Die Methode ist Radiologen nicht unbekannt, aber teuer: IMRT. Jetzt belegt eine britische Studie, dass sich der Einsatz der potenten Strahlentherapie bei Patienten mit Prostatakrebs durchaus lohnt - obwohl auch andere Pendants auf den ersten Blick genauso greifen.
Die jetzt im Fachblatt Health Technology Assessment veröffentlichte Untersuchung erfolgte im Auftrag des britischen National Institute for Health Research und umfasst im Original 120 Seiten. IMRT (intensity-modulated radiotherapy) ist in den USA seit Jahren im Einsatz, doch gerade Europäer haderten mit einer bislang ungeklärten Frage: Lohnt der höhere Kostenaufwand wirklich?
Um das herauszufinden bedienten sich die Forscher um Silvia Hummel von der School of Health and Related Research (ScHARR) an der Universität Sheffield 5768 Patientendaten aus insgesamt 13 Studien, keine einzige davon war jedoch randomisiert. Trotzdem lesen sich die verwendeten Datenbanken wie das Who is Who der klinischen Forschung: MEDLINE, EMBASE, CINAHL, BIOSIS, Cochrane Database of Systematic Reviews, Cochrane Controlled Trials Register, Science Citation Index und die NHS Centre for Reviews and Dissemination databases lieferten den Rohstoff für den noch nie dagewesenen, direkten Vergleich zwischen IMRT und der gängigen 3D-konformierende Radiotherapie (3DCRT).
Auch bei höheren Dosen: Weniger Nebenwirkungen, mehr Lebensqualität
Dass dieser Vergleich ohne Randomisierung auskommen musste, ist für den Radioonkologen Anthony D’Amico, Leiter der radiologischen Abteilung für Frauenheilkunde am Brigham and Women’s Hospital in Boston, kein Mangel: IMRT sei, trotz aller Zusatzkosten, die Methode der Wahl und klarer Sieger. Tatsächlich weisen die Daten einen messbaren Unterschied im Vergleich zu anderen Verfahren auf. IMRT reduziert Folgen wie die gastrointestinale Toxizität erheblich, ein Gewinn an Lebensqualität scheint damit garantiert. Vor allem bei hohen Strahlendosen von über 81 Gy sei im Vergleich zur CRT eine höhere „biochemische Überlebenszeit“ gegeben, resümiert Hummel. Doch ebenso deutlich verrät die aktuelle Publikation, dass IMRT keine absolute Verlängerung der Lebenszeit nach sich zieht, auch fehlten in den herangezogenen Studien Patienten mit metastasiertem Prostatakrebs. Ein Wundermittel ist die Strahlentherapie demnach nicht – aber ein Weg, um die Lebensqualität der Patienten deutlich zu steigern.
Beachtenswert ist die umfangreiche Untersuchung auch aus ökonomischer Sicht. Bislang gingen Schätzungen von erheblichen Kostenunterschieden zwischen IMRT und dem CRT-Pendant aus, mehr als 18.700 Euro galten in Großbritannien als reale Differenz. Hummel hingegen kommt unter Berücksichtigung aller Aspekte, also auch der geringeren Nebenwirkungen durch IMRT, auf einen Betrag von lediglich 1294 Euro. Damit wäre das Verfahren zwar nach wie vor teurer als die gängigen Radiotherapiestandards – doch nicht mehr unbezahlbar.
Erster klinischer Einsatz weltweit in Deutschland - seitdem Stiefkind der Medizin
In Deutschland gilt IMRT trotz solcher Fakten nach wie vor als Stiefkind der Medizin. Die meisten Kliniken scheuen den hohen Zeitaufwand ebenso wie die vermeintlich exorbitanten Kosten. Dabei gilt Deutschland als Mutter des Verfahrens im klinischen Einsatz, wie ein Blick in die Archive des Deutschen Zukunftspreises attestiert: „Der weltweit erste klinische Einsatz der IMRT erfolgte 1996 mit Hilfe der am DKFZ entwickelten Verfahren und Programme am Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York. In einer klinischen Studie mit über 700 Patienten konnte inzwischen gezeigt werden, dass das Risiko für schwerwiegende Darmblutungen innerhalb der ersten zwei Jahre nach Bestrahlung von 10 Prozent auf 2 Prozent gesenkt werden kann“. Anders als die aktuelle Studie der Briten kamen die Deutschen sogar zu einem weiteren positiven Aspekt: „Das krankheitsfreie Überleben nach fünf Jahren erhöhte sich von 47 Prozent auf 70 Prozent“, hieß es dazu bereits 2001.
Doch es gibt, auch hierzulande, Grund zur Hoffnung auf Fortschritte. So führte das Südharz-Krankenhaus in Nordhausen im Dezember 2008 als erste Deutsche Klinik die neue „RapidArc“-Bestrahlung ein, die als Weiterentwicklung der IMRT gilt. Der Clou: Die Klinik nutzte dabei die seit Jahren gesammelten Erfahrungen mit IMRT.