Das Baby schreit. Hat es Schmerzen? Häufig ist das schwer abzuschätzen. Heikel wird es besonders, wenn Ärzte entscheiden müssen, ob Analgetika verabreicht werden sollen oder nicht. Nun zeigen Forscher, wie sich die Schmerzen mit simplen EEG-Ableitungen bestimmen lassen.
Schreien oder weinen Säuglinge, kann das viele Gründe haben. Mitteilen können sie sich nicht. Ob das Kind Schmerzen hat und falls ja, wie stark diese sind, daüber können Eltern und Ärzte häufig nur spekulieren. „Tausende von Säuglingen werden allein in Großbritanniens Kinderkliniken und Kinderarztpraxen tagtäglich schmerzhaften Prozeduren unterzogen – ohne Schmerzmittel“, so Rebeccah Slater von der Universität Oxford. Das Problem trifft vermutlich auf sehr viele Länder zu.
Sie hat untersucht, wie kleine Patienten im Vergleich zu Erwachsenen auf Schmerzen reagieren. Dazu nahm Slater zehn Babys und zehn Erwachsene in eine Studie auf. Alle Probanden wurden im MRT beobachtet. Während der Messung piekte Slater sie mit einem stumpfen Bleistift leicht in den Fuß. Bei Erwachsenen aktivierte der Reiz 20 Gehirnregionen, bei Kindern waren es 18. Überraschenderweise reagierten die Kleinen vier Mal stärker auf leichte Stimuli, gemessen an der Vergleichsgruppe. „Unsere Studie zeigt, dass Babys Schmerzen nicht nur wie Erwachsene fühlen, sondern sensibler reagieren“, erklärt Slater. Sie fordert, den Umgang mit Analgetika neu zu überdenken. Das war bislang leichter gesagt als getan.
Jetzt zeigt Slater, wie sich Schmerzen in der Praxis mit geringem Aufwand bestimmen lassen. Wikimedia Commons Sie arbeitete mit EEG-Ableitung, wobei laut Slater nur eine Elektrode am Punkt „Cz“ erforderlich war, siehe links. Leichte Stimuli veränderten in einer anderen Studie an 18 Säuglingen innerhalb von 446 bis 611 Millisekunden das EEG-Muster. Nach Validierungstests zeigte Slater, dass Babys bei einer Blutentnahme aus der Ferse ebenfalls Schmerzen spüren. Im EEG kam es bei elf von zwölf kleinen Probanden zu Anomalien, die auf Schmerzen hinweisen. Erhielten sie vor der Blutentnahme aus einer Vene topisches Tetracain, war das Signal schwächer. Nun will die Forscherin herausfinden, wie niedrig dosierte Schmerzmittel vor geplanten Untersuchungen oder Eingriffen wirken. Als häufiges Beispiel nennt sie Frühgeborenen-Retinopathien mit unkontrollierten Gefäßneubildungen. Hier sind unter anderem Laserkoagulationen möglich. Morphin könnte sich zur Schmerzlinderung eignen, so Slater. Quellen: Nociceptive brain activity as a measure of analgesic efficacy in infants Caroline Hartley et al.; Science Translational Medicine, doi: 10.1126/scitranslmed.aah6122; 2017 fMRI reveals neural activity overlap between adult and infant pain Sezgi Goksan et al.; eLife, doi: 10.7554/eLife.06356; 2015