Patienten mit Lupus erythematodes ist ihre Autoimmunerkrankung häufig ins Gesicht geschrieben. Dementsprechend groß ist der Leidensdruck. Zum Glück stehen zahlreiche therapeutische Optionen zur Verfügung.
Das menschliche Immunsystem leistet Tag für Tag Schwerstarbeit. Es schützt meist zuverlässig vor viralen und bakteriellen Eindringlingen. Gerät dieser Prozess aber außer Kontrolle, wird körpereigenes Gewebe angegriffen und zerstört. Zu diesen Autoimmunerkrankungen gehört auch der systemische Lupus erythematodes (SLE) – in Deutschland leiden geschätzte 40.000 Patienten daran.
Vertraut und doch so fremd
Wie es zu der Erkrankung kommt, konnten Wissenschaftler bis heute nicht definitiv klären. Als mögliche Ursachen werden neben genetischen Faktoren Umwelteinflüsse, etwa UV-Strahlung oder Infektionen mit Viren in Betracht gezogen. Sie führen zum kontrollierten Zelltod, sprich Apoptose, und damit zur Freisetzung von Erbgut und Eiweißen. „Freie DNA im Zytoplasma einer Zelle stammt meist von Krankheitserregern, also Bakterien“, so Prof. Dr. Veit Hornung von der Universität Bonn. Seine Arbeitsgruppe hat einen molekularen Schalter entdeckt, der im Körper als Alarmanlage fungiert. Einmal durch freie Erbgutmoleküle aktiviert, entstehen Botenstoffe wie Interleukine, die körpereigene Abwehrtruppen in Form von Zellen des Immunsystems anlocken. Hornung hält es für möglich, dass SLE aufgrund einer Fehlsteuerung dieses Schalters ausgelöst werden kann – das Immunsystem interpretiert körpereigene Bausteine als bedrohlich und startet mit deren Bekämpfung. Könnte man überaktive Regler gezielt beeinflussen, ließe sich die falsche positive Reaktion eindämmen.
Absterbende Zellen setzen ebenfalls Nukleosomen, also DNA-Eiweiß-Pakete, frei. An diese hängt sich kurzerhand das Molekül HMGB1 und aktiviert das Immunsystem. Nicht überraschend: Auch hier kommt es zur Freisetzung von Botenstoffen, speziell Zytokinen, und die Entzündung flammt auf, so die Erkenntnis einer Arbeitsgruppe an der Uni Erlangen-Nürnberg um PD Dr. Reinhard Voll.
Forscher der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster kamen einem anderen molekularbiologischen Mechanismus auf die Schliche. Sie entdeckten eine Verbindung zwischen Kalzium-bindenden Eiweißen und T-Zellen, also wichtigen Spezies des Immunsystems. Bei SLE-Patienten produziert der Körper diese speziellen Proteine im Übermaß. Docken sie an Bindungsstellen der T-Zellen an, entsteht der körpereigene Botenstoff Interleukin-17, und die Gewebezerstörung beginnt.
Im Netz verfangen
Dass Lupus erythematodes durch ein Versagen der Nieren tödlich enden kann, ist schon lange bekannt. Wie es dazu kommt, entdeckten jetzt Forscher des Max Planck-Instituts für Infektionsbiologie und der Universität Erlangen. Weiße Blutkörperchen senden nämlich während einer Infektionsphase ein Netz aus, um Krankheitserreger einzufangen und schließlich zu inaktivieren. Ist der Infekt erfolgreich abgewehrt, sorgt das Enzym DNase-1 für den raschen Abbau der Strukturen. Nicht so bei SLE-Patienten: Ihnen fehlt das Enzym, oder es ist blockiert. An die Fangnetze binden schließlich körpereigene Antikörper, und die entstehenden Komplexe lagern sich im Gewebe ab. Mittelfristig stellen die Nieren dann ihren Dienst ein.
Frauen benachteiligt
Ein Team um Prof. Dr. Oliver Werz, Universität Tübingen, ging der Frage nach, warum SLE und andere Autoimmunerkrankungen neunmal häufiger bei Frauen als bei Männern auftreten. Die Forscher kamen dabei den Leukotrienen auf die Spur, kleinen Molekülen mit mehreren Doppelbindungen, die in weißen Blutkörperchen gebildet werden. Der Knackpunkt: Ein für die Synthese entscheidendes Enzym ist unterschiedlich zwischen den Geschlechtern verteilt. Die Tübinger Forschergruppe konnte nachweisen, dass der Effekt auf einer bei Männern anders ablaufenden Aktivierung von Signalwegen durch männliche Sexualhormone beruht.
Holzhammer – oder selektive Therapie?
