Seit das Apothekengesetz im Jahr 2004 grünes Licht für den eingeschränkten Mehrbesitz gab, werden immer neue Filialen gegründet oder Apotheken entsprechend umgewidmet. Um aber Erfolg zu haben, müssen Filialleiter als Lotsen der Pharmazie und der Betriebswirtschaft etliche Klippen umschiffen.
Noch scheint der Trend zur Apothekenfiliale ungebrochen: Lagen die offizielle Zahl in 2007 noch bei 2356, registrierte die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände für 2010 insgesamt 3.224 Filialen. Den Gründen ist die Fachhochschule Worms im Rahmen einer Befragung nachgegangen. Als wichtigste Argumente nannten Kollegen vor allem Wachstumsfaktoren, gefolgt von Synergien sowie der Sicherung des Standorts im Sinne einer Vermeidung von Konkurrenz.
Aller Anfang ist schwer
Doch von der Idee bis zur Eröffnung ist es ein weiter Weg, Eckpunkte regelt das Apothekengesetz: Die Filiale muss einem Approbierten gehören, der selbst eine Apotheke betreibt, zumindest im benachbarten Kreis, wenn nicht sogar näher. Auch diese von einem Approbierten zu leiten, und ansonsten ebenso auszustatten wie die Hauptapotheke.
Starke regionale Unterschiede prägen die sonstigen Anforderungen, Beispiel Arbeitsvertrag: Manche Behörden legen keinen gesteigerten Wert auf das Dokument, andere erwarten mittlerweile eine Kopie, bei der alle Details mit Ausnahme des Gehalts einzusehen ist. Und auch in puncto Arbeitszeit klaffen Welten auseinander. Im Klartext kann das 12, aber auch 60 Wochenstunden bedeuten – lediglich auf den Passus, die Tätigkeit sei hauptberuflich auszuführen, hat man sich mittlerweile verständigt. Aber Achtung: Für den Höchstwert schreibt das Arbeitszeitgesetz 48 Stunden pro Woche fest – wobei an einem Tag schon mal zehn Stunden möglich sind, falls es in 24 Wochen bei einem Durchschnitt von acht Stunden täglich bleibt.
Aber auch der nächste Urlaub kommt bestimmt. Für die „schönsten Zeit des Jahres“ ist zu bedenken, dass sich Inhaber der Hauptapotheke nicht von einem Apothekerassistenten oder Pharmazieingenieur vertreten lassen, sondern nur von einem Apotheker. Für Filialleiter gilt der Passus nicht. Aber Vorsicht - gerade kleinere Apotheken greifen gern auf Dienstleistungen freiberuflicher Approbierter zurück. Diese Praxis steht juristisch auf tönernen Füßen, und mit einem Arbeitsvertrag ist sowohl die Stammapotheke als auch die Filiale auf der sicheren Seite.
Diener vieler Herren
Frisch aus dem praktischen Jahr kommend, sind sich manche Approbierte ihrer Position mehr als unsicher: Einerseits vom Chef der Hauptapotheke angestellt, andererseits für das eigene Team verantwortlich, fühlen sich zwischen allen Stühlen. Wichtig ist ihnen natürlich, die Vorstellungen des eigenen Arbeitgebers zu erfüllen – und diese können von engmaschiger Beteiligung selbst bei kleinen Entscheidungen bis hin zu großen gestalterischen Freiräumen reichen.
Aus dem Arbeitsvertrag sollte deshalb die organisatorische und finanzielle Verantwortung klar hervorgehen, sonst ist der Ärger vorprogrammiert. Der Vorgesetzte bestimmt zudem Arbeitsleistung, Arbeitsort und Arbeitszeit innerhalb geltender rechtlicher Grenzen. Eine Festschreibung der Stundenzahl kann empfohlen werden, ist ansonsten nur schwer einzuschätzen, wie viel Zeit für das vereinbarte Gehalt zu erbringen ist. Nicht zu vergessen: Filialleiter sind als Heilberufler trotz allem ihrem Gewissen unterworfen – pharmazeutische Entscheidungen gehören zu ihrer ureigensten Aufgabe. Sollte es zu Meinungsverschiedenheiten mit dem Chef der Hauptapotheke kommen, sind Abmahnungen Experteneinschätzungen zufolge nichtig.
Mit SMARTen Zielen starten
Sobald der Arbeitsvertrag unterschrieben wurde bzw. die Betriebserlaubnis vorliegt, stehen viele Filialleiter in spe bereits in den Startlöchern, ist doch die Verlockung zu groß, gleich loszulegen. Allein das eigene Charisma garantiert jedoch keinen betriebswirtschaftlichen Erfolg. Vielmehr spielen zahlreiche Standortfaktoren mit hinein: Wie ist die Altersstruktur bzw. die wirtschaftliche Situation des Stadtteils? Sind Arztpraxen in der Nähe? Wie weit entfernt ist die Konkurrenz? Sind Parkplätze vorhanden bzw. ist die Apotheke für ältere Patienten auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar? Befinden sich Geschäft in der Nähe, die potenzielle Kunden ohnehin regelmäßig besuchen?
