Das üppige Mahl an den Festtagen fordert seinen Tribut: Ein brennendes Gefühl hinter dem Brustbein deutet auf die gastroösopageale Refluxkrankheit hin. Doch niemand muss das Leiden hinnehmen – mittlerweile gibt es einige therapeutische Optionen.
Einbahnstraße für Verdauungssäfte: Der Schließmuskel mit Ventilfunktion zwischen Magen und Speiseröhre verhindert normalerweise, dass die körpereigene Salzsäure eigene Wege nach oben geht. Fließt der Mageninhalt durch eine Schwächung dieser Barriere in die Speiseröhre zurück, wird deren empfindliche Schleimhaut in Mitleidenschaft gezogen. Die Patienten quälen sich mit einem brennenden Schmerz, der bis in den Nacken oder ins Gesicht ausstrahlen kann.
GERD: keinesfalls harmlos
Aus einer Refluxösophagitis kann sich eine Entzündung der Speiseröhre und in schweren Fällen eine Barrett-Schleimhaut entwickeln. Dieser Umbau der Zellstruktur ist mit einer erhöhten Krebswahrscheinlichkeit verbunden. „Wie großflächig und gefährlich diese Schäden sind, können wir nicht zuverlässig anhand der Schwere und Häufigkeit der Symptome einschätzen“, gibt der Gastroenterologe Prof. Dr. Joachim Labenz, Chefarzt am Ev. Jung-Stilling-Krankenhaus in Siegen, zu bedenken. Deshalb gelte die Magenspiegelung als Methode der Wahl für Diagnostik und Erfolgskontrolle der Therapie. Weitaus angenehmer gestaltet sich die jetzt bis zur Marktreife entwickelte Kapselendoskopie. Dabei schluckt der Patient lediglich eine größere Tablette, in der sich geballte Technik befindet. Fachärzte können eine Minikamera dann magnetisch von außen steuern und so hoch aufgelöste Bilder aus dem Mageninneren am Computer empfangen.
Patienten mit Barrett-Ösophagus profitieren einer Studie zufolge von der Entfernung der gefährlichen Schleimhaut durch hochfrequente Ströme. „Bei fast 90 Prozent der Patienten gelang es, die intestinale Metaplasie endoskopisch zu beseitigen“, betont Labenz. Und bereits innerhalb der kurzen Beobachtungsperiode von zwölf Monaten zeigten sich gravierende Unterschiede: Lediglich 1,2 Prozent der Patienten, deren Schleimhaut tatsächlich abgetragen wurde, hatte ein Karzinom entwickelt. Innerhalb der Scheingruppe, die mit einem nicht angeschalteten Gerät „behandelt“ worden war, fanden Kollegen immerhin bei 9,3 Prozent der Patienten ein Karzinom.
Lebensgewohnheiten überdenken
Doch so weit muss es erst gar nicht kommen – Prophylaxe und Therapie können Folgeerkrankungen unterbinden. Reflux-Geplagte sollten vor allem ihren Speiseplan und ihre Lebensgewohnheiten überdenken. Stark Gewürztes, Alkohol und Nikotin sind tabu. Kohlensäurehaltige Getränke galten allerdings ganz zu Unrecht als Reflux-Übel. Zu dieser Erkenntnis kamen kürzlich US-Forscher bei der Auswertung der wissenschaftlichen Literatur. Ein Zusammenhang zwischen GERD-Symptomen (gastroesophageal reflux disease) und dem Genuss sprudelnder Getränke ließ sich nicht nachweisen.
Vor allem das Körpergewicht muss auf den Prüfstand, da jedes Kilogramm mehr den Druck vom Bauchraum nach oben erhöht. Mit dem Slogan „weniger Gewicht, weniger Symptome“ lassen sich die Ergebnisse einer aktuellen US-amerikanischen Untersuchung zusammenfassen. Deren Teilnehmer wogen im Schnitt 101 kg und speckten rund 13 kg ab. Parallel zur Gewichtsreduktion verringerten sich auch die Symptome. Nach Ende der Beobachtungszeit waren immerhin zwei Drittel beschwerdefrei.
Pharmakotherapie: Brand gelöscht
Für die systematische Therapie stehen heute zahlreiche Arzneimittel zur Verfügung: Während Antacida lediglich die Säure neutralisieren bzw. chemisch binden, stoppen H2-Rezeptorantagonisten sowie Protonenpumpeninhibitoren (PPI) deren Bildung im Magen über verschiedene Mechanismen. Von H2-Rezeptorantagonisten rät die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen jedoch ab, da sie bei etwa der Hälfte der Patienten nicht zur Beschwerdefreiheit führen und deshalb mit PPI nachtherapiert werden muss. Auch werden Antazida und Magen schützende Stoffe wie Alginate nicht für die Monotherapie empfohlen. Dementsprechend sehen die Leitlinien vor, mit PPI zu beginnen. Nach einigen Wochen wird empfohlen, bei nachlassenden Beschwerden die Dosis des Arzneimittels zu verringern.
