Eine sichere Früherkennung des Bronchialkarzinoms ist dringend nötig. Doch bislang gibt es keine wirklich gute Methode. Jetzt haben US-Forscher bemerkenswerte Erfolge mit der Spiral-CT gemeldet. Aber noch gibt es mehr Fragen als Antworten.
„Bei Lungenkrebs sind die wiederholten Anstrengungen, die Effektivität der Röntgenthoraxaufnahme oder der Sputumzytologie als Früherkennungsverfahren nachzuweisen, bisher nicht von Erfolg gekrönt“, sagt etwa Professor Nikolaus Becker vom Deutschen Krebsforschungszentrum. Eine effiziente Früherkennung ist allerdings zwingend erforderlich. Denn das Bronchialkarzinom ist nach Angaben von Becker der weltweit häufigste Tumor und auch die häufigste Krebstodesursache (etwa 1,2 Millionen Todesfälle pro Jahr, knapp 18 Prozent aller Krebstodesfälle).
Bei Männern führt das Bronchialkarzinom auch in Deutschland die Krebssterbefälle an, bei Frauen steht es – nach Brustkrebs und kolorektalem Karzinom – auf Platz 3 der krebsbedingten Todesursachen. Lungenkrebs sei, so Becker, die einzige Krebsart, bei der die Mortalität in Deutschland weiterhin ansteigt, allerdings nur bei Frauen. 2006 starben in Deutschland laut Robert-Koch-Institut 40.771 an einem Bronchialkarzinom. In diesem Jahr werden nach Angaben der Gesundheitsökonomin Astrid Langer von der LMU München in Deutschland 35.150 Männer und 15.180 Frauen an Lungenkrebs erkranken. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt derzeit unter 20 Prozent (etwa 15 Prozent in den USA, 10 Prozent in Europa und knapp 9 Prozent in Entwicklungsländern). Selbst die 2-Jahres-Überlebensrate liegt trotz vieler Bemühungen seit Jahrzehnten unter 15 Prozent. Mit ein Hauptgrund ist, dass rund 80 Prozent der Patienten bereits bei der Erstdiagnose inoperabel sind.
Enorme Kosten - Tendenz steigend
Die Kosten für die Gesellschaft sind enorm. Berücksichtige man außer den direkten Kosten der Erkrankung auch die verlorenen Erwerbsjahre, so betragen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes die geschätzten Krankheitskosten für bösartige Neubildungen in Deutschland 14,6 Milliarden Euro pro Jahr. Davon entfallen 1,32 Milliarden Euro auf Lungenkrebs. Zudem steigen aufgrund neuer zielgerichteter Substanzen die Behandlungskosten der systemischen Therapie des Bronchialkarzinoms rapide an. Allein von 2006 bis 2008 nahmen die Ausgaben für Onkologika insgesamt um 760 Millionen Euro zu. Mindestens die Hälfte des Kostenanstiegs sei, so Dr. Jan-Peter Glossmann von der Universität Köln, den zielgerichteten Präparaten zuzuschreiben. Auch das Gesamtverordnungsvolumen der ambulant verordneten Onkologika (Chemotherapie und zielgerichtete Wirkstoffe) habe eine steigende Tendenz, jedoch sei der Anteil an den GKV-Gesamtausgaben mit acht Prozent (2008) angesichts der Häufigkeit von Krebserkrankungen eher (noch) gering.
Bessere Therapien, aber keine Kostenreduktion
Auf die modernen zielgerichteten Wirkstoffe werden zwar große Hoffnungen gesetzt. Aber gemessen an den Erwartungen ist laut Glossmann die Effektivität dieser Substanzen „bei unselektionierten Patientengruppen mit nur wenigen Wochen Lebensverlängerung enttäuschend“. Gerade beim nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom sei in den letzten Jahren „eine starke Diskrepanz zwischen der Entwicklung der Therapiekosten und der Verbesserung ihrer Effektivität zu beobachten“. Glossmann: „Ein medianer Überlebensvorteil von ca. zwei Monaten wird mit einer etwa 38-fachen Preissteigerung erkauft.“ Und: Die Behandlungskosten werden vermutlich noch weiter stark ansteigen. Eine der zentralen Fragen ist daher schon jetzt, welche Kosten die Gesellschaft zu tragen bereit und in der Lage ist. Mehr noch als bei anderen Krebskrankheiten werde sich diese Frage beim Bronchialkarzinom stellen. Denn dieser Tumor trete vorwiegend bei älteren Menschen auf, überproportional häufig bei sozial Schwächeren und gelte, ungeachtet aller neueren Forschungergebnissen zur Suchtentwicklung, noch immer als selbst verschuldet.
Relativ gute Prognose bei früher Diagnose
Für das Bronchialkarzinom erscheint ein Früherkennungsprogramm daher dringend notwendig zu sein, zumal, so Privatdozentin Antje Prasse von der Universität Freiburg, die Prognose im frühen Stadium relativ günstig sei. So betrage nach kurativer Operation im Stadium I die 5-Jahres-Überlebensrate bis zu 75 Prozent. Aber obwohl mit dem Thoraxröntgenbild Frühdiagnosen gestellt werden können, führe dies nicht zu besseren 5-Jahres-Überlebensraten. Mit der Spiral-CT bzw. Mehrzeilen-Spiral-CT stehe zwar eine schnell anwendbare, sensitive und relativ strahlungsarme Methode zur Verfügung. Bisher gab es aber nur nicht-randomisierte Studien, die eine erhöhte Rate an erkannten Karzinomen in frühen Stadien zeigen.
