Im PJ geht es für Medizinstudenten richtig mit der Praxis los: Lange Tage in der Klinik und echte Patientenfälle erwarten die angehenden Ärzte. Aber trotz der Arbeit, die sie verrichten, werden viele PJler nicht dafür bezahlt. Ein ungerechtes System oder der Preis für die Ausbildung?
Die Einen bekommen ihr Praktisches Jahr bezahlt, die Anderen gehen leer aus. Die Beträge liegen zwischen 300 und 700 Euro, und schon so mancher hat sich den selbstgeißelnden Spaß erlaubt, seinen Stundenlohn auszurechnen, um dann enttäuscht und klagend mit dem Finger darauf zeigen zu können. Doch das PJ gehört zur Ausbildung, warum also sollte man überhaupt einen Anspruch auf Bezahlung erheben? Wir haben uns in Halle und Leipzig ein bisschen umgehört und teils überraschende Antworten erhalten.
Im Grunde ist es ja eine einmalige Situation, dass Medizinstudenten im Rahmen ihres Studiums teilweise Geld dafür bekommen, dass sie an "Lehrveranstaltungen" teilnehmen. Formal klingt das erstmal gut, bei Licht betrachtet hat dieses System jedoch seine Mängel: Was gemeinhin unter Ausbildung läuft, entpuppt sich vielerorts als an Ausbeutung grenzende Nutzung billiger Arbeitskraft. Das ist eine überspitzte Formulierung, doch allzu oft ist der Alltag im letzten Studienjahr von unzähligen Blutentnahmen, Anamnesen und Telefonjobs geprägt. Da wirken die 2,50 Euro Stundenlohn tatsächlich wie blanker Hohn.
"Ein PJler, der so viel Blut abnehmen muss, dass er nicht mit zur Visite kann, sollte auf jeden Fall bezahlt werden", sagt Johanna Janssen, Assistenzärztin der Inneren Medizin in einem halleschen Krankenhaus. "Und eine Klinik, die mit der Bezahlung ihr schlechtes Gewissen über die PJler-Ausbildung beruhigt, sollte vielleicht überdenken, ob sie wirklich Lehrkrankenhaus sein möchte." Andererseits, fügt sie an, sei selbst die langweilige Alltagsarbeit ein wichtiger Teil der Ausbildung, denn im späteren Berufsalltag sehe man ja auch nicht ständig spannende Fälle.
Mangelhafte Ausbildung
Der Knackpunkt scheint also die oftmals mangelhafte Ausbildung während des PJs zu sein. Viele Studenten beklagen, dass sie wegen der ihnen zugewiesenen Aufgaben oft nicht an den Visiten teilnehmen können. Andere berichten, dass der vorgeschriebene PJ-Unterricht gar nicht oder nur auf mehrfache Nachfrage stattgefunden hätte. Dabei vertrete eine große Mehrheit die Auffassung, dass sie gerne bereit wären, auf eine Vergütung zu verzichten, wenn sie im Gegenzug eine gute Ausbildung erhielten, erklärt Sarah Dühring, die derzeit ihr 2. Tertial im Klinikum St. Georg in Leipzig absolviert. Ihr "Arbeitgeber" hat in den letzten Jahren einen deutlichen Verlust an PJlern hinnehmen müssen, da viele Studenten in periphere Häuser wie die Helios Klinik in Borna und das Klinikum Chemnitz gGmbH, die eine Vergütung von bis zu 700 Euro (Borna) anbieten, abgewandert sind. "Die Problematik ist, dass das praktische Jahr in seiner Ausrichtung dem Lehrauftrag meist nicht gerecht wird", erläutert Sarah, "somit liegt letztendlich ein unter- oder unbezahltes Arbeitsverhältnis vor." Das St. Georg versucht das Recht auf Lehre im PJ mit einem Unterschriftenzettel für die besuchten Lehrveranstaltungen zu stärken. So fällt es den Studenten leichter, von ihren Stationen freigestellt zu werden.
