Männer mit erektiler Dysfunktion haben ein erhöhtes Risiko für koronare Herzkrankheiten. Eine Analyse zeigt: Bei Patienten mit Erektionsstörungen treten binnen zwei bis drei Jahren nach Beginn der Beschwerden oft erste kardiovaskuläre Symptome auf.
Dass zwischen erektiler Dysfunktion (ED) und koronaren Herzkrankheiten (KHK) eine Assoziation besteht, wird bereits länger thematisiert. Eine kürzlich publizierte Metaanalyse eines internationalen Forscherteams hat diesen Zusammenhang nun erstmals mit validen Daten untermauert – sie belegen eindeutig, dass eine Allianz von ED und KHK existiert und welchen gesundheitlichen Sprengstoff sie birgt. Laut dem Londoner Kardiologen Dr. Graham Jackson, Leiter der 11-köpfigen Wissenschaftlergruppe, sind organisch bedingte Erektionsstörungen und KHK eng miteinander verbunden: »Beide resultieren aus der gleichen endothelialen Pathologie, die zu Einschränkungen im Blutfluss führt«. Entsprechend wurden für beide Erkrankungen auch gleiche Risikofaktoren identifiziert, wie unter anderem Bluthochdruck, Übergewicht und Fettstoffwechselstörungen. »In unserer Studie«, so Dr. Jackson, »wollten wir die Hypothese prüfen, ob Erektionsstörungen ein Prädiktor für koronare Herzkrankheiten sind und wenn ja, wie sich die Risiken für die betroffenen Patienten managen lassen«.
Vorbote der koronaren Herzkrankheit
Wie Dr. Jackson´s Team herausfand, ist die erektile Dysfunktion eindeutig als »entscheidender Prädiktor« für koronare Herzerkrankungen anzusehen – allen voran bei jüngeren Männern im Alter zwischen vierzig und 69 Jahren. Nach den Worten des Londoner Kardiologen »fand sich hierfür in den Studiendaten eine klare Evidenz«: Bei zwei Drittel der Patienten gehen der Manifestation einer KHK Erektionsstörungen voraus. Die Mehrheit der ED-Patienten hat frühe Symptome einer KHK wie eine reduzierte koronare Fließgeschwindigkeitsreserve, Vasodilatation und Kalzifikation der Koronararterien. Die Schäden an den Penisgefäßen gehen zudem mit »signifikanten Veränderungen bei kardiovaskulären Risikoparametern wie Glukose, Homocystein und C-reaktivem Protein einher«. Weiterhin zeigte sich, dass ED-Patienten generell eine schwerer ausgeprägte KHK entwickeln als ihre gesunden Geschlechtsgenossen und dass die Schwere der ED mit jener der KHK korreliert. Das Intervall zwischen dem Auftreten der Erektionsstörungen und den Symptomen einer KHK beträgt durchschnittlich zwei bis drei Jahre, bis zum ersten kardiovaskulären Ereignis wie einem Myokardinfarkt oder Apoplex dauert es im Median drei bis fünf Jahre. »Das Risiko für eine KHK erhöht sich bei ED-Patienten zwischen dreißig und 39 um 14 und bei jenen zwischen sechzig und 69 um 21 Prozent«, so Dr. Jackson.
Besonders beeindruckend sind die Daten der Massachusetts Male Aging Study (MMAS), die 1709 Männer erfasste. Jene mit Erektionsstörungen hatten ein um 26 Prozent erhöhtes allgemeines Mortalitätsrisiko. Die Sterblichkeit durch koronare Herzkrankheiten war bei ED-Patienten sogar um 43 Prozent höher. Als ebenso prädiktiv für kardiovaskuläre Mortalität erwies sich die erektile Dysfunktion in der ONTARGET/TRANSEND-Studie. Dass sich die endothelialen Schäden an des Mannes besten Stück früher zu erkennen geben, hat anatomische Gründe: Die Arterien im Penis sind kleiner als jene im Myokard. Demzufolge machen sich hier atherosklerotische Veränderungen eher bemerkbar. Dafür spricht laut Dr. Jackson auch die Tatsache, dass Männer mit Erektionsstörungen nur selten über kardiovaskuläre Beschwerden klagen. Dagegen berichten KHK-Patienten sehr häufig von vorausgehenden Problemen mit ihrer Erektion.
Ausreichend Spielraum zum umfassenden Handeln
Aus den Befunden der Metaanalyse ist eine Reihe von Konsequenzen zu ziehen – zumal das Intervall zwischen der Manifestation von Erektionsstörungen und einer KHK eine rechtzeitige Intervention ermöglicht. Vor diesem Hintergrund appelliert die Gruppe um Dr. Jackson dringend dafür, ED-Patienten ausnahmslos intensiven medizinischen Untersuchungen zu unterziehen. Dabei müssen die Betroffenen hinsichtlich ihres kardiovaskulären Risikos stratifiziert werden. Männer mit einem erhöhten KHK-Risiko sollten weitergehend, unter anderem mit Elektrokardiographie oder Computertomographie, untersucht werden. Ebenso sollten diese Risikopatienten solange eine sexuelle Karenz einhalten, bis sich ihr kardiovaskulärer Status stabilisiert hat.
