Ein Student im Praktischen Jahr hat es nicht leicht: Aus der sicheren Deckung der Uni gerät er plötzlich in das komplizierte soziale Gefüge einer Station. Zum Glück kennen wir uns aus und können Euch hier auf die natürlichen Feinde jeden PJlers vorbereiten.
1. Der Patient
Der Patient ist Euer Hauptfeind im PJ, denn er verursacht Arbeit. Sind zu viele oder die falschen Patienten da, potenziert sich das schlimme Wort mit A. A steht hierbei auch für Anamnesen, die man ja sowohl im Studium als auch in den Famulaturen schon oft genug gemacht hat. Zwar behaupten vor allem ältere Oberärzte (siehe unten) hartnäckig, dass eine gute Anamnese 90 Prozent der Diagnosefindung ausmachen würde, aber seien wir mal ehrlich: Wer würde die unaufhörlich quasselnde Psychosomatikerin nicht gern sofort in ein schallgeschützes Ganzkörper-CT abschieben wollen?
2. Der Jungassistent
Der nette Kollege, den man vom Sehen noch aus der Bib kennt, ist auf einmal Euer direkter Vorgesetzter und soll Euch was beibringen. Alle freuen sich, weil man sich kennt, doch die Sache hat einen klaren Haken: Bei nahezu gleicher Arbeit bekommt der Jungassistent einen Batzen Geld dafür, dass er genau wie Ihr krampfhaft versucht, niemanden umzubringen. Außerdem könnt Ihr sicher sein, dass hinter Sätzen wie "Du bist Gold wert!" oder "Wüsst’ gar nicht, was ich ohne Dich tun sollte!" lediglich der küchenpsychologische Motivationsversuch steckt, die lästigen Randarbeiten seiner chaotischen Welt auf Dich abzuwälzen.
3. Der fleißige Mitstudent
Diese – mit Verlaub – häufig weibliche Spezies verdirbt mit ihrem übereifrigen Verhalten die Preise. Nach 16 Uhr sind Sätze wie "Klar kann ich das noch machen!" oder "Sollten wir nicht noch auf die Stationsärztin warten?" absolut zu meiden, will man nicht in den Ruf geraten, dass die Station auch ohne die eigentlichen Ärzte läuft. Leider zieht der (über)fleißige Student seine Befriedigung aus dem vorweg genommenen Assistenten-Martyrium. Dieser vorauseilende Gehorsam wird oft als besonderer Wissensdurst missverstanden und mündet in einem kollektiv schlechten Gewissen, wenn man einfach mal um zwei nach Hause gehen kann und möchte.
4. Der faule Mitstudent
Der faule Mitstudent ist genauso, wenn nicht sogar noch schlimmer als der fleißige. Immer wenn die Luft brennt, ist er sehr wahrscheinlich gerade rauchen oder "schwer beschäftigt". Seine häufige Abwesenheit durch Krankheit oder ähnliches ist jedoch oftmals besser zu ertragen, als das unzufriedene Nörgeln und die Tatsache, dass man ihn um jeden Handschlag dreimal bitten muss. Selbst als durchschnittlich motivierter Student fragt man sich, warum diese Menschen Medizin studiert haben.
5. Die Stationsschwester aka Der Drachen
Gerüchteweise soll es tatsächlich Stationen geben, auf denen PJler wie ärztliches Personal behandelt werden; für alle anderen Stationen sei jedoch ausdrücklich vor den totalitären Regimes alteingesessener Stationsschwestern gewarnt. Sie führen ihren Laden mit eiserner Hand, und man sollte sich von Anfang an auf keinerlei Diskussion einlassen. Dieser Krieg ist nicht zu gewinnen, da der Gegner auch gegenüber chefärztlichen Anweisungen absolute Immunität genießt. Hier gilt es vielmehr, Sympathie mit einem Kuchen, Frühstücksbeilagen sowie regelmäßigem "Mitanfassen" beim Betten zu erringen. Auf ärztlichen Standesdünkel schon als PJler steht im Übrigen die Todesstrafe.
6. Die hübsche Krankenschwester
Das Folgende ist auf männliche Leser gemünzt, da diese Kombination einfach häufiger ist: "Die hübsche Krankenschwester" meint dabei nicht die ganz jungen Dinger, die mit ihren 17 Jahren zwar nett aussehen, aber eigentlich nur grinsend oder schüchtern in der Ecke stehen. Nein, die Rede ist von der Mittzwanzigerin, deren Parfum und souverän laszives Auftreten Gedanken an Intimitäten in einem gemeinsamen Nachtdienst aufkommen lassen. Diese schlauen Verführerinnen wissen genau, was sie machen müssen, um männliche Blicke auf sich zu ziehen. Bisweilen suchen sie unter den angehenden Ärzten sogar einen Mann fürs Leben und damit die Chance, sich sozial zu verbessern. Die Entscheidung über eine mögliche Kontaktaufnahme Eurerseits ist vom Einzelfall abhängig.
