Der Tumor ist entfernt, die Chemo überstanden. Was bleibt, sind Narben. Ein Trend aus den USA etabliert sich nun auch in Deutschland: Immer häufiger entscheiden sich Frauen für eine künstlerische oder natürliche rekonstruktive Tätowierung.
Bei Silke, Jahrgang 1962, diagnostizierten Ärzte vor mehr als vier Jahren Brustkrebs: „Nach der OP sah ein Teil meines Körpers nun anders aus als gewohnt.“ Die biologischen Narben verheilten gut, die ihrer Seele nicht so schnell. Ihr fehlte ein Schlussstrich unter dem Thema Krebs. „Mein Mann brachte mich auf die Idee, mich an der veränderten Brust tätowieren zu lassen“, erinnert sich die Patientin. Sie ist eine von vielen Betroffenen, die sich nach einer Mastektomie für ein Brust-Tattoo entscheiden, um sich in ihrer Haut wieder wohl zu fühlen. Heute macht Silke in ihrem Blog Frauen Mut, denen es ähnlich geht.
Image Courtesy of The Jama Network® / © 2017 American Medical Association David Allen, Inhaber eines Studios in Chicago, Illinois, gilt als einer der Pioniere im Bereich der rekonstruktiven Körperkunst. Er arbeitet seit mehr als zehn Jahren mit Frauen, die eine Mastektomie hinter sich haben und will „Gefühle der Entstellung und des Kontrollverlusts in Gefühle von Schönheit und Kraft verwandeln“. Seine Erfahrungen veröffentlichte Allen in JAMA, dem Journal der American Medical Association. Längst hat der Trend Deutschland erreicht, und Patientinnen wollen immer häufiger wissen: Wie finde ich einen guten Tätowierer?
Tätowierer kann sich heute jeder nennen, Geräte gibt es im Internet zu kaufen. Nicht jedes Studio ist gut und arbeitet hygienisch. Und nicht jede Farbe entspricht deutschen Standards. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat einige allgemeingültige Tipps zusammengestellt. Damit ist es aber nicht getan. Allen führt bereits am Telefon lange Vorgespräche mit seinen Kundinnen. Er will ausloten, ob sie felsenfest hinter ihrer Entscheidung stehen. Dann zeigt er ihnen Fotos früherer Arbeiten und entwickelt einen Entwurf. Entwicklung eines floralen Tattoos vom Erscheinungsbild nach der Mastektomie inklusive Rekonstruktion über den Entwurf bis zum Ergebis (von links oben im Uhrzeigersinn). Image Courtesy of The Jama Network® / © 2017 American Medical Association Unsicheren Patientinnen können Ärzte auch Links empfehlen wie zum Beispiel die englischsprachige App von P.ink, einer Non-Profit-Organisation. Nach dem Downloaden der App reicht es aus, Fotos einzubinden, um den Effekt von Tattoos vorab beurteilen zu können. Suchen ehemalige Patientinnen in Deutschland einen Tätowierer, ist es sinnvoll, sich an Allens Maximen zu orientieren. Haben Künstler viel Erfahrung und treten mit potenziellen Kundinnen in den Dialog, entsteht am Ende des Tages etwas Besonderes. Silke veröffentlicht regelmäßig Adressen in ihrem Blog und weist auf den Brustkrebstattoo-Tag am 14. und 15. Oktober 2017 hin. Dort werden rund 50 Tätowierer jeweils einer Frau kostenloses ein narbenüberdeckendes Brustkrebstattoo stechen. Ansonsten schlagen die Kunstwerke je nach Zeit, Aufwand und Fläche schnell mit mehreren tausend Euro zu Buche. Krankenkassen übernehmen jedoch in den meisten Fällen alle Kosten einer sogenannten Brustwarzenpigmentierung. Ergebnis nach linksseitiger hautschonender Mastektomie, Rekonstruktion und Tattoo des Brustwarzenbereichs. © BMC Cancer In diesem Bereich hat sich hierzulande neben anderen Künstlern der Star-Tätowierer Andy Engel einen Namen gemacht. Er will Frauen mit möglichst detailgetreuen Rekonstruktionen, ein Stück ihrer gewohnten Lebensqualität zurückgeben.