Heiß und gefährlich – der Sommer sorgt mit seinen tropischen Temperaturen nicht nur für sonnige Gemüter, sondern auch für vermehrte Todesfälle. Das hat unterschiedliche Ursachen. Welche sind am häufigsten? Und welche Menschen sind besonders gefährdet?
Es ist sonnig, es ist heißt und es kann gefährlich werden: Im Sommer ist das Sterberisiko bestimmter Erkrankungen deutlich erhöht. Der Juni 2019 war der heißeste seit dem Beginn der regelmäßigen Messungen im Jahr 1881. Was bedeuten extrem hohe Temperaturen für unsere Gesundheit? Ein Blick auf die häufigsten Ursachen für sommerbedingte Tode.
Leidtragende der sommerlichen Temperaturen sind insbesondere Menschen mit chronischen Lungenerkrankungen. Denn laut Deutscher Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) erhöht sich das zusätzliche Sterberisiko für die Betroffenen an heißen Tagen um bis zu 14 % – bei längeren Hitzewellen sogar um bis zu 43 %. Zudem leiden Lungenkranke an heißen Tagen häufiger an teils lebensbedrohlichen Verschlimmerung der Symptome. Bei Hitzewellen müssen daher Lungenerkrankungen – und nicht etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen – am häufigsten in der Notaufnahme behandelt werden, schreiben die Experten DGP und verweisen darauf, dass verschiedene Untersuchungen COPD-Patienten während der Sommermonate beobachtet haben. Tage mit erhöhten Temperaturen würden „die körperliche Belastbarkeit und die Lungenfunktion der Lungenpatienten deutlich verringern,“ so die Annahme der Experten. Grund hierfür sei, dass der Körper die Hitze nicht nur über die Haut, sondern auch über die Lunge abgibt. Dabei erhöht sich auch die Atemfrequenz. „Bei COPD-Patienten, deren Lunge krankheitsbedingt bereits stark geschädigt ist, wird dieser Wärmetransport allerdings eingeschränkt: Aufgrund ihrer geringen Atemkapazität können sie ihre Atemfrequenz kaum noch steigern, sodass ein effizientes Abatmen der Wärme nur eingeschränkt funktioniert“, erläutert Prof. Christian Witt, Leiter des Arbeitsbereiches Ambulante Pneumologie der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. „Zusätzlich führt dieerforderliche Muskelarbeit für die vermehrten Atembewegungen auch selbst zu einer Steigerung der Körpertemperatur. Gleichzeitig verursacht Hitze Wasserentzug (Dehydration), was unter anderem auch zu einer Minderdurchblutung der Lunge führt und damit einerseits verstärkte Entzündungsprozesse in der Bronchialschleimhaut und andererseits eine größere Infektanfälligkeit der Patienten bewirkt.“
Nicht nur Lungenkranke haben bei sommerlichen Temperaturen ein erhöhtes Sterberisiko. Laut Christina Koppe und Team besteht nämlich zwischen der (gefühlten) Temperatur bzw. dem Humidex und ischämisch bedingten Todesfällen ein V-förmiger bzw. U-förmiger Zusammenhang. Zur Erklärung: Der Humidex ist eine Einheit, bei der zusätzlich zur mittleren Lufttemperatur auch die Luftfeuchtigkeit berücksichtigt wird. Bei der gefühlten Temperatur gehen neben mittlerer Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit u. a. die mittlere Strahlungstemperatur und die Windgeschwindigkeit in den Index ein. Bei einer Tagesmitteltemperatur von 15 °C bis 19 °C versterben laut Koppe und Kollegen im Vergleich zu anderen Temperaturbereichen die wenigsten Menschen an ischämischen Herzkrankheiten. Unterhalb und oberhalb dieses Bereiches steigt die Sterblichkeit jedoch fast linear an. Allerdings, so die Forscher weiter, sei die Mortalität unterhalb der durchschnittlichen Tagestemperatur von 15 °C „im Wesentlichen durch den Jahrgang bedingt“. Wurden die Sterbefalldaten zusätzlich durch den Jahrgang bereinigt, konnten die Forscher kein erhöhtes relatives Risiko mehr feststellen – mit einer Ausnahme: Bei sehr niedrigen Tagesmitteltemperaturen von weniger als -7 °C stieg die Wahrscheinlichkeit v. a. für Infarkte an. Dagegen erhöht sich das Risiko, an einer ischämischen Herzkrankheit zu versterben, während Hitzewellen um 10 %.
Unter den hohen Temperaturen leiden besonders ältere Menschen, chronisch Kranke und Kleinkinder. Die Hitze belastet die menschliche Gesundheit stark und beeinträchtigt die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit. Hitzekrämpfe, Sonnenstich, Hitzschlag oder eine Verschlimmerung verschiedener Krankheiten sind die Folgen. An Tagen mit starker oder extremer Wärmebelastung versterben so durchschnittlich etwa 10 % bis 15 % mehr Menschen [1, 2]. Dass eine Hitzewelle nicht ganz ungefährlich ist, beweist auch der Sommer 2003. Während der außergewöhnlich lang anhaltenden Hitzeperiode im August starben allein in Deutschland etwa 7.000 Menschen mehr als in vergangenen Jahren, berichtet das Umweltbundesamt. Betroffen waren insbesondere Senioren über 70 Jahre, insbesondere Frauen, und chronisch Kranke. Ursachen der Todesfälle waren Herzinfarkt, Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, der Nieren und der Atemwege sowie Stoffwechselstörungen infolge der Hitzebelastung. Für gesunde Erwachsene in Mitteleuropa, so das Robert-Koch-Institut, bestehe jedoch bei „normaler“ Lebensführung, vernünftigen Verhaltensweisen und der Möglichkeit ausreichender Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme bei längeren Hitzeperioden keine gesundheitliche Gefährdung.