In einigen Kliniken scheint jedoch das Bewusstsein zu fehlen, dass die PJler zum Lernen und nicht zum Abarbeiten unbeliebter Aufgaben da sind. Werden die Studenten als billige Arbeitskräfte "missbraucht", legitimiert sich der Anspruch auf ein Entgelt, zumal die Studenten tatsächlich geldwerte Leistungen erbringen. Gerade in Zeiten des Ärztemangels würden die PJler häufig die Stelle eines fehlenden Assistenzarztes einnehmen, sagt Kristina J. (Name auf Wunsch geändert), zurzeit PJlerin in der Klinik für Innere Medizin in der BG- Klinik Bergmannstrost Halle. "In diesem Zusammenhang", fährt sie fort, "gelten für uns die gleichen oder ähnliche Arbeitszeiten mit verantwortungsvollen Aufgaben, ohne das gleiche Gehalt zu erhalten." Viele ihrer Kommilitonen fühlten wenig Dankbarkeit und Anerkennung. Insgesamt, so Kristina, sollte durchgesetzt werden, dass jeder Geld für seine Leistung erhalte und nicht nur ausgewählte Krankenhäuser zahlten.
Flächendeckende Zahlungen könnten das Problem lösen
Im Moment haben die Häuser in dieser Hinsicht freie Hand, doch manchen Chefärzten sind von der Verwaltung die Hände gebunden. So zum Beispiel Dr. Ralf Heine, dem Chef der Klinik für Innere Medizin I des Diakoniekrankenhauses Halle. Er kann seinen PJlern kein Geld bieten, legt aber umso mehr Wert auf eine gute Ausbildung. In der aktuellen Praxis sieht er auch eine Wettbewerbsverzerrung: "Ich bin nicht dafür, den PJlern willkürlich Geld zu geben. Da müssen generelle Regelungen geschaffen werden. Sie sollten Geld bekommen, aber flächendeckend, damit wieder die Qualität der Ausbildung gegenüber materiellen Anreizen bei der Wahl des Hauses im Vordergrund steht." Heine geht dabei noch viel weiter: "Es sollte eigentlich so sein, wie wir das damals im Osten hatten. Dort galten wir als ärztliche Mitarbeiter und haben ein volles Arztgehalt bekommen." Wenn man heute aus Gründen der Finanzknappheit ein solches Gehalt nicht zahlen könne, erläutert er, dann solle wenigstens ein Gehalt in Höhe des ehemaligen AIP (Arzt im Praktikum) möglich sein.
Es ist die Frage, ob man wirklich so weit gehen muss, immerhin tragen PJler noch nicht die juristische Verantwortung der Assistenten. Aber Heine hat insofern Recht, dass die gängige Praxis dazu führt, dass einige Studenten dem Geld und nicht dem Ruf eines Hauses folgen. Vor allem abgelegene Krankenhäuser nutzen dieses Mittel um ihren Standortnachteil auszugleichen. Nicht immer sollte dann gleich eine schlechte Lehre unterstellt werden. Gerüchteweise gibt es sogar Kliniken, die ihren PJlern bis zu 1000 Euro zahlen, wenn sie sich zu einer anschließenden Assistenztätigkeit verpflichten. Der Ärztemangel bringt die merkwürdigsten Konzepte hervor, siehe auch das viel diskutierte Landarztmodell von Gesundheitsminister Rösler.
Fazit
Am Ende läuft alles wieder einmal auf eine Verbesserung der Ausbildungssituation hinaus. Ist diese zufriedenstellend, verlangt das PJ nicht zwangsläufig nach einer Vergütung. Doch wird es vermutlich über kurz oder lang dazu kommen. Sei es, weil die Nichtzahler aus Konkurrenzgründen nachziehen, oder weil eine generelle Regelung dies vorschreibt. Neben den Auswirkungen auf die Motivation der PJler sollte man dabei auch an all diejenigen denken, die sich ihr Studium selbst finanzieren und im PJ nicht mehr arbeiten gehen können.