Über Teilzeit-Chefärzte liest man schon mal in den Medien. Es gibt sie also. Die Chefärztin in Teilzeit sucht man dagegen wie eine Nadel im Heuhaufen und die stundenreduzierte Oberärztin ist eine Rarität. Sind Kinder und Teilzeit die Karriere-Falle?
In einem Bericht der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) aus diesem Jahr heißt es: "Vor dem Hintergrund der aktuellen Altersstruktur der deutschen Ärzteschaft sowie der kontinuierlich wachsenden Abwanderung […] steht zu erwarten, dass es zu einer dramatischen Unterversorgung […] kommt. In dieser Situation ist es von besonderer Bedeutung, das Potenzial hochqualifizierter Frauen (und Männer) für die Sicherstellung der medizinischen Versorgung in Deutschland auszuschöpfen. Hierzu können an dem Ziel der Chancengleichheit orientierte Maßnahmen beitragen, wie z.B. eine bessere Vereinbarkeit von Tätigkeiten in den medizinischen Bereichen und Elternschaft. Schließlich geht es auch darum, die in die Ausbildung dieses Potenzials investierten Mittel im Sinne eines Return on Investment zu sichern". Der Bericht beinhaltet eine Überprüfung der Empfehlungen der Bund-Länder-Kommission. Die hatte bereits 2004 reklamiert, dass "nahezu gleich viele Frauen wie Männer in einem medizinischen Fach promoviert werden, aber nur ein Bruchteil des weiblichen Ausgangspotenzials eine Führungsposition erreicht". Chancengleichheit ist also gewünscht, aber der Status Ärztin mit Mutterpflichten ist offensichtlich immer noch eine Barriere in der Karriere-Entwicklung.
Teilzeitstellen nehmen zu
Welches Ausmaß haben eigentlich Teilzeitstellen? Laut Krankenhaus-Mikrozensus des Statistischen Bundesamts waren 2008 rund 20.000 Ärzte und Ärztinnen, d.h. 15 Prozent, teilzeit- bzw. geringbeschäftigt. Den größten Anteil daran haben erwartungsgemäß mit 75 Prozent die Frauen. Vergleicht man diese Zahlen mit denen aus 2005, lässt sich ein Anstieg der Teilzeitstellen um rund 20 Prozent ablesen. Und zwar sowohl in der Gruppe der Ärzte als auch in der Gruppe der Ärztinnen. Das könnte die gleichzeitig gewachsene Zahl des insgesamt beschäftigten Arztpersonals in Krankenhäusern erklären. Tatsache ist jedoch, dass die Teilzeitstellen gemäß Statistik überproportional zugenommen haben. Die Gründe dafür könnten sein: Die Krankenhäuser unterstützen mehr Flexibilität bei der Gestaltung von Arbeitszeiten, um dem drohenden Fachkräftemangel vorzubeugen. PriceWaterhouseCoopers kommt in einer aktuellen Studie zu dem Ergebnis, dass ohne Änderung des jetzigen Systems in zwanzig Jahren etwa jede dritte Stelle in Kliniken unbesetzt bleibt. Oder Ärzte und Ärztinnen legen inzwischen mehr Gewicht auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Oder ein Mix aus beidem.
Assistenzärztinnen mit größtem Teilzeit-Anteil
Auf Fachgebietsebene finden sich laut Statistischem Bundesamt die meisten Teilzeitbeschäftigten in der Anästhesiologie. Mit größerem Abstand folgen die Innere Medizin, die Gynäkologie, die Chirurgie, die Kinderheilkunde und mit ebenfalls noch nennenswerten Zahlen die Psychiatrie bzw. Psychotherapie. Insgesamt waren 2008 von den leitenden Posten rund 9 Prozent weiblich besetzt. Der Anteil der Oberärztinnen lag bei 24 und der von Assistenzärztinnen mit abgeschlossener Weiterbildung bei rund 46 Prozent. Leider wird im Mikrozensus nicht ausgewiesen, wie sich die Teilzeitstellen auf Chef-, Ober- und Assistenz-Ebene verteilen. Auf eine Nachfrage in der Aachener Uniklinik antwortet uns Prof. Dr. Nicolai Maass, Direktor der Univ.-Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe: "Teilzeitarbeit von Ärztinnen in Verbindung mit Familie ist bei uns täglich gelebte Realität und auf unterschiedlichste Weise organisatorisch machbar". Aber das scheint nicht für Chefärztinnen in Teilzeit zu gelten. Immerhin arbeitet in seinem Team eine Oberärztin mit reduzierter Arbeitszeit. Dr. phil. Henrike Wolf, Projektkoordinatorin Mentoring-Programme am UK Aachen, weiß, dass dies die Ausnahme ist. Unter den Assistenzärztinnen gebe es hingegen eine große Zahl von Teilzeitkräften.
