Ein Herzstillstand kann jederzeit passieren. Gießener Medizinstudenten reanimieren und intubieren seit August 2010 in einem eigenen Simulationszentrum, um im Fall der Fälle vorbereitet zu sein.
Seit August 2010 steht das Gießener Simulationszentrums für Anästhesie- und Notfallmedizin (kurz GiSim) für die Medizinstudenten der Justus-Liebig-Universität Gießen bereit. Sie lernen nicht nur in der Theorie das Wichtigste über Reanimations-Algorithmen und die Einleitung einer Narkose, sondern nun auch in der Praxis. Im GiSim erleben und erlernen sie das praktische Vorgehen in Situationen, in denen zum Beispiel ein Mensch plötzlich einen Kreislaufstillstand hat und reanimationspflichtig wird. Dabei zählt dann nicht nur theoretisches Lehrbuchwissen, sondern auch schneller Einsatz und Koordinationsfähigkeit im Team.
Von der Idee zum Zentrum
Bevor jedoch die erste Simulationspuppe reanimiert und wieder „ins Leben zurückgeholt“ wurde, kam die Idee zur Einrichtung des Zentrums. Finanziert wurde der Plan zu Beginn aus den Studienbeiträgen. Als diese dann 2008 im Land Hessen gesetzlich gekippt wurden, konnten Landesmittel zur Verbesserung der Qualität von Studium und Lehre akquiriert werden. Insgesamt wurden bisher ca. 1 Million Euro in das Projekt investiert. Das Simulationszentrum ist vom Konzept bundesweit einzigartig: vergleichbare Anlagen, die in der praktischen Ausbildung der Studenten eingesetzt werden, existieren derzeit nicht an anderen Universitäten.
Vorträge und Simluationen
Das Simulationszentrum besteht aus mehreren Bereichen: 3 Vortragsräume, 1 Raum zur Atemwegssicherung sowie 1 Anästhesiesimulationsbereich samt Kontrollraum.
Die Vortragsräume werden hauptsächlich zum Reanimationstraining genutzt. Geübt wird an Reanimations-Puppen, die u.a. auch die Ableitung von EKGs zulassen. Dabei wurde bewusst Wert auf eine realitätsnahe Ausstattung gelegt: Die Notfallrucksäcke entsprechen, inklusive Inhalt, den eingesetzten auf Stationen des Uniklinikums, auch die Defibrillatoren sind gleich. Dies macht insbesondere Sinn, weil neben den Studenten auch die fertigen Ärzte somit mit identischem Material trainieren können, wie sie es auch im Notfall vor sich haben. Das Herzstück des Simulatonszentrums bleibt jedoch der Anästhesiesimulator, an dem verschiedenste Situationen aus dem OP erprobt werden können. Angefangen von einer Standard-Narkoseeinleitung bis hin zu gefährlichen Zwischenfällen wie einem Auftreten einer malignen Hyperthermie. Dabei findet man einen vollständigen Anästhesiearbeitsplatz vor, samt den üblichen Monitoring-Verfahren wie Blutdruckkontrolle und Pulsoxymetrie. Die Simulations-Puppe kann nicht nur akustisch reagieren, auch die Thorax-Exkursionen können beobachtet werden. Zwei Kameras zeichnen das Geschehen zusätzlich zu den Monitoring-Daten auf, sodass im Anschluss an die Simulation detailliert besprochen werden kann, wie die Reaktion der „Ärzte“ auf bestimmte Situationen war und wo es Verbesserungsbedarf gibt. Einbindung in die Lehre
Die Veranstaltungen verteilen sich auf mehrere Semester: Zu Beginn des klinischen Studienabschnittes bekommen die Studenten ein Basic- und Advanced Life Support Training gemäß geltenden ERC-Richtlinien in den Räumlichkeiten, samt verschiedenen Notfallsituationen, die in der Gruppe bewältigt werden müssen. Im 2. klinischen Semester folgt ein Anästhesie-Praktikum mit Atemwegssicherung und dem erwähnten Anästhesie-Simulator. Dabei wird von den Studenten eine Beherrschung der Theorie erwartet, damit die Zeit auch wirklich für das Erlernen und Üben verwendet werden kann und das Praktikum seinem Namen gerecht wird.
Ziel der Veranstaltungen ist es, dass alle Studenten nach dem Besuch sicher die grundlegenden Reanimations-Algorithmen beherrschen und auch in Notfallsituationen sicher anwenden können. Dank des Anästhesie-Simulators bekommen auch Teilnehmer, die später keine Tätigkeit in der Anästhesie ausüben, zumindest einen Einblick, wie ein Narkoseablauf aussieht und mit welchen Problemen ein Anästhesist sich täglich im OP auseinandersetzen muss.
In Zukunft sollen in der Anlage auch Ärzte, Pflegende und Rettungsdienstmitarbeiter geschult werden. Ein Umzug des GiSims, das sich momentan etwas abseits des Klinik-Geländes befindet, ist angedacht. Des Weiteren sollen die Studierenden langfristig auch Notfallsituationen an einer speziellen Kleinkind-Simulator-Puppe üben können.
Die Evaluationsergebnisse des Fachbereichs Medizin zeigen ebenfalls ein positives Bild für die Lehr-Bemühungen der Klinik für Anästhesiologie: Die praktische Ausbildung in der Anästhesie belegt dabei durchweg Spitzenplätze in der studentischen Auswertung, in Stellenanzeigen wirbt der Bereich bei Kollegen mit guten Noten in der studentischen Ausbildung.
Fazit
Insgesamt ist das Gießener Simulationszentrum eine Bereicherung für den manchmal doch stark theoretisch geprägten Studentenalltag. Gerade die Interaktionen im Team beim Reanimationstraining und Situationen, in denen nicht alles nach Lehrbuch verläuft, sind eine interessante Erfahrung für die angehenden Mediziner. Selbst wer später nicht als Anästhesist oder Notarzt arbeitet, bekommt doch einen interessanten Einblick in diesen Arbeitsbereich. Ein durchweg gelungenes Studentenpraktikum mit hohem Nutzen und definitivem Erinnerungswert bietet das GiSim somit auf jeden Fall.