An heißen Tagen sucht man gerne Abkühlung in Bädern oder Seen. Doch insbesondere Männer scheinen zu vergessen, dass Wasser auch gefährlich sein kann. So ertranken in den ersten sieben Monaten in 2018 laut der Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) 279 Menschen – etwa 80 % davon waren Männer. „Leichtsinn, Risikobereitschaft und Selbstüberschätzung sind hier die Hauptursachen“, erläuterte der DLRG-Pressesprecher Achim Wiese. Quelle: © DLRG Verglichen mit 2017 verstarben 2018 um 37 Menschen mehr. Der Grund hierfür sei laut dem DLRG-Sprecher Achim Wiese das schöne Wetter. „Hatten wir im letzten Jahr durch den eigentlich nicht vorhandenen Sommer vergleichsweise geringe Ertrinkungszahlen, beweisen die anhaltenden Temperaturen und das schöne Wetter einmal mehr, dass es leider auch in die andere Richtung gehen kann“. Insbesondere in den warmen Monaten April bis Mitte Juli fanden viele Menschen im Wasser den Tod.
Das Risiko, sich während des Badens mit Krankheitserreger zu infizieren, ist für gesunde Menschen eher gering. Denn 98 % der Badegewässer in Deutschland erfüllen die Qualitätsanforderungen der EG-Badegewässerrichtlinie, 91 % sogar mit der Bestnote „ausgezeichnet“. Hierfür wird in regelmäßigen Abständen überprüft, ob in dem Badewasser Escherichia coli und intestinale Enterokokken vorhanden sind. Erst wenn in einem Gewässer eine bestimmte Bakterienkonzentration überschritten wird, steigt die Wahrscheinlichkeit, sich zu infizieren. Betroffene leiden dann beispielsweise an einer milden Durchfallerkrankung oder an einer Ohrenentzündung. Doch Bakterien lauern nicht nur in Gewässern. Laut Elena Terletskaia-Ladwig vom Institut für Virologie, Infektiologie und Epidemiologie e. V. in Stuttgart erkranken die Menschen in den Sommermonaten insbesondere an durch Bakterien verursachte Magen-Darm-Grippen (DocCheck berichtete). Diese gelangen in der Regel durch verunreinigte oder verdorbene Lebensmitteln wie Fleisch, Milch oder Eier in den Körper. Auch aus den Daten des Robert-Koch-Instituts lässt sich eine Saisonalität mit den höchsten Fallzahlen im Sommer bei den bakteriellen Infektionskrankheiten Salmonellose, EHEC- (enterohämorrhagische Escherichia coli) und Campylobacter-Enteritiden erkennen. Zwischen der 14. und der 27. Kalenderwoche zählte das Robert-Koch-Institut
Allerdings sind Todesfälle aufgrund von bakteriellen Magen-Darm-Grippen eher selten. 2015 verstarben von ca. 70.000 an einer Campylobacter-Enteritis erkrankten Menschen vier Leute (Alter: 73 bis 86 Jahre). Eine 96-jährige Frau verstarb aufgrund einer EHEC-Infektion (1.600 Fälle) und insgesamt 16 Patienten im Alter zwischen 43 und 90 Jahren an einer Salmonellose (knapp 14.000 Fälle).
Sommerliche Temperaturen fördern jedoch nicht nur das Bakterienwachstum, sondern können auch Hitzeschäden wie Sonnenstich, Hitzekrampf, Hitzekollaps und Hitzschlag verursachen. Jährlich werden laut der Gesundheitsberichterstattung des Bundes zwischen 1.000 und 2.300 Menschen aufgrund von „Schäden durch Hitze und Sonnenlicht“ (ICD T67) ins Krankenhaus eingeliefert. Nur ein kleiner Teil verstirbt. Beispielsweise mussten 2015, dem laut National Centers for Environmental Information zweitwärmsten Jahr seit Beginn der Messungen, etwa 2.300 Menschen aufgrund eines Hitzeschadens stationär behandelt werden. 80 % von diesen konnten nach ein bis drei Tagen wieder entlassen werden. Nur 25 von den 2.300 verstarben. Insgesamt erlitten 2015 60 Menschen den Hitzetod, davon
Koppe und seine Kollegen führten noch eine weitere Studie durch. Sie untersuchten, wie sich Wetterfaktoren aufgrund des Klimawandels verändern könnten. Dafür analysierten sie 19 regionale Modellsimulationen. Ausgewertet wurden die Lufttemperatur, rasche Temperaturänderungen sowie Hitzewellen, da diese Größen die ischämische Mortalität am stärksten beeinflussen. Laut Koppe und seinem Team werden sich Häufigkeit und Dauer von Hitzewellen bis zum Ende dieses Jahrhunderts etwa verdreifachen, die Belastung aufgrund von hohen Temperaturen soll sich dabei mehr als verdoppeln. Dagegen soll die Belastung durch niedrige Temperaturen, abhängig von der Auswertemethode, um bis zu 25 % abnehmen – was eine Bewertung des Nettoeffekts schwierig macht. 2015 bis 2017 [1, 2] waren die wärmsten Jahre seit Beginn der Messungen im Jahr 1880. 2018 wurde da noch nicht einmal in die Auswertungen mit einbezogen. Und es soll noch wärmer werden. 2050 soll etwa die Hälfte der Sommer mit Hitzewellen verlaufen. Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts werden Sommer, die in den 1950ern zu den 5 % der heißesten gehörten, Normalität werden, so die Prognose.