Schon klar, Zahnseide und Bürste sind die beste Strategie zum Schutz vor Parodontitis. Dass es auch anders geht, zeigt eine US-Studie, in der das von der Osteoporose bekannte Hormon Teriparatid bei geplagten Parodontitikern erstaunliche Wirkungen entfaltete.
Die Parodontitis („Parodontose“) ist bekanntlich ab einem gewissen Alter eine zahnmedizinische Volkskrankheit. Sie steht der eher in den früheren Lebensjahrzehnten prävalenten Kariesproblematik in Sachen Lästigkeit nur wenig nach. Weil die Parodontitis so häufig ist, denkt der moderne und kostenbewusste (Zahn-)Arzt sicherlich nicht als allererstes an den Einsatz gentechnisch hergestellter Hormonderivate zur Beseitigung dieses Übels. Bei den allermeisten Patienten geht es zweifellos auch wesentlich billiger.
Neues Therapiekonzept bei Parodontitis: „pro Knochen“ statt „anti Bakterien“
Dass es gelegentlich Sinn machen kann, die gesundheitsökonomischen Scheuklappen abzustreifen, zeigt eine auf der Jahrestagung der American Society for Bone and Mineral Research in Toronto vorgestellte und im New England Jounal of Medicine elektronisch vorveröffentlichte Studie, bei der die Kostenproblematik geflissentlich ignoriert wurde. Die Ärzte um Laurie K. McCauley von der University of Michigan behandelten 40 Patienten mit schweren Formen der Parodontitis entweder mit dem gensynthetischen Parathormonderivat Teriparatid oder mit Placebo – in Ergänzung zu einer Standard-Knochentherapie mit Kalzium und Vitamin D.
Die Sache klingt zunächst abenteuerlich. Immerhin sind die Knochenprobleme bei der Parodontitis die Folge einer bakteriellen Infektion und nicht umgekehrt. Der Knochen ist also nicht ursächlich an der Parodontitis beteiligt. Er ist aber ein Verteidigungswall gegen die Keime, und er hat ein Wörtchen mitzureden, wenn es um die Anatomie der „Infektnischen“ geht. Letztlich erfolgte der Einsatz des stark osteoanabolen Teriparatids bei der Parodontitis mit einer ähnlichen Rationale wie bei der Osteoporose: Der geschädigte Knochen in den die Zähne einfassenden Knochentaschen sollte gestärkt werden. Die spannende Frage dabei war, wie sich eine explizit auf den Knochen gerichtete Therapie auf die klinischen Zeichen der Parodontitis, sprich die Zahnfleischtaschen auswirkt.
Erst das Messer, dann die Nadel
McCauley und ihre Kollegen haben für die Studie gezielt Patienten mit schwerer Parodontitis ausgesucht: Sie mussten Zahnfleischtaschen einer Tiefe von mehr als sechs Millimetern haben. Das ist jener Bereich, wo Zahnärzte beginnen, an eine offene, sprich chirurgische Therapie bei der Entfernung der Zahnbeläge zu denken. Für die Studie wählten die Ärzte aus Michigan pro Patient einen Knochendefekt aus, der chirurgisch versorgt wurde. Es erfolgte ein klassisches Debridement unter Einsatz von Küretten und Ultraschallgeräten. Auf eine Knochenersatztherapie oder eine Membranabdeckung wurde verzichtet.
Drei Tage vor der Operation wurden die Patienten randomisiert. Sie erhielten von diesem Zeitpunkt an bis sechs Wochen nach dem Eingriff allesamt 1000mg Kalzium und 800 IU Vitamin D pro Tag oral. Im Studienarm wurde diese Therapie durch 20µg Teriparatid ergänzt. Wie bei der Osteoporose wurde es einmal täglich subkutan injiziert. In der Kontrollgruppe gab es Placeboinjektionen.
Knochen dick, Tasche zu: Parathormon nutzt Patient und Knochen
Das Ergebnis hat auch die Studienleiter überrascht: „Der Einsatz von Teriparatid war assoziiert mit einer Verbesserung des radiologischen und des klinischen Outcomes“, betont McCauley. Und nicht nur das: „Eine relativ kurze Therapiedauer scheint lang anhaltende Effekte zu haben.“ Im Einzelnen kam es bei den Patienten, die nach dem zahnchirurgischen Eingriff sechs Wochen mit Teriparatid behandelt worden waren, zu einer Knochenzunahme von 1,86mm innerhalb eines Jahres. In der Kontrollgruppe waren es dagegen nur 0,16mm. Der Unterschied war hochsignifikant und ging einher mit einer im Trend besseren Knochendichte.
Klinisch hatte die Tiefe der Zahnfleischtasche 12 Monate nach dem Eingriff im Median um 33 Prozent oder 2,42mm abgenommen. Das war mehr als doppelt so viel wie in der Placebogruppe, und auch dieser Unterschied war trotz vergleichsweise kleiner Probandenzahl statistisch signifikant. Die Autoren sehen die Kurzzeittherapie Teriparatid deswegen als eine interessante Option für Patienten mit schwerer Parodontitis an.
In einem begleitenden Editorial ist Andrew Grey aus Neuseeland zurückhaltender. Er besteht auf weitere Studien und erinnert daran, dass aus einer Studie mit 40 Patienten keine Empfehlungen für den klinischen Alltag abgeleitet werden könnten. Ein Problem könnte auch eine gewisse Skepsis der Patienten gegenüber der Injektionstherapie sein. Für 40 Studienteilnehmer mussten 174 Patienten in einem Zeitraum von über vier Jahren gescreent werden. 71 lehnten eine Teilnahme ab. 63 erfüllten nicht die Einschlusskriterien.