Brasilien avanciert zur achtgrößten Volkswirtschaft der Welt - doch was das Land in Sachen Pharmaforschung zu bieten hat, weiß hierzulande so gut wie niemand. Das kann sich ändern: Im Kampf gegen antibiotikaresistente Erreger haben Forscher der brasilianischen Federal University of Paraná eine neue Waffe entdeckt.
Die Fachpublikation im "Brazilian Journal of Pharmaceutical Sciences" attestiert: Akazienblüten (Acacia podalyriifolia) machen einer ganzen Reihe von Bakterien den Garaus. Staphylococcus aureus, Staphylococcus epidermidis oder Streptococcus pyogenes überleben die Wirkstoffe der Blüten ebenso wenig wie Streptococcus pyogenes und Streptococcus pyogenes. Damit macht sich die zur Unterfamilie der Mimosengewächsen zählende Pflanze interessant für die Pharmaforschung.
Als besonders wertvoll dürfte sich dabei die unter der Nummer 268.219 im Botanischen Museum Curitiba abgelegte Sammlung des Wissenschaftlers Gert Hatschbach erweisen. Der Botaniker hatte von Juni bis September 2007 den wertvollen Rohstoff gesammelt. Wochenlang trockneten die Blüten dann im Schatten Curitibas. Am Ende der Prozedur standen den Pharmazeuten 300 Gramm der Blüten zur Verfügung. Über komplexe Extraktionen mit Ethanol und anderen Lösungsmitteln gelang schließlich die Isolierung einer Flüssigkeit. Denn mit Hilfe der Dünnschicht-Chromathographie konnte das Team um Obdúlio Gomes Miguel vom Pharmazeutischen Institut der Universität Paraná einen hohe Anteil von Naringenin und des Glykosyl-Flavonoids 5-β-D-Glycosyl-Naringenin messen. Obwohl beide Substanzen wie erwartet deutliche antioxidative Effekte zeigten, verfügte Naringenin zudem über sehr deutliche antibakterielle Eigenschaften. Naringenin ist kein Unbekannter. Das Flavonoid kommt vor allem in Zitruspflanzen vor. Bislang zählte die Grapefruit als wichtigster Lieferant des Vorläufers Naringin, das erst im Magen zu Naringenin aufgespalten wird.
Der Umweg über die Grapefruit gehört womöglich der Vergangenheit an. 2000 Mikrogramm des wichtigen Wirkstoffs pro Gramm Akazienblütenextrakt konnten die Forscher um Miguel in Brasilien jetzt messen. „Die Menge ist beachtlich“, teilen die Forscher mit. Dass der Wirkstoff in so hohen Konzentrationen vorkommt, eröffnet nach Ansicht der brasilianischen Wissenschaftler vollkommen neue Perspektiven in der Pharmazie. Denn neben der Menge ist auch die relativ leichte Extraktion ein wichtiger Punkt auf dem Weg zum multipotenten Medikament. Dass der Amazonas über zigtausende Wirkstoffe verfügt, die bislang noch auf eine Entdeckung warten, ist eine Binsenweisheit. Wer jedoch brasilianische Publikationen aus dem Bereich der Pharmazie liest, wird schnell erkennen, warum das aufstrebende Land ein enormes Potenzial für Apothekenregale auch hierzulande verspricht: Man traut sich an all jene pflanzliche Substanzen heran, die in Europa auf Grund komplexer Zuständigkeiten und Regeln praktisch aus dem Bewusstsein der Pharmazie verschwinden.
Zulassungs-Samba in der EU
Forscher von der Universität Vale of Itajaí berichten beispielsweise über einen extrem hohen Polyphenolanteil in der Noni-Frucht, die als Grundlage eines in Brasilien, den USA und in Europa vertriebenen Erfrischungsgetränks dient. Wie weit die europäische Sichtweise von der brasilianischen Pharmaforschung entfernt ist, lässt sich unschwer an der Diskussion rund um den Noni-Saft erkennen. In der EU gelten Noni-Produkte nämlich als neuartige Lebensmittel und benötigen entsprechend eine Zulassung im Rahmen der Novel Food-Verordnung. Hierzulande erteilte das damalige BgVV wegen „Nichtwirksamkeit“ im Jahr 2001 ein vorläufiges Verbot für Nonisaft, das die Europäische Kommission nur zwei Jahre später kassierte. Seitdem ist der Vertrieb von Säften aus der Frucht des indischen Maulbeerbaums (Morinda citrifolia L.) erlaubt - auf Werbeaussagen über eine gesundheitsfördernde Wirkung der Getränke müssen die Hersteller indes verzichten.
Zudem verpflichtet die Richtlinie 2000/13/EG eine klare Kennzeichnung als „Noni-Saft“ oder „Morinda citrifolia-Saft“. Eine Neubewertung durch die europäische Lebensmittelbehörde EFSA im Jahr 2006 räumte schließlich Zweifel über Leberschäden nach dem Verzehr aus den Weg – seitdem geriet die Pflanze in Vergessenheit. Die häufigere Lektüre von brasilianischen Fachpublikationen erscheint indes angebracht. Denn über die therapeutische Wirkung des Noni-Extraktes besteht nach Ansicht der brasilianischen Pharmazeuten schon aus einem Grund kaum Zweifel, wie Joseane Torresani und Ihre Kollegen im „Brazilian Journal of Pharmaceutical Sciences“ berichten: Die Heilkraft von Morinda citrifolia L. wurde bereits vor 2000 Jahren genutzt.