Die Bevölkerung leidet allgemein an einem Vitamin-D-Mangel, so die gängige Meinung bislang. Die Versorgung ist ausreichend, meint das US-Institute of Medicine (IOM). Eine Überversorgung auch mit Kalzium sei unnötig, wenn nicht gar schädlich.
Vitamin D und Kalzium – ein Mangel in der Bevölkerung wird seit Jahren festgestellt und erfolgreich propagiert. Kaum eine gesundheitliche Gefahr, der man mit einem entsprechenden Vitamin- und Kalzium-Spiegel nicht vorbeugen könnte. Osteoporose, Herzkreislauf- und Autoimmunerkrankungen, sogar Krebs lassen sich angeblich vorbeugen, wenn Vitamin D und Kalzium ausreichend vorhanden sind. Nahrungsmittel sind mit Vitamin D versetzt und in jeder Supermarktkette finden sich entsprechende Supplemente unterschiedlicher Dosierungen, womit sich die Versorgung sicherstellen lässt.
Auch ohne Sonne ist Bedarf gedeckt
Ganz anders beurteilt das IOM die Lage. In einem Bericht des Institutes Ende letzen Jahres heißt es, dass Supplemente bei der US-Bevölkerung meist unnötig wären. Die Mehrheit der US-Amerikaner und Kanadier erhielten ausreichend Vitamin D und Kalzium. Den Empfehlungen zufolge reichen täglich 600 internationale Einheiten (IU) 25-Hydroxy-Vitamin D und bei über 70-Jährigen 800 IU aus, um die Gesundheit zu erhalten. In Abhängigkeit vom Alter sollte die Kalziumaufnahme 700 bis 1.300 mg/Tag betragen. Grundlage dieser Empfehlung waren annähernd 1.000 Studien. Die vom IOM ermittelten Werte gelten für Menschen mit geringer Sonnenexposition.
Die meisten Nordamerikaner weisen nationalen Beobachtungsdaten zufolge einen ausreichend hohen Blutspiegel an Vitamin D von 20 ng/ml (50nmol/l) oder mehr im Blutserum auf, so das IOM. Verwirrung stifteten die in den letzten Jahren ermittelten Blutwerte. Die Messungen von Grenzwerten ausreichender Blutwerte oder eines Mangels in klinischen Labors basierten nicht auf strengen wissenschaftlichen Studien und wären nicht standardisiert. Fehlende Übereinstimmungen führten dazu, dass ein und dieselbe Person in Abhängigkeit des untersuchenden Labors mal als defizient, mal als ausreichend versorgt betrachtet würde.
Was nun: Mangel oder Überversorgung?
Das Robert Koch Institut schätzt die Versorgung der Deutschen auf Basis des Deutschen Gesundheitssurveys 1998 und des Kinder- und Jugendsurveys mit Vitamin D als unzureichend ein. Bevölkerungsbasierte Stichproben an über 10.000 Kindern und Jugendlichen sowie über 4.000 Erwachsenen hatten ergeben, dass über 62 Prozent der Jungen und Mädchen und über 57 Prozent der Erwachsenen einen Vitamin-D-Mangel aufweisen. Im Winter sei es noch schlimmer. Besonders betroffen wären Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund sowie ältere Frauen.
Nun liegen unsere Empfehlungen der täglichen Vitamin D-Zufuhr deutlich unter den Werten, die das IOM ermittelte. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt 200 bis 400 IU pro Tag. Das halten aber viele Wissenschaftler für völlig unzureichend und auch ein Blutwert von 20 ng/l wird häufig zumindest zum Erhalt der Knochengesundheit nicht als ausreichend erachtet. Unter Zugrundelegung der gleichen Daten, die das IOM benutze, empfiehlt die International Osteoporosis Foundation (IOF) zumindest bei älteren Personen einen Zielwert von 30 ng/ml entsprechend 75 nmol/l.
Ist weniger am Ende mehr?
Das IOM dagegen ist der Meinung, dass höhere als von ihrem Komitee ermittelte Werte hinsichtlich des Erhalts der Knochengesundheit nicht nötig sind. Nahrungsmittelanreicherungen und die verbreitete Einnahme von Supplementen führten zu einer hohen Aufnahme der Nährstoffe. Zu bedenken sei, dass ein Zuviel an Vitamin D und Kalzium mit möglichen Gesundheitsrisiken verbunden sei. Kalzium könne Ursache von Nierensteinen sein und möglicherweise der Arteriosklerose Vorschub leisten. Die Verabreichung hoher Vitamin-D-Dosen sei möglicherweise mit chronischen Erkrankungen und einem höheren Todesrisiko verbunden. Bevor definitive Aussagen zu den Risiken einer erhöhten Vitamin- und Kalziumzufuhr gemacht werden könnten, sollte die Bevölkerung nicht mehr als die im Bericht ermittelten Mengen einnehmen, fordert das IOM.
Denn bereits in der Vergangenheit hätte sich gezeigt, dass manch erfolgversprechende Therapie zur Prävention von Krankheiten nicht wirkt oder aber selbst gesundheitschädigende Einflüsse hat. Als Beispiel führt das IOM die Hormonersatztherapie und hochdosierte Beta-Carotintherapie an.
Es zeigen sich weder national noch international Übereinstimmungen von Blutserumzielwerten, Testungen, empfohlenen Tagesdosen und Einschätzungen des Nutzens wie auch der Risiken. Eine Supplementierung empfiehlt die DGE deshalb nicht allgemein, aber für ältere Personen mit Risikofaktoren der Osteoporose oder verminderter Knochendichte.