Ein gesunder Mensch sei nur ein schlecht untersuchter, so ein Bonmot, in dem viel Wahres steckt. Denn dank moderner Technik wird - wer sucht - meist fündig. Bestens geeignet dafür: Ultraschall. „Da halten wir doch mal rasch den Schallkopf drauf“, heißt es daher oft. Zu oft?
Ein Zuviel an Ultraschall sei praktisch nicht möglich, sagen Professor Dieter Nürnberg, Präsident der Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) und sein Kollege Dr. Hans Worlicek, Leiter der Arbeitsgemeinschaft „Ultraschall in der Praxis“ der DEGUM. Die Sonographie sei „beliebig“ wiederholbar und erspare manche aufwendige Diagnostik. Das Entgelt für die Ultraschalluntersuchung jedoch habe sich trotz der unstreitigen Vorteile und Fortschritte negativ entwickelt. Es stelle somit keinen finanziellen Anreiz dar. Beispielsweise erhalte der fachärztliche Internist beziehungsweise Gastroenterologe „als zuständiger Spezialist für den Bauchraum für die Untersuchung € 12,22 (€-EBM Ziffer 33042, KV Bayern 3/09), d.h. pro Organ zwischen 1 € und 1,75 €, wenn er standardmäßig Leber, Gallenblase, Gallenwege, Pankreas, Milz, Nieren untersucht bzw. fakultativ zusätzlich Lymphknoten, Darm, Magen, Blutgefäße und Bauchhöhle“.
In dieser Situation, so die DEGUM, werde der Ultraschall sogar defizitär, ein Problem, das bei Einsatz von teuren Hochleistungsgeräten nochmals verschärft werde. Der Internist mit spezieller Zulassung für Gefäßuntersuchungen könne etwa weitere 25 € erhalten. Nicht besser sei die Situation etwa bei Hausarzt-Internisten, Allgemeinärzten, Kinderärzten, Urologen oder Gynäkologen. Ein ganz anderes Problem sei die Qualität sonographischer Untersuchungen. Hier muss laut DEGUM tatsächlich mehr getan werden, um die Ausbildung der jungen Ärzte zu verbessern.
Die übliche Kritik: IGeL überwiegend überflüssig
Für die Ultraschall-Diagnostik als Leistung der Gesetzlichen Krankenkassen mag das ja zutreffen, werden Kritiker sagen. Doch etwas anderes sei es eben, wenn es um Selbstzahlerleistungen gehe. Da werde doch überwiegend Schindluder getrieben, heißt es immer wieder. Der Spiegel-Journalist Jörg Blech etwa bezeichnet IGeL als „intransparentes Gemisch entbehrlicher Leistungen“. Sein Kollege von der „Süddeutschen Zeitung“, der Mediziner Dr. Werner Bartens, definiert „IGeLn“ ebenfalls als „Angebot von unnötigen und unwirksamen Untersuchungen und Behandlungen, die von den Patienten aus eigener Tasche bezahlt werden müssen“. Und auch für Wolfgang Schuldzinski von der Verbraucherzentrale NRW sind die meisten solcher Zusatzangebote entweder „nicht zwingend erforderlich“, „schlicht überflüssig“ oder gar „medizinisch fragwürdig“. „Einige der ärztlichen Zusatzleistungen sind durchaus nützlich, wie die reisemedizinische Beratung. Viele sind jedoch überflüssig. Einzelne Angebote sind dagegen medizinisch umstritten und können sogar gesundheitsschädlich sein“, heißt es bei der AOK.
Der Ganzköpercheck: Wer suchet, der findet
Ein kleine Recherche allein zum Thema Vorsorge scheint den Kritikern Recht zu geben: Es gibt kaum noch Organe oder Laborparameter, für die kein „Gesundheitscheck“ angeboten wird. Das Spektrum reicht vom „Laborcheck“ mit großem Blutbild und umfassender Stoffwechselbeurteilung über den „Prostata-, Herz- und Sonocheck bis hin zum kernspintomographischen Ganzkörper- und auch dem kompletten Gesundheitscheck - einschließlich Messung des Sauerstoffgehalts im Blut. Der Eindruck, hier gehe es nicht immer primär um das Wohl der Patienten, kann da schon entstehen. Das sei halt wie die Inspektion beim Auto oder das Abwarten eines Funktionsausfalls beim Fahrzeug und der Wunsch der Reparatur, sagt ein niedergelassener Kollege. In ersten Fall versuche man, „künftigen Ärger zu vermeiden, im anderen Fall den stattgehabten Ärger zu beheben. Der eine hält es so, der andere so“.