Hier können SMART-Kriterien des Projektmanagements bei der Planung helfen: Ziele müssen demnach spezifisch, also klar definiert sein. Darunter wäre bei Apotheken zum Beispiel der Ausbau eines speziellen Bereichs zu sehen, etwa anthroposophische Arzneimittel verstärkt inklusive fundierter Beratung an den Mann und an die Frau zu bringen. Auch sollte die Filialleitung Kriterien der Messbarkeit mit in das Konzept schreiben. Im konkreten Fall wären Umsatzzahlen zu Rate zu ziehen. Die Ziele sind ebenfalls von allen zu akzeptieren. Konkret heißt das, nur Kollegen aus dem Team in eine naturheilkundliche Fortbildung zu schicken, die sich mit dem Thema auch identifizieren können. Und nicht zuletzt hat das neue Konzept realistisch zu sein, gilt es, die Konkurrenzsituation einer genaueren Betrachtung zu unterziehen und die Kunden hinsichtlich Alter, Bildungsgrad und Kaufkraft unter die Lupe zu nehmen.
Auch Führen will gelernt sein
Um sich als Leitung zu behaupten, helfen weder ein Rückzug ins schützende Büro noch ein allabendliches Poltern in der Offizin. Vielmehr muss sich die Führungskraft intensiv einbringen, etwa durch Mitarbeitergespräche oder – soweit möglich – durch Entscheidungen im Team. Große, multinationale Konzerne arbeiten jetzt nach einem Konzept, das auch Apotheken gut zu Gesicht steht: Diversity & Inclusion. Personalentwickler bewerten dabei die Vielfältigkeit der Mitarbeiter als Potenzial, das es durch eine gute Führungskraft zu entfalten gilt. Auch respektieren Vorgesetzte individuelle Unterschiede und versuchen, diese im Betriebsablauf zu integrieren. Im Klartext kann das bedeuten, einer Apothekerin mit geschätztem Fachwissen eben doch Teilzeitarbeit zu ermöglichen, auch wenn dies vom Betriebsablauf erst einmal schwierig erscheint.
Schuld – gesühnt oder ungesühnt?
Verantwortungsbereiche, die Filialleitern übertragen werden, können zu teils üblen Konsequenzen führen. Der schlimmste Fall: Wandert ein falsches Medikament über den Ladentisch und wird ein Kunde geschädigt, so ist der Filialleiter dran – vor Schadensersatz- bzw. Schmerzensgeldansprüchen wird er sich nicht drücken können. Aber auch gegen den Eigentümer der Apotheke muss er gegebenenfalls gerade stehen. Das Bundesarbeitsgericht unterscheidet hier drei Fälle: Liegt nur eine leichte Fahrlässigkeit vor, haftet der Arbeitnehmer nicht. Bei mittlerer Fahrlässigkeit kann es zu abteiligen Forderungen kommen, und bei grober Fahrlässigkeit oder vorsätzlichen Handlungen wird der Mitarbeiter voll zur Kasse gebeten.
Über Geld spricht man schon
Für die Entlohnung von Filialleitern haben sich nach anfänglichen Anlaufschwierigkeiten zwei Modelle etabliert: Die sichere Variante fußt auf dem Gehaltstarifvertrag zwischen der Apothekengewerkschaft ADEXA und dem Arbeitgeberverband Deutscher Apotheken bzw. der Tarifgemeinschaft der Apothekenleiter Nordrhein. Auf das entsprechende Approbiertengehalt packen Apothekeninhaber zwischen zehn und 50 Prozent drauf. In der Praxis ist bis zum zweiten Jahr eine tarifliche Vergütung mit 20 bis 30 Prozent Zulage durchaus üblich. Als stärker motivierend erweist sich eine Alternative aus dem Groß- und Einzelhandel: Chefs können einen Teil des Salärs vom betriebswirtschaftlichen Erfolg abhängig machen, sowohl prozentual als auch in Form einer Prämie. Neulinge können böse ins offene Messer laufen, da entsprechende Größen anfangs schwer abzuschätzen sind. Oder der Apothekenleiter formuliert Kriterien, die zu einer Ausschüttung des Bonus führen, nicht hinreichend detailliert. Dann verfällt der vertraglich vereinbarte Anspruch – ein Fall für die Justiz.
Reißen alle Stricke, wagen viele Approbierte den Sprung in die eigene Selbständigkeit. Keine Sorge: Wettbewerbsverbote nach Ende eines Vertragsverhältnisses halten einer Überprüfung vor Gericht meist nicht stand.