Lupus erythematodes hat viele Gesichter – die Symptome reichen von Lichtempfindlichkeit und Hautausschlägen über Gelenk- und Muskelschmerzen bis hin zu Fieber und chronischer Müdigkeit. Gefährlich wird die Erkrankung vor allem durch ein mögliches Multiorganversagen: Greift die Entzündung erst einmal auf das Herz, die Lungen, die Nieren oder das Gehirn über, muss massiv interveniert werden. Das Problem daran: SLE verläuft schubweise. Nach einer Krankheitsphase geht es den Betroffenen zwar wieder besser, jedoch nicht so gut wie davor. Allein diese kontinuierliche Verschlimmerung macht ein therapeutisches Eingreifen extrem wichtig.
Dabei richtet sich die Behandlung nach dem Schweregrad der Entzündung. In leichten Fällen kommen nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) zum Einsatz. Bei einer stärkeren Autoimmunerkrankung greifen Fachärzte gleich zu Immunsuppressiva, häufig in Kombination mit Cortison. Allerdings haben diese Arzneimittel einen entscheidenden Nachteil: Sie unterdrücken die körpereigene Immunantwort ohne Rücksicht auf Verluste. Hier sind Forscher des Universitätsklinikums Tübingen einen entscheidenden Schritt voran gekommen. Ihre Erkenntnis: In weißen Blutkörperchen kann das Schlüsselenzym mit dem kryptischen Namen PI3K-gamma mit seinen diversen Untereinheiten ganz verschiedene Vorgänge steuern. Jetzt gilt es, Wirkstoffe zu finden, die eine überbordende Reaktion des Immunsystems hemmen, ohne dass es zu einer vollständigen Unterdrückung der Immunantwort auf Eindringlinge kommt.
Ein Klassiker kehrt zurück
Kaum ein Arzneistoff kann auf eine derart wechselvolle Geschichte wie Thalidomid (Contergan ®) zurückblicken. Wegen seiner teratogenen Wirkung einst in Verruf geraten, haben Forscher in den letzten Jahren unter anderem ein therapeutisches Potenzial beim multiplen Myelom nachgewiesen. Aber auch eine entzündungshemmende Wirkung, hilfreich gegen Autoimmunerkrankungen, zeigte sich in Studien. Die zuverlässige Empfängnisverhütung vor und während der Behandlung ist dabei obligatorisch.
Gute Antikörper, schlechte Antikörper
Hat ein Eiweiß in der Zelle nichts mehr verloren, etwa weil es defekt ist, kommt das Proteasom zum Zuge: ein molekularer Häcksler, der Proteine in kleine, wieder verwertbare Bruchstücke zerlegt. Durch den Hemmstoff Bortezomib kann dieser Prozess unterbunden werden, entdeckten Wissenschaftlern der Universität Erlangen-Nürnberg. Ursprünglich beim multiplen Myelom eingesetzt, leistet Bortezomib damit auch beim SLE wertvolle Dienste: Diese molekulare Klemme dreht vor allem den besonders eiweißhungrigen, ansonsten therapeutisch kaum zu erreichenden Plasmazellen den Hahn zu. Fehlt der Nachschub an Ausgangsmaterial, stellen sie keine Antikörper mehr her. Damit verringerte sich zumindest im Tierversuch sowohl die Zahl der Antikörper als auch die Proteinkonzentration im Urin. Und die langlebigen Plasmazellen, ansonsten kaum einer Behandlungsmethode zugänglich, wurden vollständig eliminiert.
Ein humaner, monoklonaler Antikörper machte schon im Vorfeld seiner Zulassung Furore: Mit Belimumab (Benlysta ®) haben die beiden Firmen Human Genome Sciences und GlaxoSmithKline die Zulassung eines Therapeutikums bei SLE beantragt. Belimumab hemmt vor allem die Bildung eines Eiweißes, das für Reifungsprozesse von Immunzellen verantwortlich ist. Damit entstehen letztlich weniger aggressive Antikörper, die sich gegen den eigenen Körper richten können. Positive Ergebnisse erzielten die Forscher bei zwei klinischen Studien der Phase III mit insgesamt 1.684 SLE-Patienten.
Jetzt soll es schnell gehen: Die Food and Drug Administration (FDA) bewilligte für Belimumab das „Überholspur-Zulassungsverfahren“ (Priority Review Designation). Gründe für diesen beschleunigten Prozess sehen Experten vor allem im wesentlichen Fortschritt bei der Behandlung von SLE sowie im derzeitigen Fehlen adäquater Therapien. Auch bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) wurde die Zulassung beantragt. Mit einer Entscheidung der FDA ist bereits am 9. Dezember dieses Jahres zu rechnen.
Dieses Thema wurde vorgeschlagen von unserer Leserin: