit, so gut. Doch führende Licon-Mitarbeiter gerieten ins Blickfeld der Staatsanwaltschaft und sitzen seither in U-Haft: Sie sollen über Scheinrechnungen mindestens fünf Millionen Euro ergaunert haben - mit Hilfe besagter apoBank-Mitarbeiter.
Die Bank reagierte schnell. Sie setzte eine unabhängige Untersuchungskommission mit internen und externen Wirtschaftsprüfern, Juristen und Bankfachleuten ein. „Wir haben mit umfangreichen Organisationsmaßnahmen die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass sich derartige Vorkommnisse nicht wiederholen", resümiert eine Banksprecherin. „Die Vertriebsstruktur wurde neu geordnet, wodurch eine engere Anbindung des Filialnetzes an den Vorstand und eine Verteilung der Verantwortung auf der zweiten Führungsebene von bisher zwei auf sieben Personen erreicht wird." Allesamt Maßnahmen, um persönlichen Bereicherungen einzelner Mitarbeiter künftig einen Riegel vorzuschieben.
Vorstandssprecher Herbert Pfennig gab sich erleichtert: "Die Geschehnisse rund um Licon/Medicon betreffen erfreulicherweise einen kleineren Kreis von Personen als zunächst befürchtet." Und er versicherte, dass die 600 Kunden, die Geld in die Licon-Immobilien gesteckt haben, keinen Schaden hätten.
Nur ein paar schwarze Schafe unter den Bankangestellten? Keine geschädigten Kunden? Der Berliner Rechtsanwalt Jochen Resch, der insgesamt zwölf betroffene Mandanten vertritt, schätzt die Lage völlig anders ein: "Das waren keine einzelnen schwarzen Schafe. Das hatte System. Die Bank nutzte die Bonität ihrer Kunden gnadenlos aus und verkaufte ihrer oft reicheren Kundschaft Immobilien zu unverschämt hohen Preisen. Die sanierten Objekte in Leipzig wurden zu Quadratmeter-Preisen in Höhe von 3.500 Euro veräußert – marktüblich sind gerade mal 2.000 Euro für topsanierte Wohnungen." Resch spricht von gezielter Falschberatung. Die vermittelten Banker hätten nach ihm vorliegenden Dokumenten über versteckte Provisionszahlungen von den Deals persönlich profitiert. Der Münchener Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Dr. Jürgen Klass sieht gar ein kartellartiges Zusammenspiel zwischen apoBank, Licon und Medicon. Die finanziellen Interessen der apoBank sahen laut Klass wie folgt aus: "Zum einen stellte sie bei Bedarf die Erwerberfinanzierung zur Verfügung und verdiente daran nicht schlecht. Zum anderen strich die Bank – hinter dem Rücken der Kunden – heimlich Provisionen ein."
Nach Angaben eines ehemaligen Licon-Mitarbeiters soll die Medicon 15 Prozent Provision von der Licon erhalten haben. Davon seien 7 Prozent an Mitgesellschafter und Hintermänner und 8 Prozent an die apoBank weitergegeben worden - die apoBank weist ausdrücklich darauf hin, dass es nur marktübliche 6 Prozent gewesen seien. Ein Viertel davon wiederum wurden dem erfolgreichen Bankberater augezahlt. Insider sprechen von "Schmiergeldzahlungen."
Die Anwälte haben für ihre Mandanten inzwischen Ansprüche angemeldet und wollen in den nächsten Wochen Klage einreichen. Resch sieht gar eine Klagewelle auf die apoBank zukommen: "Die von der Licon gezahlten Provisionen an die apoBank stellen eine so genannte Rückvergütung dar, über die in den Beratungsgesprächen hätte hingewiesen werden müssen. Ist eine solche Aufklärung nicht geschehen, besteht grundsätzlich ein Schadenersatzanspruch auch gegen die Bank, der im Ergebnis auf die vollständige Rückabwicklung des abgeschlossenen Kauf- und des Darlehensvertrages gerichtet ist."
Auch diese anstehenden Gerichtsverhandlungen bieten wieder reichlich Zeit und Gelegenheit, darüber zu reden, zu spekulieren, zu diskutieren. Armes "Mädchen".
Thema 3: Die Rentenritter
Verunsichert hat apoBank-Anleger auch eine Versicherungsentscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28. Februar: Es geht dabei um verschiedene Rentenfonds der Clerical Medical Lebensversicherung, für die die Genossenschaftsbank zusammen mit anderen Instituten warb und Kredite vergab. Die apoBank wurde verurteilt, einem Anleger seine Zinszahlungen zu erstatten.
Die Rentenmodelle dieser britischen Gesellschaft wurden so rentabel dargestellt, dass es sogar sinnvoll erschien, hohe – oft sechsstellige - Kredite für die Zahlung der Prämien aufzunehmen. Kredite, die auch die apoBank ihren Kunden ritterlich zur Verfügung stellte.
Doch keines der Clerical Medical-Angebote hielt, was es versprochen hatte. Die Renditen waren nicht zweistellig, wie vielfach in Aussicht gestellt worden war, sondern lagen teilweise unter einem Prozent. Für viele apoBank-Kunden bedeutet dies einen enormen Schaden, weil die Kreditkosten viel höher als die Erträge aus der Lebensversicherung sind.
Zwei Anleger zogen deshalb gegen die Standesbank vor das Landgericht Düsseldorf. Und bekamen dort – im Februar bestätigt von der Nächstinstanz OLG – Recht: Die apoBank habe in der Widerrufsbelehrung nicht darauf hingewiesen, dass es sich bei der Finanzierung um ein so genanntes verbundenes Geschäft handele, der Versicherungs- und der Darlehensvertrag bildeten eine wirtschaftliche Einheit. Die Bank muss die Modelle rückabwickeln – sie erhält für das Darlehen die Rechte an der Versicherung, die Kunden bekommen die bereits gezahlten Zinsen zurück.
Laut apoBank handelt es sich nur um Einzelfälle. Doch das sieht Rechtsanwalt Tobias Pilsticker aus München anders: Mindestens zwei weitere Verfahren gegen die Standesbank seien schon anhängig. Und Anlegerschutzanwälte empfehlen den zehntausenden Betroffenen von kreditfinanzierten Lebens- oder Rentenversicherungsverträgen dringend, ihre Situation anwaltlich überprüfen zu lassen. Vielen Geschädigten sei nicht bewusst, dass es einen Ausweg gibt.
Wie viele apoBank-Kunden noch vor den Kadi ziehen werden, ist offen. Doch jeder weitere Prozess um die Renten auf Pump bietet wieder reichlich Zeit und Gelegenheit, darüber zu reden, zu spekulieren, zu diskutieren. Armes „Mädchen“ . Was wird aus deinem guten Ruf?