In unseren Wäldern lebt eine kleine Bestie, der „Gemeine Holzbock“, umgangssprachlich als Zecke bekannt. Als wahrer Überlebenskünstler und Überträger von Krankheitserregern ist der Wald-Vampir inzwischen das wohl einzige wirklich gefährliche Waldtier in Deutschland.
Wird von „der Zecke“ gesprochen, dann ist meist der „Gemeine Holzbock" (Ixodes ricinus) gemeint, ein Spinnentierchen, das in seinem Darm Borrelien und im Speichel FSME-Viren beherbergt. Diese gemeine Zecke, die nur eine von rund 800 Zeckenarten weltweit ist, sitzt auf Grashalmen oder Büschen und sucht nach einem Opfer, von dessen Blut sie lebt. Allerdings saugt sie nur dreimal in ihrem dreijährigen Leben Blut.
Zecken gibt es seit über 300 Millionen Jahren. Dass sie Krankheitskeime übertragen, ist jedoch erst seit rund 100 Jahren bekannt. Ein Grund dafür, dass es Zecken schon seit Urzeiten gibt, ist vermutlich ihre Zähigkeit. Sie sollen Waschen bei 40 Grad überleben, so gut wie nicht ertrinken können, und selbst Minus-Temperaturen bedeuten nicht automatisch ihr Ende. Gefährlich ist aber nicht so sehr die Zähigkeit der Zecken, gefährlich sind die Borrelien als Erreger der Borreliose und die Viren als Verursacher der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME).
Infektionsrisiko bei einem Stich: zwei bis drei Prozent
Die Borreliose ist in Deutschland die häufigste durch Zecken übertragbare Erkrankung. Die Bakterien gelangen erst nach Stunden des Saugens in das Blut des Wirts. Je schneller die Zecke entfernt wird, um so niedriger ist das Erkrankungsrisiko. Es gibt weder eine Immunität noch eine Impfung. Die Erkrankung kommt überall dort vor, wo auch Zecken leben. Verschiedene Zeckenarten sind als Überträger bekannt. In Europa ist der Holzbock der wichtigste. Zum Glück sind nicht alle Zecken mit Borrelien infiziert. In Europa sind es nach Angaben des „European Centre for Disease Prevention and Control“ (ECDC) zwölf Prozent der Zecken. Die Rate schwankt regional jedoch stark und liegt zwischen zehn und über 30 Prozent. Das Risiko, durch einen Stich infiziert zu werden, betrage in Deutschland durchschnittlich zwei bis drei Prozent, sagt Professor Andreas Krause von den Rheuma-Kliniken Berlin-Buch. Allerdings machen nicht alle Borreliose-Bakterien krank. Die Infektion verläuft in mehr als 25 Prozent der Fälle klinisch unauffällig. Verbreitungskarten gibt es nicht. Angegeben wird eine jährliche Inzidenz von bis zu 150 Fällen pro 100.000 Einwohner.
Von der Wanderröte bis zur Gesichtslähmung
Charakteristisches Symptom ist die Wanderröte (Erythema migrans). Diese ringförmige Rötung um die Einstichstelle kann mehrere Wochen sichtbar sein. Allerdings kommt sie nur bei 80 bis 90 Prozent der Patienten vor. Im frühen Erkrankungsstadium treten auch Allgemeinsymptome wie bei Grippe auf. Typisch, aber selten ist das Lymphozytom - schmerzlose Knoten an Ohrläppchen, Skrotum sowie im Bereich der Brustwarzen. Ohne Therapie kann es mehrere Monate bestehen. Innerhalb von sechs bis 12 Wochen nach der Infektion können Symptome der Neuroborreliose auftreten; sie betrifft etwa zehn Prozent der Patienten. Früh-Symptome sind Meningitis, Radikuloneuritis und eine periphere Fazialislähmung. Typisch für die späte Neuroborreliose ist eine Meningoenzephalitis. Im chronischen Spätstadium kommt es oft auch Gelenkentzündungen. Die Lyme-Arthritis befällt meist große Gelenke, in der Regel das Kniegelenk. Selten ist eine Karditis mit Herzrhythmusstörungen. Möglich sind zudem zerebrale Vaskulitiden, die allerdings ebenso wie eine Hauterkrankung, die Acrodermatitis chronica atrophicans, sehr selten (unter fünf Prozent) sind. Darüber hinaus würden, so die Erfahrungen des Rheumatologen, viele unspezifische oder unklare Symptome fälschlicherweise der Borreliose zugeordnet, da die Patienten eine positive Borrelienserologie aufwiesen. Dies führe oft zu unbegründeten Diagnosen, erfolglosen Therapien und großer Verunsicherung, kritisiert Krause.
