Jährlich erkranken rund 11.000 Menschen neu an Leukämie, davon rund 1.800 Kinder. Auf die Bevölkerung umgerechnet bekommt daher alle 45 Minuten ein Mensch in Deutschland die Diagnose gestellt. Sarah war vor fünf Jahren ebenfalls betroffen und erzählt mir nun über ihren langen Kampf ums Überleben.
Jährlich erkranken rund 11.000 Menschen neu an Leukämie, davon sind rund 1.800 Patienten noch Kinder. Auf die Bevölkerung umgerechnet bekommt daher alle 45 Minuten ein Mensch in Deutschland die Diagnose gestellt. Sarah war vor fünf Jahren ebenfalls betroffen und erzählte uns von ihrem langen Kampf ums Überleben.
Hallo Sarah, vielen Dank, dass Du Dir Zeit nimmst. Wie verlief denn Dein Leben vor der Diagnose?
Sarah: Kurz vor der Diagnose wurde ich gerade mal volljährig und habe mir mein Leben und meine Zukunft ganz anders vorgestellt. Alles sollte ab da eigentlich gerade so richtig beginnen, denn ich hatte meinen Führerschein gemacht und von meinen Eltern sogar ein Auto bekommen. Ich fing sogar schon zu dem Zeitpunkt meine Ausbildung zur Industriekauffrau an. Alles war sozusagen im Reinen und alles verlief auch so, wie ich es mir immer gewünscht hatte. Bis ich dann die niederschmetternde Diagnose bekam.
Wann wurde denn die Diagnose Leukämie bei Dir gestellt?
Sarah: Das war ein paar Wochen nach meinem 18. Geburtstag. Ich ging damals zum Arzt, da ich ständig neue blaue Flecken hatte, ich war ständig blass, müde und abgeschlagen und hatte kaum mehr Appetit und auch zu dem Zeitpunkt sehr viel an Gewicht verloren. Ich dachte damals, es würde vom Schulstress kommen, da ich ja kurz vorher meinen Abschluss gemacht hatte, und dass ich einfach davon nur ausgelaugt wäre. Nie im Leben wäre ich auf Leukämie gekommen.
Wie erging es Dir, als Du erfahren hast, was wirklich mit Dir los ist?
Sarah: Ich wusste zuerst gar nicht, was mit mir passiert und dachte, ich wäre in einem Alptraum und würde jede Sekunde wieder aufwachen und alles wäre gar nicht wahr. Ich konnte es zuerst gar nicht begreifen, dass ich tatsächlich an Leukämie leiden soll und hielt es für einen üblen Scherz. Meine erste Frage an den Arzt war dann auch nicht, was ich jetzt am besten dagegen unternehmen soll, sondern ob ich denn jetzt sterben muss. Und er meinte zu mir, dass man das nicht ausschließen kann. Daraufhin wurde ich ganz still. Und ich bekam Angst. Zuerst war ich mehrere Wochen lang einfach nur niedergeschlagen. Aber mir ging auch die Aussage des Arztes, dass ich sterben könnte, keine Sekunde aus dem Kopf und das hat mich irgendwann motiviert zu kämpfen. Ich wollte leben, egal, wie lange der Kampf dauert und was ich alles dafür tun muss, um wieder gesund zu werden.
Welche Behandlungen hast Du nach der Diagnosestellung bekommen?
Sarah: Zuerst musste ich monatelang ins Krankenhaus und mehrere Chemotherapien über mich ergehen lassen. Es hielt den kompletten Ausbruch der Leukämie auch ganz gut zurück, aber um richtig gesund zu werden konnte mir letztendlich nur ein geeigneter Knochenmarkspender helfen. Und das Warten auf den passenden Spender war die eigentliche Geduldsprobe für mich und meine Familie. In meiner Familie gab es nämlich leider keinen passenden Spender, noch nicht mal meine Eltern oder meine Geschwister kamen in Frage und genau das hat mich am meisten geschockt. Ich hatte vorher die ganze Zeit wirklich Hoffnung, dass zumindest einer von ihnen in Frage kommt.
Wann wurde denn ein passender Spender für Dich gefunden und wie lief die Knochenmarkstransplantation ab?
Sarah: Noch im gleichen Jahr hat man einen passenden Spender für mich gefunden, worüber ich einfach nur unglaublich glücklich war. Ich hatte schon fast die Hoffnung aufgegeben, als ich erfuhr, dass niemand aus meiner Familie in Frage kommt. Das hat mich schon sehr runtergezogen. Aber als man mir sagte, dass sie einen passenden Spender für mich gefunden haben, konnte ich mein Glück kaum fassen und ich schöpfte wieder neue Kraft und Hoffnung. Nachdem ich das erfuhr, fand die Knochenmarkstransplantation dann auch ziemlich rasch statt. Zuerst habe ich eine ziemlich starke Chemotherapie und eine Ganzkörperbestrahlung bekommen, um meine noch vorhandenen Leukämiezellen zu zerstören. Danach habe ich die eigentliche Knochenmarkstransplantation bekommen, eine Infusion mit den Knochenmarkzellen meines Spenders. Direkt nach der Transplantation bekam ich Medikamente, um mein Immunsystem zu unterdrücken, damit es nicht das neue Knochenmark abstößt. Ich habe dann noch zusätzlich Antibiotika bekommen und lag anfangs auf einer Isolierstation, damit ich keine Infektionen bekomme.
Wie war diese Situation für dich und wie hast du dich gefühlt?
Sarah: Ich hatte sehr große Angst, dass etwas schief gehen könnte, insbesondere in der Zeit danach. Auch die Furcht, dass ich eine Infektion bekommen könnte, war sehr groß und ich hoffte jeden Tag, dass alles gut geht. Es war auch eine sehr schwierige Zeit, da ich kaum meine Familie oder Freunde zu Gesicht bekommen habe wegen der Infektionsgefahr. Aber die Freude, dass ich die Knochenmarktransplantation bekommen habe und dass nun die Hoffnung auf Genesung besteht, überwog einfach. Daher wollte ich mitunter auch bloß kein Risiko eingehen. Ich hatte während meiner Krankenhausaufenthalte und Chemotherapien kaum Pläne für die Zukunft gemacht, denn die Angst, dass sie nicht wahr werden könnten und die Angst vor der Enttäuschung waren zu groß. Aber nach der Transplantation traute ich mich langsam wieder, an die Zukunft zu denken, obwohl es noch nicht sicher war, dass alles wirklich glatt verläuft. Aber ich bekam keine Infektion in der Zeit und mein Körper hat die fremden Knochenmarkzellen zum Glück auch nicht abgestoßen. Ich war der glücklichste Mensch überhaupt, es war ein unbeschreibliches Gefühl.
Hast Du Deinen Spender kennen gelernt?
Sarah: Ja, aber ich musste ja leider zwei Jahre mindestens darauf warten, um ihn überhaupt kennelernen zu dürfen. Einerseits war es schon verständlich für mich, dass ich meinen Spender noch nicht treffen durfte, denn die ersten zwei Jahre sind ja die kritischste Zeit, in der noch viel passieren kann. Nicht umsonst muss man ständig zu Kontrolluntersuchungen. Aber andererseits wollte ich ihn einfach treffen und in all der Zeit wurde ich nur von dem Wunsch getrieben, meinen Spender endlich persönlich kennenzulernen. Fast drei Jahre nach der Knochenmarkstransplantation haben wir uns endlich das erste Mal gesehen.
Wie war dieses Treffen für Dich? Wie kann man sich diese Situation überhaupt vorstellen?
Sarah: So ein Treffen kann man sich weder vorstellen noch die Gefühle und Empfindungen beschreiben. Ich habe zum ersten Mal den Menschen getroffen, dem ich mein Leben zu verdanken habe und das ist nicht in Worte zu fassen. Ich habe mich meinem Lebensretter innerhalb von Sekunden so verbunden gefühlt, wie ich es noch nicht einmal bei meinen Geschwistern oder Freunde spüre. Er hat mir quasi etwas von sich gegeben, damit ich leben kann. Ich wusste auch zuerst gar nicht, wie ich ihm dafür danken sollte, denn was er für mich getan hat, kann man nicht mit irgendwelchen Geschenken aufwiegen. Aber ich glaube, alleine die Tatsache, dass ich noch lebe und einfach glücklich bin, ist für ihn ein Geschenk genug. Daniel, der Spender, gehört nun auch mittlerweile zu den wichtigsten Menschen in meinem Leben und ich werde es nie vergessen, was er für mich getan hat.
Vielen für das Gespräch und alles Gute!