Wer sich für eine Famulatur nach Afrika begibt, hat einiges zu erzählen: zum Beispiel was man tut, wenn man mitten in der Nacht in einem Krankenhaus ankommt, wo einen keiner erwartet. Oder, wie ein namibianischer OP-Waschraum aussieht.
Famulatur in Afrika - diesen Plan hatte ich zusammen mit zwei Kommilitoninnen bereits fast ein Jahr vor Antritt der eigentlichen Famulatur ausgeheckt. Alle drei waren wir uns sicher, dass wir gerne auch mal eine andere Art von Medizin kennenlernen wollten. Wir setzten uns also zusammen und diskutierten über mögliche Famulaturorte. Der erste Vorschlag – Ruanda – wurde verworfen, weil Bedenken bezüglich der Sicherheitslage im Land geäußert wurden. Der Gegenvorschlag Kapstadt fand ebenfalls wenig Anklang, sodass wir uns letztendlich für Namibia als Kompromiss entschieden.
Daraufhin begann die Suche nach einer geeigneten Klinik, denn wir wollten nicht in die Hauptstadt des Landes, um dann am Ende eine "ganz normale Famulatur" in einer großen Privatklinik abzuleisten. Es sollte vielmehr ein kleines Haus mit Grundversorgung sein, um Medizin mal von ihrer Basis kennenzulernen, ohne sämtliche technischen Spielereien, die man gewohnt war.
Eine Liste der namibianischen Botschaft in Deutschland eröffnete uns erste Anlaufstellen. Wir formulierten eine ansprechende Bewerbung samt aussagekräftigem Bild von uns dreien und versuchten im Kurzen unsere Intention für diese Auslandsfamulatur darzulegen. Diese Bewerbung schickten wir per Fax an etwa 20 ausgewählte Krankenhäuser in Namibia. Die Suche
Recht bald bekamen wir Antwort aus einem Krankenhaus in Rundu im Nordosten des Landes. Der zuständige Arzt war sehr erfreut, dass wir uns für eine Famulatur in seinem Land und in seiner Klinik interessierten, hätte uns auch gerne angenommen, musste jedoch eingestehen, dass er sich nicht sicher war, wie und wo er uns unterbringen könne. Eine feste Unterkunft für Auswärtige war im Krankenhaus wohl nicht vorgesehen. (Ok... SO klein und abgelegen sollte unser Krankenhaus dann vielleicht doch nicht sein) Er versprach aber, unsere Anfrage an einen befreundeten Arzt des gleichen Dachverbandes (Catholic Health Organisation) weiterzuleiten. Es dauerte nicht lange bis sich Dr. Awe aus Oshikuku im Nordwesten des Landes bei uns per Mail meldete. Relativ problemlos versprach er, uns für eine einmonatige Famulatur aufzunehmen; für Unterkunft war auch gesorgt. Wir alle waren überglücklich, denn eigentlich hatten wir uns unser Vorhaben schwieriger vorgestellt.
Bedauerlicherweise bekamen wir keinerlei Reaktion auf unsere zahlreichen anderen Faxe die wir zu Beginn verschickt hatten. Lediglich ein weiteres Krankenhaus meldete sich per Fax und teilte uns mit, dass es wohl für die medizinische Ausbildung weitaus besser geeignete Krankenhäuser gäbe.
Das Semester lief an und es folgte ein relativ großes Intervall, in dem wir mit unserem Vorhaben der Famulatur nicht viel zu tun hatten, außer entsprechende Flüge zu buchen. Wir ließen uns im Studentenreisebüro beraten und es stellte sich heraus, dass die bei Weitem günstigste Variante ein Flug mit Zwischenstopps in Dubai und Johannesburg war. Für den Rückflug kalkulierten wir ein, dass wir nach Beendigung der Famulatur noch das Land bereisen wollten. Wir entschieden uns bis nach Kapstadt runterzufahren und von dort zurück nach Deutschland zu fliegen.
Anfang 2008 ließen wir uns bei der im Klinikum ansässigen Betriebsärztin beraten und holten uns die erforderlichen Impfungen sowie eine Malaria-Prophylaxe, da wir uns im Malariagebiet aufhalten würden und das auch noch während der Regenzeit. Ankunft mit Hindernissen
Zwei Tage nach Semesterschluss flogen wir dann nach Dubai, wo wir vier Tage verbrachten und von einem Freund von mir viel herumgeführt wurden und die arabische Kultur etwas kennenlernten. Danach ging es wie bereits geschrieben über Johannesburg weiter nach Windhoek, der Hauptstadt Namibias. Von dort nahmen wir einen Überlandbus in den Norden von Namibia, um mitten in der Nacht vor unserem Krankenhaus anzukommen. Szenen wie in einem schlechten Film: es regnete, das Eingangstor war verschlossen, links und rechts der Straße lag der Friedhof und niemand war da, um uns in Empfang zu nehmen...
