Dank genomweiter Analysen wurden bereits zahlreiche Gene identifiziert, die bei Immunerkrankungen eine wichtige Rolle spielen. Forscher spürten nun eine weitere Genvariante auf, die bei Patienten mit Schuppenflechte häufiger vorkommt als bei gesunden Personen.
Die Schuppenflechte (Psoriasis) zählt zu den häufigsten Erkrankungen der Haut. Obwohl sie nicht immer einen schweren Verlauf nimmt und meist gut behandelbar ist, fühlen sich viele Betroffenen in ihrer persönlichen Lebensqualität beeinträchtigt – sie leiden unter mangelndem Selbstbewusstsein und häufig auch unter Depressionen. Aufgrund ihres charakteristischen Erscheinungsbilds lässt sich die Krankheit einfach diagnostizieren: Bei den Psoriasis-Patienten kommt es zu einer beschleunigten und vermehrten Erneuerung der obersten Hautschicht. Die gealterten Keratinozyten bilden silbrig glänzende Schuppen, die eine talgartige Konsistenz haben und leicht zu entfernen sind. Das darunter liegende Gewebe wird stark durchblutet und zeigt eine deutliche Rötung. In manchen Fällen kann die Krankheit auch die Gelenke befallen.
Äußere Reize spielen wichtige Rolle
Was die rasche Teilung der Hautzellen eigentlich verursacht, beginnen Wissenschaftler erst jetzt im Detail zu verstehen. „Es scheint eine Kombination aus Umwelteinflüssen und genetischer Veranlagung zu sein“, sagt Professor Michael Weichenthal von der Universitätshautklinik Kiel. Äußere Krankheitsauslöser können Stress, Hautverletzungen oder eine Streptokokken-Infektion sein. Vermutlich bringen diese Reize Immunzellen dazu, in die Haut einzuwandern und dort eine Kaskade in Gang zu setzen, die zur Überproduktion der Hautzellen führt. Über die Beteiligung der Gene wussten Forscher lange Zeit nicht viel. Erst in den vergangenen Jahren war die Fahndung nach Risikogenen erfolgreicher. Bei bestimmten Varianten der Gene für HLA-C, IL12-B und IL-23R konnte gezeigt werden, dass sie die Wahrscheinlichkeit erhöhen, an Psoriasis zu erkranken.
Jetzt wurde ein deutsches Forscherteam von der Universität Kiel wieder fündig. Weichenthal und seine beiden Mitstreiter vom Institut für Klinische Molekularbiologie, Professor André Franke und Eva Ellinghaus, untersuchten das Erbgut von 6487 Patienten mit Schuppenflechte und von 8037 gesunden Personen. Sie nahmen dabei rund 2,3 Millionen so genannter SNPs unter die Lupe. Diese winzigen Erbgutvariationen unterscheiden sich zwischen zwei Personen nur in einem einzigen Basenpaar. Neben mehreren SNPs, die die Forscher bereits bekannten Risikogenen der Psoriasis zuordnen konnten, fanden sie auch einen SNP, der bisher nicht in Zusammenhang mit der Hautkrankheit gebracht worden war.
Genvariante beeinflusst Signalweg
Er liegt mitten in einem Gen, das die Bauanleitung für das Protein TRAF3IP2 trägt. Das Protein ist Teil eines Signalwegs, der durch den Botenstoff Interleukin-17 (IL-17) vermittelt wird und die Produktion von entzündungsfördernden Molekülen und Zellen ankurbelt. Die nun von den Kieler Wissenschaftlern gefundene Genvariante sorgt dafür, dass in TRAF3IP2 die Aminosäure Asparagin anstatt Asparaginsäure eingebaut wird. „Dadurch wird die Interaktion von TRAF3IP2 mit einem weiteren Protein des IL-17-Signalwegs stark herabgesetzt, was sich auf die Immunantwort auswirkt“, vermutet Ellinghaus.
Allerdings unterscheidet sich die Häufigkeit des neuen Risikogens zwischen kranken und gesunden Testpersonen nicht so sehr: Rund elf Prozent aller in der Studie untersuchten Psoriasis-Patienten sind Träger der mutierten Form von TRAF3IP2 im Vergleich zur Kontrollgruppe, in der rund sieben Prozent das veränderte Gen aufweisen. „Dies zeigt uns, dass die Träger dieser Variante ein statistisch erhöhtes Risiko haben, an Psoriasis zu erkranken “, so Ellinghaus, „was jedoch nicht bedeutet, dass sie erkranken müssen.“
Für die Molekularbiologin bestätigt die Entdeckung des krankheits-assoziierten SNPs vor allem, dass der durch IL-17 vermittelte Signalweg eine wichtige Rolle bei der Erkrankung spielt. Ellinghaus: „Das gibt uns Wissenschaftlern die Möglichkeit, gezielter nach Wirkstoffen zu suchen, mit deren Hilfe wir in den Signalweg eingreifen und so die Entzündung lindern können.“ Die neu gewonnenen Erkenntnisse hälfen, so Weichenthal, diese belastende Erkrankung besser zu verstehen und seien wesentliche Voraussetzung für eine maßgeschneiderte Therapie. Davon würden besonders Patienten profitieren, bei denen Psoriasis großflächig auftritt oder auf die Gelenke übergreift.
Eingriff mit zielgenauen Biologika
„Bisher behandeln wir die Betroffenen mit Medikamenten, die die Überaktivität des Immunsystems drosseln“, sagt Weichenthal. Das können beispielsweise Methotrexat oder Ciclosporin sein, die das lymphozytäre System unterdrücken. Neuerdings greifen die Mediziner aber auch zu modernen Biologika: Mit Antikörpern gegen die Botenstoffe TNF oder IL-23 unterbrechen sie gezielt einzelne Entzündungspfade. Auch wenn die neuen zielgenaueren Wirkstoffe meist besser von den Patienten vertragen werden, sind sie nicht frei von Nebenwirkungen.
Deswegen könnten Medikamente, die den IL17-Signalweg beeinflussen, die derzeitigen Behandlungsoptionen der Mediziner erweitern. Il-17-Hemmstoffe befinden sich momentan in der klinischen Prüfung. Bis Substanzen zur Verfügung stehen, die wiederum spezifisch die Funktion von TRAF3IP2 ausschalten, vergehen nach Ansicht von Weichenthal aber noch einige Jahre. Trotz aller in den vergangenen Jahren erzielten Fortschritte, findet der Mediziner, bleibe noch viel zu tun, um herauszufinden, wie die verschiedenen genetischen Ursachen miteinander verknüpft seien und welche Rolle dabei Umweltfaktoren spielten.