Ohne Partner geht es auch für die Großen in der Pharmabranche nicht mehr. Die Zusammenarbeit von Biotech-Firmen und Arzneimittelherstellern bringt beiden Seiten Vorteile, bei der Suche helfen spezielle Partnering-Messen. Eine der größten fand jetzt in München statt.
In der Eingangshalle des Münchner Messezentrums standen schon am Vormittag Dutzende festlich weiß gedeckter Tische. Personal eines großen Catering-Unternehmens wartete darauf, Männer in dunklen Anzügen und Frauen in Business-Kleidung zu bewirten. Ganz klar, hier handelte es sich nur am Rand um die Präsentation neuer klinischer Studien und phänomenaler Heilerfolge.
Neue Medikamente: Biotech statt Pharma
Wer rund 2000 Euro für ein dreitägiges Meeting plus Reisekosten aus Übersee ausgab und doch nur 15 Minuten Präsentationszeit hatte, der wollte etwas anderes. „Heiratsmarkt für Hightech-Firmen“ überschrieb das Branchenblatt „P&A Biotech“ die Veranstaltung „Bio-Europe 2010“, ein Speed-Dating Event für Pharma- und Biotechnologie-Unternehmen rund um den Globus.
Biotech ist im Aufwind - trotz Wirtschaftskrise. Im letzten Jahr gaben nur fünf der über 500 deutschen Biotechnologie-Unternehmen auf. Sie erwirtschaften rund 2,2 Milliarden Euro und beschäftigen etwa 15.000 Mitarbeiter. Trotz der guten Ergebnisse in Europa ist die wahre Heimat von Biotech die USA. Von den 252 neu zugelassenen Medikamenten der Jahre 1998 bis 2007 stammen dort mehr als die Hälfte aus den Laboren der Biotechnologie-Firmen, nur der kleinere Teil aus Big Pharma. Damit erklärt sich auch schon ein großer Teil des großen Erfolgs von „Partnering“ Messen.
1000 Boxen fürs Kennenlernen
Denn nachdem die große Zeit der kleinen, aber erfolgreichen Wirkstoffe für Volkskrankheiten vergangen und deren Patentschutz ausgelaufen ist, geht der Trend zu immer komplexeren Molekülen. Viele große Firmen leisten sich keine Forschung mehr für Krankheiten, die nicht weit verbreitet sind und überlassen die ersten Versuche im Labor und an Versuchstieren lieber kleinen Spezialisten. Die jedoch kommen auch nicht mehr so leicht an das Geld von Banken und Investment-Firmen und finanzieren sich heute eher über „Meilenstein-Zahlungen“ und Lizenzvereinbarungen von großen Partnern. Der Deal zwischen beiden Branchen hat somit für beide Seiten Vorteile.
Nach Schätzung der Rating-Firma Venture Valuations Zürich schlossen Biotech-Firmen im Jahr 2009 Kooperationsverträge im Wert von rund 38 Milliarden Dollar ab. Mehr als die Hälfte der entsprechenden Unternehmen hatten zuvor an Partnering Events teilgenommen. In München trafen sich nun Vertreter von rund 1700 Firmen, um Kontakte zu knüpfen. Ein Internet-Kontakt-Tool für die Terminplanung und rund 1000 Boxen für intime Zweier-Gespräche im wirklichen Leben standen dafür bereit.
Therapie der Zukunft: RNA-Modifikation
Eines der großen Themen der Firmenpräsentationen am 16. November war etwa der Einsatz von RNA in der Klinik. Dabei präsentierten sich vor allem Firmen aus den USA ihren Partnern, aber auch etwa zwei Biotech-Schmieden aus den Niederlanden. AMT (Amsterdam Molecular Therapeutics) präsentierte ein Vektorsystem, für gentherapeutische Anwendungen, das besonders bei monogenen Krankheiten wie etwa Muskeldystrophie vom Typ Duchenne oder Hämophilie B Anwendung finden soll.
Bereits in der letzten Phase klinischer Studien vor der Zulassung befindet sich ein Produkt der US-Firma PTC, Ataluren. Bei der Transkription bringt das kleine Molekül das Ribosom dazu, vorzeitige Stop-Codons bei Erbkrankheiten wie etwa Mucoviszidose zu überspringen und das korrekte Protein herzustellen. RXi Pharmaceuticals aus dem Norden der USA schließlich setzt auf die Technik der RNA-Interferenz, für die ihr Berater Craig Mello 2006 den Nobelpreis bekam. Die besten Chancen sieht die Firma für die Behandlung von Fibrosen und Erkrankungen der Netzhaut. Der Optimismus für die RNAi-Technologie hat allerdings in diesen Tagen einen gehörigen Dämpfer erlitten, als Roche ankündigte, sämtliche Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten dazu einzustellen.
Deutschland holt auf
Es sind aber nicht nur amerikanische Firmen, die für große Innovationen in der Biotechnologie sorgen. Auf RNA-Technologie setzt auch die Regensburger Antisense-Pharma. Ihr Wirkstoff bindet an die mRNA und blockiert damit die Proteinsynthese. Das hilft, so zeigen Studien (zur Zeit in Phase III), erfolgreich bei anaplastischen Astrozytomen.
Im letzten Jahr schaffte es der weltweit erste trifunktionelle Antikörper (gegen malignen Aszites) von Trion-Pharma aus München, die hohen Hürden für die Zulassung zu überspringen. Fresenius Biotech ist der Partner für den Vertrieb. Epigenomics aus Berlin erkennt mit Veränderungen der DNA-Methylierung die Entstehung von Darmkrebs. Der entsprechende Test ist seit Herbst letzten Jahres auf dem Markt. Ein erfolgreiches Diagnostikum will auch die Münchner Firma Wilex verkaufen. Der entsprechende Antikörper erkennt zuverlässig ein beginnendes Nierenzellkarzinom und steht wie sein verwandter therapeutischer Antikörper in Phase III Studien.
Ohne entsprechende Partner hätte kaum eine Biotechnologie-Firma die Finanzkraft, das eigene Produkt nicht nur bis zur Zulassung zu bringen, sondern dann auch zu vermarkten. Partnersuche ist aber wie bei zwischenmenschlichen Beziehungen manchmal schwierig und endet trotz sehr viel Einsatz von beiden Seiten nicht immer in dauerhaftem Glück. Partnering-Messen wie etwa Bio-Europe - von den Autoren der Biotech-Zeitschrift Transkript „Europas größter Wanderzirkus“ getauft, erhöhen die Chancen. Als professionelle Heiratsvermittler möchten sie ihre Kunden aus pharmazeutischer Industrie und Biotechnologie zufrieden stellen - bei deren Hoffnung auf Glück, Erfolg und Reichtum.