Nach einigem Suchen fand unser Taxifahrer eine deutsche (!!!) Ärztin, die uns erst einmal zu sich mit Heim nahm. Im Gespräch stellte sich heraus, dass sie seit gut 30 Jahren in Afrika und davon bereits 15 Jahre in genau diesem Krankenhaus arbeitete. Sie war sogar die stellvertretende Klinikleiterin, wusste jedoch nicht über unsere Ankunft Bescheid, denn Dr. Awe – mit dem wir zu Anfang Kontakt hatten – sowie drei weitere Ärzte waren auf einem Workshop in der Hauptstadt des Landes und würden erst Ende der Woche wieder im Hause sein. Sie bot uns also an, erst einmal bei ihr zu übernachten und versprach, sich am nächsten Morgen um eine Unterkunft für uns zu kümmern. Ich muss erwähnen, dass sie nicht allein wohnte, sondern das Haus mit geschätzt 20 afrikanischen Kindern von 4 Monaten bis 28 Jahren – ihrer afrikanischen Familie sozusagen – bewohnte. So kam es, dass am darauffolgenden Morgen einige Kinder um uns herum standen und uns erst einmal genauer betrachteten. Krankenhaus und Lehre
Vom ersten Tag an wurden wir 100%ig in die Arbeit im Krankenhaus mit einbezogen und allen vorgestellt. Bei Operationen führten wir erste Assistenz, wir gingen die morgendliche Visite auf den verschiedenen Stationen (Male, Female, Maternity, Paediatrics, TB, HAART[einer spezialisierten Station für AIDS-Kranke]) mit, halfen danach in der Ambulanz und bei kleineren ambulanten OPs und wurden überall sehr freundlich empfangen.
Insgesamt leiten sechs Ärzte das Krankenhaus, die Verwaltung ist ausgelagert. Keiner der Ärzte kommt aus Namibia, vielmehr aus den umliegenden Ländern wie zum Beispiel Zimbabwe, Kongo und Südafrika. Überrascht hat mich die gute fachliche Ausbildung der dortigen Kollegen: Fachärzte wie in Deutschland gibt es nicht, sondern alle sind so etwas wie Allgemeinmediziner und eignen sich spezielle Fähigkeiten durch „learning-by-doing“ an; so konnte z.B. jeder Arzt dort einen Kaiserschnitt durchführen, bei Geburten assistieren, kleinere OPs durchführen und war somit vielseitig einsetzbar. Das Patientenkollektiv ist natürlich ein ganz anderes als in Deutschland. Die Patienten kommen mit ganz anderen, jedoch typischen Krankheiten: Malaria, Tuberkulose, AIDS, Abszessen, usw. Ein anderes Behandlungsspektrum als in Deutschland war also angesagt und das auch noch mit geringeren Mitteln, wobei man fairerweise sagen muss, dass es wesentlich schlimmer hätte kommen können. Wir hatten alle drei vorsichtshalber Handschuhe, Mundschutz und Sterilium in Hülle und Fülle mitgenommen und waren fast schon etwas überrascht (natürlich positiv), dass all das dort genügend vorhanden war. Etwas ungewöhnlich war allerdings der OP-Waschraum: direkt neben dem Sterilwaschbecken befand sich ein Pissoir, dahinter trockneten die Gummistiefel der Belegschaft. Über die Lehre darf ich mich im Übrigen auch nicht beschweren, denn sämtliche Ärzte waren sehr fortschrittlich in ihren Behandlungsarten und stets bemüht, ihr Wissen weiterzugeben, auch über die normale Dienstzeit hinaus.
Ebenfalls erwähnen möchte ich, wie toll das Land an sich ist. Schier endlose Straßen, links und rechts nichts außer Gras und Bäumen, wilde Tiere, alles praktischerweise aufgrund der Regenzeit ergrünt, nette freundliche Menschen, hier und dort mal etwas mehr oder weniger deutsche Sprache... Diese ganzen Eindrücke habe ich mitgenommen von Afrika und schätze, dass das Land mich so schnell auch nicht wieder loslassen wird. Mal sehen, wann es mich wieder dorthin verschlägt.