Die Brust-Sono - ein Fortschritt, aber trotzdem IGeL
Die Gleichsetzung der Selbstzahlerleistungen mit "unwirksam" und "Geldmacherei" ist bei aller auch berechtigten Kritik allerdings sehr pauschal, um nicht zu sagen etwas platt. Denn für einige der Leistungen gibt es relativ unstreitige Belege für ihre Wirksamkeit. Die Biofeedback-Therapie bei Kopfschmerzen ist nur ein Beispiel dafür. Ein weiteres aktuelles Beispiel ist die Mamma-Sonographie. Sie dient als additives diagnostisches Mittel, um bei unklaren Mammographie-Befunden zusätzlich Klarheit zu schaffen. Bei jungen Frauen wird sie auch als erstes bildgebendes Verfahren eingesetzt, da deren Brustgewebe relativ dicht und in der Mammographie oft schlecht darstellbar ist. Die Ultraschalluntersuchung der Brust ist neben der Mammographie das wichtigste bildgebende Verfahren; sie ist allerdings zur Früherkennung nur eine Selbstzahlerleistung – zu Unrecht angesichts der technischen Fortschritte, sagt etwa Professor Helmut Madjar von der Deutschen Klinik für Diagnostik (DKD) in Wiesbaden. Laut Madjar haben die Ergebnisse einer gemeinsamen Studie mit dem Berufsverband für Frauenärzte in Wiesbaden zum Beispiel gezeigt, dass jedes fünfte operierte Mammakarzinom von niedergelassenen Frauenärzten primär bei einer Ultraschall-Untersuchung entdeckt wird.
2007 waren dies in der DKD 21 von 86 operierten Mammakarzinomen, und acht von 41 gutartigen Tumoren. „Dies entspricht einer Steigerung der Krebserkennung um 24 Prozent ausschließlich durch den Ultraschall. Die Zahl der Fehlalarme, also der falsch-positiven Befunde, ist darüber hinaus geringer als von den Leitlinien gefordert“, erklärt Madjar. Die beim Ultraschall entdeckten Tumoren hätten sich fast alle in einem frühen Stadium mit besten Heilungschancen befunden. „Keiner der Tumore war tastbar. Die meisten waren auch auf einer nachträglich durchgeführten Mammographie nicht erkennbar”, so Madjar.
Plädoyer für Brust-Sono zur Früherkennung
Die DEGUM befürwortet inzwischen sogar den verstärkten Einsatz der Sonographie in der Brustkrebsfrüherkennung. Denn mehrere Studien zeigten, so eine aktuelle Stellungnahme der DEGUM, „dass eine Ultraschalluntersuchung Brustkrebs oft entdeckt, wenn der Tumor noch nicht tastbar und häufig auch im Röntgenbild noch nicht sichtbar ist. Dies trifft besonders häufig bei Frauen mit dichtem Brustgewebe zu“ - und bei jungen Frauen. Selbstverständlich, so die DEGUM, setze eine erfolgreiche Früherkennung diagnostische Geräte auf aktuellem technischem Stand und ein hohes Ausbildungsniveau der untersuchenden Ärzte voraus. Die Untersuchung wird bislang jedoch weder flächendeckend noch mit einheitlichen Qualitätsstandards angeboten.
Auch die Ultraschall-Expertin Dr. Natalie Wöhrle von der Universität München kommt in einer bislang nur online publizierten Studie zu hochauflösenden Ultraschall-Verfahren zu dem Schluss: „Mit der Entwicklung hochfrequenter Schallköpfe und neuartiger Untersuchungstechniken hat sich die Sonographie der Mamma zu einer zunehmend eigenständigen Untersuchungsmethode entwickelt.“ Wie lange es noch dauert, bis der Gemeinsame Bundesausschuss diesen Fortschritt wahrnimmt, ist allerdings ein anderes Thema.