Unerlässlich ist nach Ansicht der Expertengruppe auch eine Bestimmung der Testosteronwerte: »Alle ED-Patienten müssen auf ihre Level an gebundenem und freiem Testosteron gescreent werden«. Das Testosteron-Defizienz-Syndrom (TDS) ist eine bekannte Ursache für Erektionsstörungen und geht wachsender Evidenz zu Folge mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko einher. Da TDS zudem mit Typ-2-Diabetes, metabolischem Syndrom, Fettstoffwechselstörungen sowie abnormaler Koagulation assoziiert ist, besitzt es »eindeutig den gleichen Stellenwert wie andere kardiovaskuläre Risikofaktoren«, so Dr. Jackson. Wurden zu niedrige Testosteronwerte festgestellt, empfiehlt sich eine Testosteronersatztherapie – diese fördert auch die Wirkung von PDE5-Hemmern.
Essenziell: gesunder Lebensstil und individualisierte Medikation
Eine bedeutende Rolle spielen Verbesserungen des Lebensstils. Sie sind nach den Worten von Dr. Jackson sehr wirkungsvoll, »um zukünftigen kardiovaskulären Ereignissen vorzubeugen«. Eine reduzierte Kalorienzufuhr und vermehrte körperliche Aktivität senkt die Konzentration inflammatorischer Substanzen wie unter anderem CRP und verbessert die Erektionsfähigkeit. Nicht umsonst, so Dr. Jackson, »ist die Inzidenz von Erektionsstörungen bei normalgewichtigen Männern mit einem aktiven Lebensstil signifikant niedriger als bei weniger gesundheitsbewussten Geschlechtsgenossen gleichen Alters«. Neben einer Umstellung auf eine gesündere Lebensweise sind kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Hypertonie, Typ-2-Diabetes und Störungen im Fettstoffwechsel durch die geeignete Medikation zu managen. Die Therapie sollte dabei sorgfältig auf die individuellen Beschwerden des Patienten zugeschnitten werden, »da einige kardiovaskulär wirksame Arzneimittel die erektile Dysfunktion verschlimmern«. Laut Dr. Jackson haben sich bei ED-Patienten mit Hypertonie Angiotensin-II-Rezeptorblocker als Mittel der ersten Wahl erwiesen. Bei zugleich bestehenden Fettstoffwechselstörungen empfiehlt sich der Griff zu Statinen: »Sie korrigieren wirksam die Blutfettwerte und verbessern die erektile Funktion«.
Phosphodiesterase5-Inhibitoren sind First-Line-Therapie
Die Erstbehandlung von Patienten mit ED und KHK sollte entsprechend der klinischen Evidenz in jedem Fall mit PDE5-Inhibitoren erfolgen: »Ihre Wirksamkeit und Sicherheit zur Verbesserung der Erektionsfunktion bei Patienten mit manifester KHK oder kardiovaskulären Risikofaktoren ist in zahlreichen randomisierten klinischen Studien belegt worden«, so der Londoner Kardiologe. Zudem hat sich gezeigt, dass Sildenafil und Tadalafil nicht mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse assoziiert sind. Auch bei Typ-2-Diabetikern mit erektiler Dysfunktion empfiehlt sich laut Dr. Jackson die First-Line-Therapie mit PDE5-Inhibitoren. Männer mit leicht bis mittelschwer ausgeprägter Herzinsuffizienz oder stabiler KHK sollten Sildenafil erhalten, denn dieser PDE5-Hemmer hat nur wenige kardiovaskuläre Nebenwirkungen. Von ED-Patienten, die verschiedene hypertensive Wirkstoffe einnehmen, werden Vardenafil sowie ebenso Sildenafil gut vertragen. Vardenafil empfiehlt das Team um Dr. Jackson darüber hinaus bei jenen Patienten, die neben Bluthochdruck auch unter Fettstoffwechselstörungen leiden. Tadalafil wiederum ist gut für hypertensive ED-Patienten geeignet, die mit Thiaziddiuretika behandelt werden. Kontraindiziert sind PDE5-Inhibitoren bei einer Therapie mit Nitraten, da sie deren Effekte potenzieren. In solchen Fällen sollte der Patient laut Dr. Jackson »auf eine alternative anti-ischämische Behandlung gesetzt werden«. Zwischen dem Absetzen der Nitrate und der ersten Einnahme von PDE5-Hemmern muss allerdings eine Therapiepause von mindestens einer Woche liegen.
Erweisen sich orale Medikamente als ineffektiv zur Behandlung der ED, sind Therapiestrategien wie beispielsweise Vakuumpumpen, intracavernöse Injektion oder die Implantation einer Penisprothese angezeigt.