Kardiologen dürfen staunen: Die Fettreserven des Menschen bilden eine wichtige Waffe im Kampf gegen den Herztod. Eine im Dezember 2010 im Fachblatt Journal of Clinical Investigation veröffentlichte Studie zeigt auf: Fett schützt in Stresssituationen vor Herzinfarkt.
Zweifelsohne ließe sich die Meldung auf den ersten Blick als Aprilscherz verkaufen. Doch das, was das Team um Barbara Ranscht und Pilar Ruiz-Lozano vom US-amerikanischen Sanford-Burnham Medical Research Institute jetzt publizierten, basiert auf handfesten biochemischen Erkenntnissen und gilt als erste Arbeit ihrer Art. Tatsächlich vermuten Forscher seit geraumer Zeit, dass ein im Körperfett enthaltenes Hormon, Adiponectin (APN), die Herzen gesunder Menschen schützen könnte. Das Phänomen blieb allerdings bislang eher ein Mysterium – weder kannte man die genauen Ursachen, noch die Mechanismen für den protektiven Effekt. Zudem fehlten experimentelle Untersuchungen, die eine entsprechende Schutzfunktion hätten belegen können.
Jetzt aber scheint klar: Das Fett des Homo sapiens sapiens bringt ein winziges Protein ins Spiel, mit dessen Hilfe die Spezies den Herztod in Stresssituationen umgeht. T-cadherin fungiert nämlich, so die nun publizierten Ergebnisse der Amerikanerinnen, gewissermaßen als molekularer Anker auf der Oberfläche des Herzmuskels. Auf diese Weise vermag der Eiweißstoff jenes Adiponectin zu binden, dass vom Fett des Menschen ins Blut freigesetzt wird. Die einen wird's zunächst freuen. Bei den 35-jährigen Männern ist bereits jeder zweite übergewichtig; bei den Frauen setzt diese Entwicklung mit 55 Jahren ein. Rund 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen zwischen fünf und 17 Jahren sind übergewichtig, sieben Prozent gar adipös. Mittlerweile bringt mehr als die Hälfte der Deutschen zu viele Pfunde auf die Waage, Tendenz steigend. Alles bestens, dank APN?
Wer auf Grund der US-Publikation als Kardiologe den eigenen Herzinfarkt befürchtet, darf aufatmen. Denn laut Ranscht ist Fett nicht gleich Fett - und am Dogma des normalen BMI muss auch in Zukunft niemand zu massiv rütteln. Ein bisschen jedoch schon, wie die Studie zu belegen scheint. So zeigte sich nämlich im Tierversuch, dass jene Mäuse, bei denen die Produktion von T-cadherin blockiert worden war, auch kein Adiponectin als Schutzschild für ihre Herzen nutzen konnten. Um die protektive Wirkung genau dieser Kombination zu beweisen, setzen die US-Forscherinnen die Tiere extremen Stresssituationen aus. Mäuse ohne Adiponectin auf der Herzmuskeloberfläche ereilte der jähe Tod. Warum das Zusammenspiel zwischen Fetthormon und Rezeptor-Protein überhaupt funktioniert, ist nach wie vor nicht ganz geklärt. Offenbar setzen die Moleküle eine biochemische Kaskade in Gang, an der laut Studie auch die AMP-aktivierte Protein Kinase (AMPK), ein Energieregulator der Zelle, beteiligt ist. Möglicherweise dient Adinopectin im Gesamtmechanismus als Bindeglied und molekularer Schalter zugleich, indem das Hormon die aktivierende Signalwirkung von T-cadherin an AMPK weiterleitet.
Fit for Fett?
Seinen Patienten zwecks Erhöhung der Körperfettmasse zum ultimativen Esskonsum zu raten, wäre dennoch unangebracht. Denn - Ironie des Schicksals - ausgerechnet Übergewichtige produzieren trotz unübersehbarer Fettreserven „weitaus weniger Adinopectin als Normalgewichtige“, wie Rantsch zu berichten weiß. Sportler wiederum produzieren gar mehr APN als Couchpotatoes. Eine Beobachtung, die bisherige Herzinfarkt-Präventionsmaßnahmen stützt.
Warum aber treten immer wieder Herzinfarkte bei Leistungssportlern auf? Dafür haben die Amerikanerinnen eine schlichte Erklärung: Meist seien die plötzlichen Herztode der Athleten durch eine Hypertrophe Kardiomyopathie und somit erblich bedingt. Biochemiker wissen: Insgesamt zehn Gene, die das sogenannte kardiale Sarkomer kodieren, gelten als Auslöser der nicht nur bei Leistungssportlern lebensbedrohlichen Erkrankung. Dagegen komme die Schutzwirkung des Fetts einfach nicht an, mutmaßt Rantsch.