Die Eisenbestimmung zählt zur Routine in jeder Arztpraxis - doch die Interpretation der Werte birgt unzählige Risiken für den Arzt, wie Hämatologen des Universitätsspitals Basel aufzeigen. Denn wer die Werte falsch deutet, übersieht womöglich Erkrankungen wie chronische Entzündungen, Niereninsuffizienz oder sogar den Tumor des Patienten.
Vermeintlich einfache Diagnosen und noch simplere Therapien drohen immer dann zu versagen, wenn Eisenwerte gefragt sind – das jedenfalls macht die Hämatologin Alicia Rovó vom Universitätsspital Basel in einer beeindruckenden Publikation deutlich. Anders als viele Studien, in denen anhand von riesigen Patientenkohorten Daten ausgewertet und interpretiert werden, wählt Rovó den pragmatischen Weg. Sie schaut in die Praxis des Allgemeinmediziners und lässt ihre Kollegen erahnen: Ich sehe was, was du nicht siehst. Die Bestimmung der Ferritinwerte beschäftigt Millionen von Ärzten weltweit, kein Krankenhaus, nicht eine Praxis käme ohne Kenntnis der exakten Eisenmenge im Körper des Patienten aus.
Doch die Ferritinbestimmung allein, erklärt Rovó in ihrer Arbeit, ist praktisch nutzlos. Nicht immer, aber vor allem dann, wenn lebensbedrohliche Ursachen hinter den Werten stecken. So sollten Ärzte niemals vergessen, CRP und ALAT mitzubestimmen. „Nur wenn diese Laborwerte normal sind, ist das normale Ferritin wirklich normal, denn Ferritin steigt bei Entzündungen und Lebererkrankungen an“, schreibt Rovó, und: „Erhöhungen können auch verursacht werden durch Äthylismus und Tumoren“.
Werte hin oder her - das Zusammenspiel entscheidet
Als besonders tückisch erweist sich Anämie bei chronischer Entzündung – denn sie kommt mit und ohne Eisenmangel vor. Ärzte sollten daher bei Verdacht einer chronischen Entzündung stets Serumeisen, Ferritin, Transferrinsättigung, und die Werte für den löslichen Transferrinrezeptor (sTfR) bestimmen, rät Rovó. Doch selbst wer das tut muss wissen: Nur in einem Drittel aller Fälle lässt sich die chronische Entzündung erkennen. Normale Ferritinwerte und ebenso unauffällige (sTfR) – Pendants sind wiederum kein Grund zur Entwarnung. Eine chronische Entzündung könnte dennoch vorliegen, was erst der Blick auf das tiefe Serumeisen verrät. Selbst die Dosisbestimmung der Eisen-Therapie erweist sich als Rechenkunst. Laut Rovó gilt nämlich bei Patienten mit Eisenmangel und Anämie eine simple Formel. „Gesamte Dosis (mg Eisen): 150 – aktuelles Hb (g/l) x Körpergewicht (kg) x 0,3“. Gelangt man trotz akribischer Arbeitsweise zu Dosis-Werten über 3000 mg, hat man sich vertan – und sollte alles noch einmal checken.
Vergeblich die Hoffnung, auf Eisenmangel ohne Anämie zu schielen. Denn auch wenn es für derartige Fälle keine Formel gebe, müssten Ärzte eine Handregel befolgen, wie Rovó zu betonen weiß: „Bei Ferritin unter 50 erhalten die Patienten 1000 mg ‚Eisen’ i.v“. Wer leichter als 50 kg wiegt wird vom behandelnden Arzt maximal 700 mg erhalten. Als mitunter größter Fallstrick erweist sich schließlich der funktionelle Eisenmangel. Ein Patient mit normozytärer, normochromer Anämie, Hb 80 g/l, und einem Ferritin von 100 μg/l deute auf eine Anämie bei chronischer Entzündung, und damit verbunden auf eine Niereninsuffizienz oder Tumorerkrankung hin, meint die Basler Hämatologin.
In diesen Fällen ordneten Ärzte so gut wie immer die Bestimmung des Erythropoietins an und setzten bei einem EPO-Spiegel von unter 500 U/l auf dessen Substitution. Die in Wirklichkeit vorliegende funktionelle Eisenstörung freilich macht der Therapie den Garaus. EPO spricht nicht an, der zelluläre Hämoglobingehalt der Retikulozyten sinkt die hypochromen Erythrozyten nehmen zu. Wer die Zusammenhänge nicht kennt, und den funktionellen Eisenmangel übersieht, dürfte ob solcher Katastrophenwerte in Panik verfallen – angebracht ist sie nicht, wie Rové am Beispiel der angezeigten Therapie erklärt: „In dieser Situation muss Eisen trotz genügend hohem Ferritin infundiert werden“.