Vitamin E ist die Mutter aller Antioxidanzien. Und wie andere Antioxidanzien schnitt es in kardiovaskulären Studien bisher nicht beeindruckend ab. Doch jetzt könnte ein Revival anstehen. Denn Vitamin E verbessert die Leberhistologie bei NASH.
Die nicht-alkoholische Steatohepatitis (NASH) ist eine noch recht junge Erkrankung. „Noch vor zehn Jahren haben wir das nicht wirklich ernst genommen“, sagt Professor Hubert Blum von der Klinik für Innere Medizin der Universität Freiburg. Mittlerweile allerdings hat sich die NASH in der Hepatologie etabliert. Das Konzept, wonach Überernährung zu einer nicht alkoholisch bedingten Leberverfettung führt, die wiederum zu Zirrhose und hepatozellulärem Karzinom fortschreiten kann, gilt als ziemlich belegt. Liegt nur eine Verfettung der Leber vor, reden Experten heute von einer nicht-alkoholischen Steatose oder von Non-Alcoholic Fatty Liver Disease (NAFLD). Finden sich histologische Zeichen einer Fettleberhepatitis, dann heißt die Chose NASH.
Randomisierte Studie: Vitamin E ist besser als Placebo
So weit, so klar. Trotzdem waren NAFLD und NASH bisher irgendwie unbefriedigende Erkrankungen, weil man sie im Alltag weder vernünftig diagnostizieren noch die Patienten vernünftig therapieren konnte. Auf diagnostischer Seite hat sich da auch wenig geändert. Eine Leberbiopsie kommt für das Patientenkollektiv, um das es geht, außerhalb von Studien nicht wirklich in Frage, denn diese Leute fühlen sich oft komplett gesund. Die Diagnose NAFLD/NASH wird heute deswegen praktisch immer auf einem Umweg gestellt: Ist im Ultraschall eine fette Leber sichtbar, für die es bei einem idealerweise übergewichtigen Patienten keine andere Erklärung gibt, also auch keine relevante Alkoholanamnese, dann nennt man das NAFLD. Kommt es zusätzlich zu einer Erhöhung der Leberwerte, wird eine NASH unterstellt.
Nachdem es bisher keine spezifische Therapie bei NAFLD/NASH gab, fielen die Probleme bei der Diagnose nicht sonderlich ins Gewicht. Das könnte sich allerdings ändern, denn jetzt gibt es eine Therapie, für die bei Patienten mit NASH ein Effekt belegt werden konnte. In einer großen, randomisiert-kontrollierten Studie wurden Pioglitazon, Vitamin E und Placebo bei NASH-Patienten verglichen. Wer aus dem Bauch heraus tippt, dass Pioglitazon das Rennen gemacht haben müsste, liegt falsch. Der Sieger im Dreierwettstreit, dessen Siegerehrung im New England Journal of Medicine stattfand, lautet: Vitamin E. In einer Dosis von zweimal täglich 400 IU verbesserte Vitamin E in der an der Virginia Commonwealth University angesiedelten Studie die nach 96 Wochen analysierte Leberhistologie im Vergleich zu Placebo hoch signifikant. Pioglitazon dagegen verfehlte diesen primären Endpunkt. Sowohl Vitamin E als auch Pioglitazon waren der Placebotherapie beim sekundären Endpunkt überlegen, der Verbesserung der biochemischen Leberparameter.
Aus kardiovaskulärer Sicht ist Skepsis angebracht
Was tun mit dieser Studie? „Bei einem Patienten mit sonographisch nachgewiesener Leberverfettung und einer Erhöhung der Leberwerte, die keine andere Ursache hat, würde ich derzeit auf Basis dieser Studie Vitamin E empfehlen“, sagt Blum. Die Studienleiter sehen das ähnlich: Sie weisen unter anderem darauf hin, dass Risiko eines durch Lebererkrankungen bedingten Todes bei NASH-Patienten um den Faktor 9 höher sei als bei gesunden Menschen. Das ist die eine Seite.
Das ist deswegen problematisch, weil Vitamin E in der Vergangenheit bei kardiovaskulären Risikopatienten mehrfach untersucht wurde. In einer großen Metaanalyse wurde dem Vitamin E – wie auch anderen Vitaminen – sogar bescheinigt, dass es die Mortalität erhöhen könnte, statt sie zu senken. Die Odds Ratio lag zwar nur bei 1.04, war aber dank kleinem Konfidenzintervall statistisch signifikant. Das letzte Wort zum Vitamin E liefert also auch die neue Studie nicht. Die Therapie bleibt umstritten.
Es gibt aber auch Argumente gegen das Vitamin. Zum einen hat Vitamin E zwar die Histologie bei NASH-Patienten verbessert. Effekte auf klinische Endpunkte allerdings wurden bisher nicht gezeigt. Hinzu kommt, dass die Studie aus Virginia ja nicht die erste Studie mit Vitamin E ist. Die Daten müssen also in der Gesamtschau betrachtet werden. Professor Matthew Armstrong vom Centre for Liver Research in Birmingham ist deswegen zurückhaltend: „Die Mehrheit der Patienten mit NASH hat metabolische Risikofaktoren und damit ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko“, so der Experte.