Sinnvolle und sinnlose Diagnose-Verfahren
Antikörper sind etwa vier bis acht Wochen nach der Infektion nachweisbar. Im Spätstadium sind die Patienten meist sero-positiv. Falsch positive Antikörper-Tests können vorkommen. Die Suche nach Antikörpern oder Borrelien-DNA im Liquor, in Hautbiopsien und in Gelenkflüssigkeit ist selten indiziert. Angeboten werden jedoch auch Methoden, deren Nutzen nicht gesichert ist, etwa der Lymphozytentransformationstest sowie der VCS („Visual Contrast Sensitivity“-) Test. Eine Perspektive bietet möglicherweise der Nachweis des Chemokins CXCL13 im Liquor. CXCL13 kommt in hohen Konzentrationen im Liquor, aber nicht im Serum von Neuroborreliose-Patienten in Europa vor. Derzeit könne der routinemäßige Nachweis aber nicht empfohlen werden, schränkt Professor Hans-Walter Pfister vom Klinikum Großhadern in München ein.
Trotz Therapie: Symptome können Monate anhalten
Borreliose-Patienten können gut antibiotisch therapiert werden, vor allem im Frühstadium. Doxycyclin, Amoxicillin und Ceftriaxon sind die Mittel der Wahl. Resistenzentwicklungen gegen diese Antibiotika wurden bisher nicht belegt. Zur Antibiotika-Prophylaxe wird nicht geraten. Zu berücksichtigen sind Patienten, die aufgrund unspezifischer Beschwerden und meist positiver Serologie vermuten, an chronischer Borreliose zu leiden. Hierbei handelt es sich um Patienten, die nach Antibiotika-Therapie bei gesicherter Borreliose weiter über Beschwerden klagen. Studien belegen, dass die Symptom-Rückbildung Wochen bis Monate dauern kann. Viele Patienten befürchten laut Krause, dass die Therapie nicht ausreichend war. Verlaufsuntersuchungen belegen aber, dass die meisten Symptome, über die nach Behandlung berichtet wird, nicht häufiger vorkommen als bei Personen ohne Borreliose-Anamnese, abgesehen von milden Restsymptomen. Darüber hinaus gebe es Patienten, die nie an einer gesicherten Borreliose erkrankt waren, sondern nur einen „Durchseuchungstiter“ als Hinweis auf eine frühere Infektion aufwiesen.
Knoblauch zur Prophylaxe
Die Verhütung von Zeckenstichen ist die einzige Methode zur Prophylaxe. Empfohlen wird, Risikogebiete zu meiden, geschlossene, helle Kleidung zu tragen und sich nach Zecken abzusuchen. Grundsätzlich können auch Repellents angewendet werden. Nach dem Aufenthalt im Freien ist Waschen der behandelten Haut zu empfehlen. Permethrin ist nur für die Anwendung auf Kleidern gedacht. Nach einem Stich sollte die Zecke so schnell wie möglich entfernt werden, da die Wahrscheinlichkeit für die Erreger-Übertragung mit der Dauer des Saugaktes zunimmt. In Schweden gibt man Waldarbeitern übrigens Knoblauchpillen. Denn die mögen die Wald-Vampire angeblich überhaupt nicht.
FSME: in Deutschland abnehmende Inzidenz
Die zweite wichtige Erkrankung, deren Erreger von Zecken übertragen wird, ist die Frühsommer-Meningoenzephalitis. Das Virus wird zwar in erster Linie von Zecken auf den Menschen übertragen. Es sind jedoch auch Fälle bekannt, bei denen rohe Milch von infizierten Kühen oder Ziegen die Krankheit ausgelöst hat. Das Infektionsrisiko bei einem Stich ist gering, da die meisten Zecken virusfrei sind. Selbst in Risikogebieten haben nur 0,1 bis 5 Prozent das Virus in sich. Allerdings ist die FSME-Inzidenz in den letzten Jahrzehnten in Europa (Russland ausgenommen) stark gestiegen - laut ECDC von 1452 Fällen pro Jahr zwischen 1976 und 1989 auf jährlich 2805 Fälle zwischen 1990 und 2007. Unklar ist, ob die gestiegene Inzidenz real ist oder scheinbar - aufgrund verstärkter Aufmerksamkeit. Als ein möglicher Grund wird auch der Klimawandel diskutiert. In Deutschland ist die Inzidenz rückläufig. Hier wurden zwischen 2001 und 2009 im Mittel 318 Fälle pro Jahr diagnostiziert, 2009 waren es 313. Damit liegt die Zahl etwas höher als 2001 bis 2004 (239–277), aber deutlich niedriger als 2005 (432) und 2006 (546). Die höchsten Inzidenzraten haben Bayern und Baden-Württemberg.
Widerstand zecklos
Eine Infektion führt zur Immunität. Klinisch kommen meningitische, enzephalitische und myelitische Verläufe vor. In über 70 Prozent bleibt die Erkrankung klinisch unauffällig. Die Letalität beträgt beim westlichen Erregersubtyp 1–2 Prozent (bei der myelitischen Form 20 Prozent), beim östlichen Subtyp 20 Prozent. Bei fast 30 Prozent der Patienten finden sich lang anhaltende neurologische Defizite. Da die Viren im Speichel der Zecke sind, können sie zwar sofort in die Wunde gelangen. Es gilt aber auch hier: Je länger die Zecke saugt, um so höher ist das Infektionsrisiko. Eine spezifische Therapie gibt es nicht, aber eine Impfung, die von der STIKO für Angehörige bestimmter Risikogruppen empfohlen wird.