Eine neue Therapie eröffnet Möglichkeiten, degenerative Augen-Erkrankungen zu behandeln. Bei blinden Mäusen können bestimmte Zellen in der Retina mittels Gentherapie in Sinneszellen umprogrammiert werden. Forschern wollen so ihre Sehkraft wieder herstellen.
Mit 32 Prozent aller Neuerblindungen gehört die altersbedingte Makuladegeneration (AMD) zu einer der wichtigsten Augenerkrankungen. Weltweit sind 25 bis 30 Millionen Menschen betroffen, weitere 500.000 kommen jährlich neu hinzu. Laut Berufsverband der Augenärzte gibt es in Deutschland etwa 1,6 Millionen Patienten mit AMD, und weitere 2,6 Millionen sind im Frühstadium. Bei der AMD reichert sich das Stoffwechselprodukt Lipofuszin in Zellen an. Es kommt zum Absterben des retinalen Pigmentepithels. In der Folge gehen auch Photorezeptoren zu Grunde. Bislang lässt sich die AMD nur hinauszögern, aber nicht heilen. Eine neue Studie von Kai Yao und Bo Chen zeigt, welche Möglichkeiten der Regeneration es gibt. Beide Forscher arbeiten an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai, New York.
Wissenschaftler haben das Regenerationspotenzial von Müller-Zellen, also Gliazellen der Retina, schon lange untersucht. Gliazellen bilden das Stützgewebe unseres Nervensystems. Beispielsweise kann der Zebrafisch nach schweren Netzhautverletzungen wieder sehen, indem aus Müller-Zellen neue Rezeptoren entstehen. „Wir wollten sehen, ob wir Müller-Glia so programmieren können, dass es in einer lebenden Maus zu Stab-Photorezeptoren werden, ohne ihre Netzhaut verletzen zu müssen“, sagt Chen. Er arbeitete mit Tieren, die aufgrund eines genetischen Defekts keine Sinneszellen, also Stäbchen, bildeten. In der ersten Phase injizierten Wissenschaftler ein Gen in den Augapfel von Nagern, um die Produktion von Beta-Catenin anzukurbeln. Im Experiment führte es zur Teilung von Müller-Glia. Zwei Wochen später folgten per Gentransfer mehrere Transkriptionsfaktoren, um die neu gebildeten Zellen in Stäbchen umzuwandeln.
Yao und Chen verfolgten per Mikroskopie die Prozesse visuell. Sie fanden heraus, dass sich neu gebildete Stäbchen morphologisch nicht von Photorezeptoren gesunder Mäuse unterschieden. Außerdem hatten sich synaptische Strukturen gebildet: eine wichtige Voraussetzung, um innerhalb der Netzhaut zu kommunizieren. Darüber hinaus bestätigten Messungen, dass Signale von Photorezeptoren zum Gehirn gelangen. Immerhin ist es Forschern gelungen, Erkenntnisse zur Regeneration von Fischen auf Säugetiere zu übertragen. Yao und Chen wollen im nächsten Schritt testen, ob ihre Technik auch mit kultiviertem menschlichem Netzhautgewebe funktioniert. Danach wäre der Weg für klinische Studien offen.