Reduktion der Sterberate um 20 Prozent
Die jetzt präsentierten Ergebnisse einer randomisierten US-Studie sind daher mit großer Spannung erwartet worden. Um 20 Prozent könne die Letalität an Lungenkrebs reduziert werden, wenn bei starken Rauchern und Ex-Rauchern frühzeitig mit der Spiral-CT Früherkennung betrieben werde, so vor wenigen Wochen die Meldung des „National Cancer Institute”(NCI). Ergeben hat dies die „National Lung Screening Trial“(NLST), eine Studie mit über 53.000 Raucher oder Ex-Rauchern im Alter von 55 bis 74 Jahren. Es handelte sich dabei um starke aktive oder ehemalige Raucher mit mindestens 30 Packungs-Jahren, also beispielsweise 30 Zigaretten am Tag über 10 Jahre oder 10 Zigaretten am Tag über 30 Jahre.
Bei den Studienteilnehmern wurde drei Jahre lang einmal jährlich entweder eine Spiral-CT oder eine Röntgenaufnahme gemacht. Danach wurde der Krankheitsverlauf noch fünf Jahre verfolgt. Die Studie wurde nun gestoppt, da in der CT-Gruppe 20 Prozent weniger Teilnehmer an einem malignen Lungentumor gestorben waren als in der Vergleichsgruppe (1,32 Prozent versus 1,65 Prozent). Einen geringen Vorteil (sieben Prozent) gab es für die CT-Gruppe auch bei der Gesamtsterberate, die allerdings kein Hauptendpunkt der vom NCI finanzierten, noch nicht publizierten Studie war.
Noch ist es für ein CT-Screening zu früh
Der Gedanke, bei Rauchern für ein Screening-Programm mit der Spiral-CT zu plädieren, mag naheliegen. In den USA gibt es sogar schon Kliniken, die dafür werben. Doch ganz so einfach ist es nicht. Das NCI weist selbst darauf hin, dass ihre Studie bislang nur einen Teil der Daten liefere, die notwendig seien, um ein solches Screening zu empfehlen. Dies gelte für die untersuchte Studienpopulation starker Raucher und Ex-Raucher und erst recht für die Gesamtbevölkerung. Anders formuliert: Es sind noch viele Fragen unbeantwortet. Denn zum einen handelte es sich bei der Studienpopulation um eine Hochrisiko-Gruppe. Der Nutzen eines CT-Screenings bei allen Rauchern, also auch jenen mit eher geringem Zigaretten-Konsum, ist unklar.
Zum anderen gibt es ein Strahlenrisiko, wobei allerdings bei der Spiral-CT die Strahlenbelastung geringer ist (etwa 1/20) als bei einer konventionellen Thorax-CT. Darüber hinaus steckt nicht hinter jedem positiven CT-Befund ein Karzinom: Laut NCI liefert die CT bei 20 bis 60 Prozent aller Raucher oder Ex-Raucher einen auffälligen Befund. In den seltensten Fällen handele es sich dabei um ein Karzinom. Ein Screening könne daher zu vielen überflüssigen Eingriffen führen – und damit zu einer Gefährdung der Patienten. Noch zu klären sind laut NCI auch Fragen wie die nach der Kosten-Effektivität (300 US-Dollar pro Untersuchung) und welchen Einfluss das Screening bei einem positiven Befund auf die Lebensqualität eines betroffenen Patienten habe. Warum das NCI sich mit einer Empfehlung zu einem CT-Screening zurückhält, erklären auch ein paar weitere Daten: Nach den Ergebnissen der NLS-Studie müssten 300 Personen untersucht werden, um einen Todesfall zu verhindern. Die absolute Reduktion der Sterblichkeit beträgt nicht einmal 0,5 Prozentpunkte. Außerdem: Laut Dr. Peter Bach vom „Memorial Sloan-Kettering Cancer Center“ würde bei 25 Prozent der Patienten ein falsch positiver Befund gestellt werden, also bei 75 der 300, die gescreent werden müssten, um einen Todesfall zu verhindern.
Ergebnisse einer europäischen Studie erst 2015
Auch europäische Studien liefern noch lange keinen Grund für ein CT-Screening. Frühestens 2015 sollen etwa aussagekräftige Ergebnisse einer multizentrischen europäischen Studie über die Früherkennung von Lungenkrebs mit der Mehrzeilen-Spiral-CT vorliegen. Als Beitrag zu dieser Studie läuft seit Ende 2007 im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen Krebsepidemiologie und Radiologie des Deutschen Krebsforschungszentrums sowie der Thoraxklinik in Heidelberg die Rekrutierung für die LUSI-Studie (Lungenkrebs-Screening-Interventionsstudie). Studienleiter ist Professor Nikolaus Becker. Bislang sind an der europäischen Studie vier Teilstudien mit geplanten 27.000 Probanden beteiligt.
Fazit: Der Weg zu einem sinnvollen Screening-Programm beim Bronchialkarzinom ist beschritten, das Ziel aber noch recht weit entfernt.