Wissenschaftler haben Test entwickelt, der Gendoping zuverlässig auch nach längerer Zeit nachweisen kann. Mit ihm ist es möglich, im Blut der Sportler transgene DNA zu identifizieren, die Körperzellen dazu bringt, leistungsfördernde Substanzen herstellen.
In den vergangenen Jahren waren dopende Sportler ihren Jägern meistens ein Stückchen voraus. So konnten sie immer wieder verbotene Substanzen zur Leistungssteigerung ungestraft verwenden, weil das entsprechende Nachweis-Verfahren erst noch entwickelt werden musste. Doch beim Gendoping könnten die Jäger nun die Nasenspitze vorne haben. Ein Forscherteam aus Tübingen und Mainz hat in der Online-Ausgabe des Fachmagazins "Gene Therapy" einen einfachen Bluttest vorgestellt, mit dem man schnell und sicher feststellen kann, ob ein Sportler Gendoping betreibt. Bei dieser Dopingvariante wird zusätzliches Erbgut in den Körper eingeschleust – wie zum Beispiel das Gen für das Hormon Erythropoetin (EPO), das in den Zellen eingebaut wird und diese dazu bringt, gezielt EPO zu produzieren.
Noch kein Gendoper entdeckt
Das Verfahren einzelne Gene in Körperzellen einzubringen, stammt von der Idee, schwere Krankheiten mittels Gentransfer zu heilen. Bislang ist noch keine Person bekannt, die Gendoping tatsächlich angewendet hätte. Viele Experten schätzen jedoch die Gefahr eines zukünftigen Missbrauchs der Gentherapie als hoch ein, da die leistungsfördernde Wirkung des Gendopings durch Substanzen erzielt wird, die der Körper auch selbst herstellen kann und ein Nachweis der Manipulation somit schwierig zu führen ist. Mit ihrem neuen Test umgehen Professor Perikles Simon von der Universität Mainz und Professor Michael Bitzer von der Universität Tübingen diese Hürde: Sie messen keine erhöhten Mengen irgendeiner Substanz im Blut des Verdächtigen, sondern konzentrieren sich auf den eigentlichen Eingriff ins Erbgut. Im Vergleich zur körpereigenen DNA ist die von außen zugeführte DNA daran zu erkennen, dass ihr bestimmte nicht codierende Abschnitte innerhalb des Gens fehlen. Der Test schlägt deshalb nur an, wenn transgene DNA in der Blutprobe vorhanden ist. „Er liefert so eindeutige Ja-oder-Nein-Antworten“, sagt Simon, Leiter der Abteilung für Sportmedizin am Institut für Sportwissenschaft.
Nachweis gelingt auch nach einigen Wochen
Ausprobiert haben Perikles und seine Kollegen ihren Test zuerst an Mäusen. Diese infizierten sie intramuskulär mit Adeno-assoziierten Viren, die die Bauanleitung für das Hormon VEGF-A trugen. Rund um die Einstichstelle herum wurde in der Muskulatur ein Überschuss des Hormons produziert, das die Neubildung von Blutgefäßen anregt. In regelmäßigen Zeitabständen nahmen die Forscher dann den Mäusen Blut ab. Selbst acht Wochen nach der Geninjektion konnten das Team um Simon und Bitzer zeigen, dass den Tieren zusätzliches Erbgut zugeführt worden war. „Die Viren selbst sind nach einigen Stunden bis wenigen Tagen nicht mehr nachweisbar“, erklärt Simon. „Doch die von ihnen befallenen Zellen sind wesentlich stabiler.“ Sie setzen kleine Mengen an transgener DNA ins Blut frei, die die Forscher mit ihrer hochsensitiven Methode detektieren können.
Wichtig bei einem Dopingtest ist, dass er keinen falschen Alarm schlägt, also nicht dort eine verbotene Substanz scheinbar nachweist, wo in Wirklichkeit keine ist. Um dieses Risiko auszuschließen, untersuchten Simon und seine Mitarbeiter das Blut von 327 nicht gedopten Leistungs- und Freizeitsportlern. Vor und nach Belastung testeten sie die Sportler auf sechs Substanzen, die als wichtigste Kandidaten für das Gendoping betrachtet werden. Keine dieser Tests erbrachte ein falsch-positives Ergebnis. Die Forscher gehen jetzt davon aus, dass sich für Sportler der Missbrauch der Gentherapie zu Dopingzwecken nicht mehr lohnt. „Spätestens das Wissen um das Risiko, auch Monate nach einem durchgeführten Gentransfer bei einer Wettkampfkontrolle entdeckt zu werden, dürfte auch die waghalsigsten Doper abschrecken“, sagt Simon.
Für Routineeinsatz noch zu früh
Andere Experten wie Professor Alexander Kekulé, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie des Universitätsklinikums Halle, halten es zwar ebenfalls für sinnvoll, sich Gedanken darüber zu machen, wie man potentielle Täter abschrecken könnte, finden aber, dass die Aufregung über das Gendoping verfrüht ist. „Die Erfolge der Gentherapie sind deutlich hinter den anfänglichen Erwartungen zurück geblieben und es werden noch viele Jahre vergehen, bis die derzeitigen Probleme gelöst sind“, sagt Kekulé. „Wenn eine Therapie nicht richtig funktioniert, kann sie auch noch nicht missbraucht werden. Deswegen wäre es verkehrt, den neuen Test schon bald routinemäßig ins Doping-Screeningsystem mit einzubeziehen.“ Aber die Veröffentlichung von Simon und seinen Kollegen kommt nach Ansicht von Kekulé dennoch zum richtigen Zeitpunkt. Denn sie könne, so der Wissenschaftler, eine zukünftige Professionalisierung der illegalen Gentherapie verhindern.