In den meisten Fällen sind Krampfadern eine Folge geweiteter Leistenvenen. Bei einigen Frauen jedoch nimmt das versackende Blut einen Umweg über die Venen des kleinen Beckens. Forscher haben einen Bluttest entwickelt, mit dem das Leiden erkannt werden kann.
Wenn Frauen über Schmerzen im Bauch oder Schambereich leiden, können Krampfadern die Ursache sein. Diese entstehen, wenn sich Venen im Bereich des kleinen Beckens weiten und das Blut nicht mehr zum Herz fließt. Das Blut staut sich und sackt vom Unterleib aus ab in die Beine, sowohl in den Genitalien als auch an den Innenseiten der Beine können sich dadurch Krampfadern entwickeln. Die so genannte pelvine Insuffizienz betrifft rund fünf Prozent der Frauen, die an Krampfadern leiden. Die Betroffenen haben oft Beschwerden beim Sitzen oder beim Geschlechtsverkehr, fast immer treten im Bereich der Schamlippen sehr große Krampfadern auf. Es ist, vor allem bei älteren Patientinnen, ein mit viel Scham behaftetes Krankheitsbild. Die Ursache der pelvinen Insuffizienz liegt wie bei anderen Krampfaderleiden hauptsächlich in einer angeborenen Bindegewebsschwäche.
Blut in Beinvenen enthält viel Östrogen
Die Erkrankung wird sehr häufig nicht erkannt und deswegen oft falsch behandelt. Ein neuer, einfach zu handhabender Bluttest könnte nun Abhilfe schaffen. Er wurde von einem Forscherteam um Professor Achim Mumme am Klinikum der Ruhr-Universität Bochum entwickelt. „Wir nutzen einfach den Umstand aus, dass das Blut bei der pelvinen Insuffizienz viel Östrogen enthält“, sagt Mumme, der Direktor der Klinik für Gefäßchirurgie ist. Das Hormon wird vom Blut aus den Eierstöcken aufgenommen, wenn es durch die Ovarialvene strömt. Normalerweise würde das östrogenhaltige Blut über die Nieren zurück zum Herzen fließen und sich dort wieder mit anderem Blut vermischen, so dass der Hormonspiegel in Armen und Beinen gleich ist. Sackt es aber in die falsche Richtung, steigt in den Beinvenen der Hormonspiegel deutlich an.
Ein Vergleich der beiden Hormonspiegel im Blut aus einer Armvene und einer Krampfader könne deswegen, so Mumme, den Verdacht auf eine pelvine Insuffizienz erhärten. Um die Krankheit zu erkennen, war bislang eine aufwändige und teure Diagnostik nötig. „Die Patientinnen mussten nach der Gabe eines Kontrastmittels durch einen Katheter in der Leiste geröntgt werden“, erklärt Mumme. „Diese Prozedur, auch als Phlebographie bekannt, ist nur in spezialisierten Kliniken möglich und schreckt viele Betroffene ab.“ Der neue Test dagegen sei einfach und könne Patientinnen die belastende Röntgenuntersuchung mit Kontrastmitteln ersparen.
Nur kleine Studie
Wie er und seine Kollegen im Fachblatt European Journal for Vascular and Endovascular Surgery berichten, haben sie die Wirksamkeit des neuen Tests im Rahmen einer kleinen Studie überprüft. An ihr nahmen 40 Frauen im gebärfähigen Alter teil, die an Funktionsstörungen der großen oberflächlichen Stammvenen litten. Die Testpersonen mussten sich sowohl einer Duplexsonographie als auch einer Phlebographie unterziehen. Bei 19 Patientinnen zeigten sich krankhaft veränderte Venen im Bereich des kleinen Beckens, während die anderen 21 Patientinnen nicht davon betroffen waren. Anschließend maßen die Wissenschaftler bei allen Frauen den Östrogenspiegel in den oberen und unteren Extremitäten.
Im Vergleich zur Kontrollgruppe zeigte sich, dass die Hormonmenge in den Beinvenen bei den Patientinnen mit einer pelvinen Insuffizienz deutlich erhöht war. Besonders deutlich wurde der Unterschied zwischen den beiden Gruppen, wenn man den Quotient aus beiden Östrogenkonzentrationen bildete: In der Gruppe betrug der Quotient durchschnittlich 1.9 und in der Kontrollgruppe 1.1. Zur einfacheren Handhabung für den Routineeinsatz in Kliniken, hat das Bochumer Ärzteteam einen Grenzwert für den Quotienten festgelegt. Überschreite der Quotient den Wert von 1.4, so Mumme, sollte die Testperson an einer pelvinen Insuffizienz erkrankt sein; bei Werten darunter sollten keine Veränderungen der Venen im Bereich des kleinen Beckens vorliegen.
Neuer Test spart Kosten
Im Klinikum der Ruhr-Universität Bochum hat der neue Test im klinischen Alltag schon Einzug gehalten: „Unser Ziel ist es jetzt, mit dem Bluttest schneller als bisher die Patientinnen zu identifizieren, die tatsächlich an einer pelvinen Insuffizienz erkrankt sind“, sagt Mumme. „Das erspart den Betroffenen unnötige Untersuchungen und uns unnötige Kosten, da die neue Methode um einiges billiger als die klassische Phlebographie ist.“ Habe sich durch Vergleich der beiden Hormonspiegel der Verdacht auf eine pelvine Insuffizienz erhärtet, könne man, so der Mediziner, immer noch die aufwändigen Untersuchungen anschließen und in deren Verlauf auch gleich die betroffenen Venen veröden oder mit Platinspiralen verschließen.
Auch andere Experten überzeugt der neue Test: „Das ist eine gute Idee mit einem einfachen Prozedere“, findet Professor Markus Stücker, Dermatologe an der Ruhr-Universität Bochum und Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie. „Der Test ist sinnvoll, da die bisherige radiologische Untersuchung mit Kontrastmitteln sehr kostenintensiv und mit Radioaktivität verbunden ist.“ Allerdings, plädiert Stücker, sollte man den Einsatz des neuen Tests langsam aufbauen, da sich aufgrund der geringen Teilnehmerzahl in der Studie noch zeigen müsse, wie genau der Test tatsächlich sei.