Teilzeit hat Nachteile
Teilzeit hat auch eine ganze Menge Nachteile, betont die Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbunds, Dr. Regine Rapp-Engels. Die Medizinerin mit reduzierter Stundenzahl werde beispielsweise vielfach belächelt. Auf die Karriere wirke sich negativ aus, dass die Weiterbildung in Teilzeit sehr langwierig sei. "Eine befristete Teilzeit nach der Babypause sollte der Karriere nicht schaden, so sie denn gewollt ist. Wichtiger sind aber Einrichtungen zur Kinderbetreuung mit flexiblen und erweiterten Öffnungszeiten", so Rapp-Engels. Der Ärztinnenbund befragte aufgrund unserer Anfrage seine Mitglieder zum Thema. Aus den Stellungnahmen geht mehr oder weniger hervor, dass die wenigsten Ärztinnen sich einen Chefarztposten in Teilzeit vorstellen können. Auch als Oberärztin sei eine 80%-Stelle nicht machbar. Es sei denn, dass sich die Stelle zwei Mediziner/innen teilen. Zu einem etwas anderen Ergebnis kommt eine parallel dazu durchgeführte anonyme Online-Befragung von career-women.org. Demnach befürworteten fast alle Ärztinnen, die abgestimmt haben, sowohl den Chefarzt- als auch den Oberarztposten in Teilzeit.
Chefarzt in Teilzeit geht nicht
PD Dr. med. Claudia Rudroff, Vollzeit-Chefärztin Allgemein- und Viszeralchirurgie am St. Augustinus-Krankenhaus in Düren, zwei Kinder, berichtet über ihre früheren Teilzeit-Erfahrungen: "Man macht nichts wirklich richtig und hat immer ein schlechtes Gewissen. Die Akzeptanz bei Kollegen und Vorgesetzten ist sehr gering". Ihr Credo lautet: "Chefarzt in Teilzeit geht nicht". Zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie wünscht sie sich u.a. eine Verbesserung der Ausbildung zum Facharzt bzw. dass der Arbeitgeber es belohnt, wenn Frauen mit Kindern integriert werden. Die Idee ist gar nicht so abwegig. In der Wirtschaft wird diese Option häufiger genutzt, um den Anteil an Frauen in Führungspositionen anzuheben.
Umdenken in der männlichen Ärzteschaft gefordert
Wir wollten wissen, wie lange Ärztinnen durchschnittlich in Teilzeit wegen Kindererziehung tätig sind. Der Geschäftsführer vom Marburger Bund Niedersachsen, Wolfgang Boss, spricht von 10 Jahren und mehr. Dass eine Frau nach einem Jahr Teilzeit wieder voll arbeitet, sei die Ausnahme. Häufiger seien drei Jahre. Der Grund sei, dass meistens die familiengerechten Rahmenbedingungen in den Einrichtungen fehlen. Das ändere sich zwar, aber sehr langsam. "Damit Medizinerinnen auch Karriere machen, müsste ein generelles Umdenken in der Ärzteschaft in punkto Familienphase stattfinden", ergänzt seine Vorsitzende Elke Buckisch-Urbanke. Vielleicht sind bei mehr Kooperation die Kinder bereits aus dem Gröbsten heraus, wenn Mutter Oberärztin oder Chefärztin wird? Die Frage nach der Teilzeit hätte sich dann fast erledigt.