Wer das Immunsystem eines Föten schon im Mutterleib mit fremden Zellen bekannt macht, erzeugt Toleranz und vermeidet eine Abstoßung. Aber warum klappt die Reparatur von Defekten durch in-utero-Transplantationen mit Stammzellen trotzdem nur ganz selten?
Nachwachsende Zellen, um Verletzungen zu versorgen, nichtfunktionierende Organe wieder zum Laufen zu bringen oder gar Erbschäden zu reparieren, die sonst zum Tod schon im Kindesalter führen. Eines der heißesten Themen in der Medizin ist die Stammzelltechnologie und ganz besonders ihre Anwendungen in der regenerativen Medizin.
Chimären: aus fremd mach Freund
Doch bei all dem Hype um die goldene Zukunft der Körperreparatur mit laborgezüchteten Ersatzteilen vergessen viele, dass das empfindliche Immunsystem des Menschen entscheidet, ob die eingeführten Zellen nicht gleich wieder hinauskomplimentiert werden. Noch bevor sie eine Chance haben, im Körper einzuwachsen und fehlende Funktionen zu ersetzen. Wenn die Histokompatibilitäts-Antigene (MHC) von Donor und Empfänger nicht zumindest im Groben übereinstimmen, hat es das Implantat schwer.
Kein Wunder, dass schon etliche Forscher daran gedacht haben, das Immunsystem zu überlisten, indem sie beim Empfänger eine Toleranz erzeugen. Sie erlaubt einen Chimärismus, eine Mischung von Zellen unterschiedlicher Herkunft im Körper ohne Abwehrreaktion. Besonders bei erblichen Stoffwechselkrankheiten, Hämoglobinurien oder gar Immundefizienzen helfen Stammzell-Transplantationen. Sitzt der Empfänger im Mutterleib und besitzt noch kein ausgereiftes Immunsystem, so erkennt er auch die Stammzellen nicht als "fremd" und toleriert sie - zeitlebens. Soweit die Theorie zu in-utero-Transplantationen von Stammzellen.
Frustrierende Erfahrungen am Menschen
Bei Mäusen hat dieser Ansatz auch schon hoffnungsvolle Ergebnisse hervorgebracht. So berichtete etwa eine chinesische Forschergruppe aus Shanghai 2009 von einer erfolgreichen Transplantation von hämatopoetischen Stammzellen, die schon sehr früh in der Schwangerschaft eingepflanzt wurden. Ein fluoreszierendes Markergen erlaubte die Analyse des Chimärismus in der neugeborenen Maus. Rund 1,5 Prozent aller peripheren Blutzellen trugen den entsprechenden Marker. Auch Lämmer und ungeborene Katzen haben Ingenieure der regenerativen Medizin schon erfolgreich repariert. Besonders aussichtsreich sind in-utero-Transplantationen bei immundefizienten Tieren, die sich nur bedingt gegen den heilbringenden Eindringling wehren. Allerdings - nur bei der Therapie von Immundefizienzen verliefen erste Ansätze dieser Technik auch am Menschen erfolgreich. Bei der Behandlung anderer Krankheiten konnten dagegen die Stammzellen nichts ausrichten. Trotz anfänglichen Anwachsens folgte nach wenigen Wochen die Abstoßung des implantierten Gewebes.
Mutters T-Zellen - Aufpasser im Fötus
Eine Forschergruppe aus San Francisco scheint nun dem Rätsel auf den Grund gekommen zu sein. Demnach verhindern Immunzellen der Mutter, die sich im fötalen Kreislauf eingeschlichen haben, das Anwachsen der Stammzellen. Immer dann, wenn sich im Kreislauf des Heranwachsenden fremde Zellen finden, steigt auch der Ein- und Ausstrom von Blutzellen, die die Plazenta durchqueren. Im Experiment benutzten Tippi MacKenzie und ihre Kollegen nun Knock-out Mäuse. Die trächtigen Tiere verfügten über keinerlei maternale B- bzw. T-Zellen. Bei den T-Zell-defizienten Mäusen stieg die Rate für die Transplantatannahme deutlich und lag weit über der der Kontrollgruppe, genauso wie über der von Mäusen ohne B-Lymphozyten.
Als die Forscher nun Stammzellen transplantierten, deren MHC-Antigene denen der genetisch unveränderten Mutter entsprachen, war der Erfolg durchwegs dauerhaft, unabhängig davon, ob Transplantat und fötale Zellen in den Histokompatibilitätsantigenen übereinstimmten oder nicht. Mit diesem Ergebnis scheint es klar, dass für die geringe Erfolgsrate der neuen Technik der regenerativen Medizin die T-Zellen der Mutter verantwortlich sind, die sich im Uterus gegen unerwünschte Eindringlinge wehren.
Mutters Stammzellen - Reparatur möglich
Freilich steht eine Bestätigung der Versuche in anderen Tierarten und schließlich im Menschen noch aus. Und wozu das Ganze? DocCheck beschrieb im Dezember 2008 Ergebnisse, nach denen mütterliche Zellen im Kreislauf des Föten für eine Toleranz der heranwachsenden Immunabwehr gegenüber der Mutter sorgen. Denn deren Gewebe enthält Gewebeantigene, die der Fötus nicht kennt. Das Kontrollwerkzeug des Heranwachsenden sind dabei regulatorische T-Zellen, die die eigenen Waffen in Schach halten.
Wer nun das unreife Immunsystem des Föten nutzen will, um dort wie die mütterlichen Zellen eine Toleranz zu induzieren, dem zeigen die Ergebnisse der kalifornischen Gruppe zumindest einen Lösungsweg auf. Denn wenn Stammzellen von der Mutter stammen oder zumindest deren HLA-Typ ähnlich sind, dürfte der Annahme im Uterus nichts mehr entgegenstehen. Stammzellen bei Frauen in guter Hoffnung zu entnehmen, so schreibt Orenlla Parolini in einem Kommentar im New England Journal, wäre zwar nicht ganz einfach, aber sicher nicht unmöglich.
Ein gewagter Blick in die Zukunft zeigt dann auch weitere Möglichkeiten jenseits der Transplantation hämatopoetischer Stammzellen auf. Mesenchymale Stammzellen wuchsen in Schafen zusammen mit dem Lammfötus erfolgreich an. Wenn in Zukunft die pränatale Diagnostik Defekte des Föten schon sehr früh nach der Befruchtung erkennen kann, stellt sich vielleicht irgendwann einmal nicht mehr die Frage nach einer Abtreibung schwer behinderter Kinder, sondern einer Reparatur im Mutterleib mit entsprechenden Stammzellen.