PPI verringern die Säureresektion und damit die Azidität des Magens - das ist schließlich der Sinn der Sache. Damit ist allerdings eine schlechtere Resorption von Calcium, Vitamin D3, Vitamin C, Vitamin B12 und Folsäure verbunden. Eine kanadische Studie ging den Langzeiteffekten der PPI-Therapie auf die Knochendichte nach. Sie fanden sowohl ein erhöhtes Risiko für Osteoporosefrakturen als auch für Hüftfrakturen. Gerade bei älteren Patienten sollte eine gezielte Ergänzung knochenwirksamer Mikronährstoffe in Betracht gezogen werden, so das Fazit.
Reißen alle pharmazeutischen Stricke, helfen immer noch chirurgische Maßnahmen. Dabei vernähen Gastroenterologen Teile des Mageneingangs. Der Trick: Saure Säfte können ihren Weg nicht mehr in Richtung Speiseröhre nehmen. Besonders schonend ist die an der Universität Leipzig entwickelte endoskopische Methode, bei der ein spezielles Gerät, der Plicator, eingesetzt wird. Und der Eingriff selbst wird ambulant in Kurznarkose bzw. Sedierung durchgeführt – die Patienten können noch am gleichen Tag nach Hause gehen.
Arzneimittelinteraktion: Erst einmal Entwarnung
Für große Aufregung sorgte Ende 2008 eine Kohortenstudie aus den USA. Die Daten legten ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko bei GERD-Patienten nahe, die gleichzeitig mit dem Gerinnungshemmer Clopidogrel behandelt wurden. Als Erklärung weisen Pharmazeuten darauf hin, dass beide Arzneistoffe über das gleiche Enzym, ein Cytochrom, verstoffwechselt werden. Dessen Menge im Körper hängt stark von genetischen Mustern ab – es gibt dementsprechend Menschen, die beide Arzneistoffe schnell oder langsam umsetzen. Mittlerweile geben Untersuchungen aus den Jahren 2010 und 2009 Hinweise, dass diese Interaktion klinisch keine allzu große Relevanz hat.
Asthma und GERD: Zusammenhang fraglich
Ernüchterung gab es bei der Asthmatherapie: Über fast zwei Jahrzehnte galt es als sicher, dass Asthma eine GERD auslöst oder verschlimmert. Was lag also näher, also diese Patienten flächendeckend mit PPI zu versorgen. Studien kamen zu keinem einheitlichen Ergebnis. Finnische Wissenschaftler fanden einen geringfügigen Nutzen der PPI-Therapie. Eine Cochrane Review, also eine Übersichtsarbeit, die Forschungsergebnisse und Studien auswertet, konnte jedoch keinen Nutzen nachweisen. Grund genug für US-Forscher, sich des Themas anzunehmen. Sie initiierten eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit 412 Asthmapatienten. Die Hälfte der Teilnehmer erhielt eine PPI-Behandlung, die andere ein Placebo. Parallel wurden Asthmatagebücher geführt sowie der pH-Wert des Magensafts gemessen. Das ernüchternde Ergebnis: Innerhalb des Beobachtungszeitraums von sechs Monaten gab es keinen signifikanten Unterschied hinsichtlich der Asthmasymptome bzw. der Refluxhäufigkeit. Die Autoren raten deshalb von allzu offensivem Einsatz der PPI bei Asthma ab – bei entsprechenden Symptomen macht aber deren Einsatz wie bei allen GERD-Patienten durchaus Sinn.
Forschung: Wohin die Reise geht
Um bei GERD den geschädigten Schließmuskel zu regenerieren, setzen Wissenschaftler auch auf die Stammzelltherapie. Tübinger Ärzte entwickelten ein Konzept, um hierbei Stammzellen aus dem Muskelgewebe einzusetzen. „Grob gesagt geht es darum, den Sphinkter, also den Schließmuskel der Speiseröhre, zu regenerieren, indem Stamm- oder Vorläuferzellen eingespritzt werden“, so Prof. Dr. Alfred Königsrainer, der Ärztliche Direktor der Klinik für Allgemeine, Viszeral- und Transplantationschirurgie in Tübingen. Bis zur Etablierung der Methode in der Standardtherapie kann es allerdings noch dauern.