7. Die Famulanten
Eigentlich sind diese vorsichtig auf Station umhertapsenden Wesen harmlos, bisweilen neigen sie jedoch zur Übereifrigkeit, was das ausgewogene System zwischen zu viel und zu wenig Arbeit für die PJler durcheinander bringen kann. Wenn Ihr Glück habt, ist es nicht die erste Famulatur Eures "Greenhorns" und so etwas wie Blutabnehmen ist bekannt. Denn eines ist klar: Die Ausbildung der Famulanten bleibt an Euch hängen. Das anfängliche tolle Überlegenheitsgefühl, das sich beim Erklären einfachster klinischer Abläufe einstellt, kann dabei rapide in Konkurrenz umschlagen, wenn die Famulanten begehrte Assistenzen im OP oder der Endoskopie für sich in Anspruch nehmen.
8. Der Oberarzt
Es gibt sie in jedem Krankenhaus: Die alten weisen Männer und Frauen, die schon alles gesehen und erlebt haben. Ihr Oberarztstatus verleiht ihnen eine Aura der Unantastbarkeit, so dass ihre "Früher haben wir noch richtig gearbeitet"-Geschichten nicht offiziell hinterfragt werden können. Tatsächlich sind sie häufig erst in den Vierzigern, was sie nicht davon abhält, hartnäckig zu behaupten, dass sie schon als PJler ganze Wochenenden lang die Station allein geschmissen hätten; ohne den ganzen Geräteschnickschnack, versteht sich. Früher war eben alles besser, und Ihr seid eine Generation von Weicheiern, findet Euch damit ab.
9. Die argusäugige OP-Schwester
Für viele ist der OP das Ziel ihrer Träume. Ein meditatives Refugium fernab der Hektik des Stationsalltages. Tatsächlich wird es einige unter Euch geben, die reibungslos in diese voll automatisierte Welt eintauchen und die Regeln der anonymen Roboter namens OP- Schwestern wortlos (denn geredet wird ja nicht viel, eher laut) in die Wiege gelegt bekommen haben. Doch die Masse, vor allem die, die sich Typ Internist nennen würden, fühlen sich an ihren ersten OP-Tagen häufig wie der Wirklichkeit gewordene Albtraum eines jeden Hygienebeauftragten. Unter dem strengen Blick der OP-Schwester schwitzen sie sich durch ihre ersten Assistenzen, immer zwanghaft darauf bedacht, nirgends anzustoßen, um sich dann in einem kurzen Moment der Unaufmerksamkeit doch im Gesicht zu kratzen. Schwester Linda kreischt "Unsteril!" und schon hat man bei ihr verspielt. Tage später versucht man mit einem Scherz die Stimmung im OP zu heben, doch verwechselt wegen des Mundschutzes Linda mit Sylvia. Fortan werden ganz ungeniert die Augen verdreht, wenn man den Saal betritt. Aber Ihr macht das schon, viel Glück!
10. Der feiernde Mitbewohner
Euer Mitbewohner hat das einzig Richtige gemacht und ein Studium gewählt, in dem die Seminare nie vor zwölf beginnen und ein Großteil der Semesterferien auch wirklich Ferien genannt werden können. Ihr versteht Euch super und habt das ganze Studium über fast täglich die Kneipen der Stadt erkundet. Leider nimmt besagter Mitbewohner keinerlei Rücksicht auf Euren neuen PJ-Rhythmus, der im krassen Kontrast zu seinem abendlichen Energieschub steht. Zudem ist er auch noch ignorant und reagiert beleidigt, wenn man einfach mal schlafen möchte. Doch lieber ein Spießer sein, als jeden Tag mit tiefschwarzen Augenringen durch die Klinik schleichen.
Schlusswort
Diese Zusammenstellung natürlicher PJler-Feinde stellt natürlich nur eine kleine Auswahl dar. Tatsächlich lauern noch viel mehr Gefahren in diesen (Kranken)Häusern, die Verrückte machen. Und wie, Euch fallen tausend Gegenbeispiele ein? Die meisten Menschen seien viel netter, als geschildert? Nein, nein. Denkt daran, Ausnahmen bestätigen lediglich die Regel!