Wer sich viel im Internet bewegt, für den sind dubiose Übersee-Apotheken in der Regel leicht zu erkennen. Doch gilt das auch für etwas naivere Zeitgenossen? Eine US-Untersuchung bei Studenten lässt Zweifel an der Netz-Kompetenz von Otto-US-Verbraucher aufkommen.
Spätestens seit George W. Bush weiß auch der durchschnittliche Europäer, was in den Augen der US-Regierung ein „Rogue State“ ist. Genau, so etwas wie Nordkorea oder der Iran. Den Begriff „rogue“ verwenden die Amerikaner aber auch noch in anderem Zusammenhang. „Rogue internet pharmacies“ zum Beispiel sind das, was hierzulande als dubiose Internetapotheken aus Übersee bezeichnet wird, gewissermaßen die Achse des Bösen im pharmazeutischen Web.
Fake-Apotheken nach dem Vorbild der karibischen Originale
Die typische Internetapotheke aus Übersee ist eigentlich nicht schwer zu erkennen. Sie sieht aus wie die Webseite der Bild-Zeitung, nur ohne vernünftiges Impressum und mit mehr Rechtschreibfehlern. Außerdem findet sich statt des Cover-Girls üblicherweise zumindest ein Potenzmittel auf Seite 1. Mit ein wenig Medienkompetenz, sollte man meinen, müsste so etwas eigentlich von einem der zahlreichen seriösen Anbieter einigermaßen zuverlässig zu unterscheiden sein. Die Frage ist allerdings, wie weit die Medienkompetenz bei jenen Menschen reicht, die sich nicht tagaus, tagein im medizinischen Internet bewegen. Wissenschaftler um Lana Ivanitskaya vom Dow College of Health Professions der Central Michigan University sind dieser Frage jetzt anhand eines Kollektiv junger Erwachsener nachgegangen. Sie berichten darüber im Journal of Medical Internet Research. Ausgewählt wurden die knapp 2000 Studienteilnehmer an diversen Colleges in den USA. Es waren also junge Erwachsene Anfang 20, bei denen durchaus ein gewisses Bildungsniveau unterstellt werden durfte. Extra für diese Studie haben die Wissenschaftler zwei Fake-Apotheken entworfen, deren Webauftritte zahlreiche der typischen Hinweise enthielten, anhand derer dubiose Anbieter üblicherweise zu erkennen sind. So war anhand der Internetadressen erkennbar, dass die Anbieter wahrscheinlich außerhalb der USA residierten. Es gab die Möglichkeit, per E-Mail oder Fax mit dem Anbieter in Kontakt zu treten, nicht aber per Telefon. Außerdem fanden sich diverse Info-Boxen, die typisch für dubiose Anbieter sind, etwa die Versicherung, dass es sich bei der verkauften Ware auch ganz bestimmt um Originalpräparate handele.
Viele Studenten würden Schurken-Apotheken weiter empfehlen
Tatsächlich dienten fünf real existierende dubiose Internetapotheken, die die Wissenschaftler über die Suchmaschinen Google und Yahoo ausfindig gemacht hatten, als unmittelbares Vorbild beim Webseiten-Design. Um eine Verfälschung des Ergebnisses durch mögliches Vorwissen über Medikamente auszuschließen, wurde schließlich auch noch ein pharmazeutisches Präparat erfunden, das den fiktiven Namen Beozine trug. Den Teilnehmern wurde gesagt, dass der übliche Apothekenverkaufspreis für Beozine bei 165 US-$ liege. Fake-Apotheke A bot Beozine dagegen für 57,60 US-$ an, in Fake-Apotheke B war es für 39,99 US-$ zu haben. Für die Untersuchung wurden die Probanden gebeten, in den beiden Internetapotheken A und B nach Beozine zu suchen und sich über den Preis zu informieren. Sie mussten dann auf einer Skala von eins bis zehn angeben, ob sie die jeweilige Apotheke für einen guten Ort hielten, um Beozine käuflich zu erwerben. Hierbei wurde deutlich, dass ein erheblicher Anteil der Studenten nicht in der Lage war, die mangelnde Seriosität der Anbieter zu erkennen. Die Hälfte der Teilnehmer gab Apotheke A eine Wertung von sechs oder mehr. Und auch bei der etwas besser aufgemachten Apotheke B waren es noch 37 Prozent. Diejenigen, die die Apotheke positiv einschätzten, wurden dann gefragt, wie sie sich erklären, dass der Preis so deutlich unter dem üblichen Apothekenpreis liege. Genannt wurden dabei unter anderem höhere Umsätze, weniger Fixkosten und Zusatzeinnahmen durch Bannerwerbung. Am anderen Pol gaben nur 25 Prozent der Probanden einer der beiden Online-Apotheken die Note null oder eins, waren also der Auffassung, dass eine oder beide Apotheken sehr schlechte Orte seien, um Beozine einzukaufen. Jeder zehnte würde Apotheke A und jeder fünfte Apotheke B an Freunde oder Verwandte weiterempfehlen.
Wer werben will muss siegeln
Fast zeitgleich mit der Veröffentlichung dieser Untersuchung im JMIR ging eine Meldung über die Nachrichtenticker, wonach die Suchmaschinenanbieter Yahoo und Microsoft (Bing) künftig in Nordamerika nur noch dann Werbung von Versandapotheken akzeptieren, wenn sie das Siegel Verified Internet Pharmacy Practice Site (VIPPS) des US-Verbands National Association of Boards of Pharmacy tragen. Google hatte einen solchen Plan bereits im Februar bekannt gemacht. Das VIPPS ist ein seit 1999 existierendes Gütesiegel für Versandapotheken analog zu den in Europa gebräuchlichen Siegeln.