Anfang Mai luden der Deutsche Wundkongress und Bremer Pflegekongress an die Weser. Die Vorträge befassten sich mit Therapiestrategien, neuen Daten aus der Forschung oder Hilfestellungen für die Praxis. Präsentiert wurde manches, das exotisch anmutet.
Neben Innovationen in Wundbehandlung und -management wurden in Bremen auch Veränderungen in den Versorgungsstrukturen vorgestellt. So widmete der diesjährige Wundkongress ein Schwerpunktthema der Qualitätsverbesserung in der Wundversorgung durch vernetzte, multiprofessionelle Kompetenz. Denn nicht zuletzt auch aus ökonomischen Gründen wächst der Bedarf an interdisziplinärer Zusammenarbeit in vernetzten Strukturen stetig: »Aus dieser Notwendigkeit entstehen bundesweit regionale multiprofessionelle Netzwerke«, so Prof. Dr. Matthias Augustin, Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie, Uniklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), in seinem Grußwort an die Kongressteilnehmer.
Kompetenz durch Koordination
An Exempeln, die den Erfolg solcher Netzwerke statuieren, fehlt es nicht. So beispielsweise das »Koordinationszentrum chronische Wunden« am Universitätsklinikum Freiburg: Seit seiner Gründung 2006 können »zeitliche Verzögerungen in Diagnostik und Therapie durch enge interdisziplinäre Zusammenarbeit und optimierte Kommunikationsstrukturen effizient vermieden werden«, so Katharina Nocon vom Freiburger Wundzentrum. Mit gutem Beispiel voran geht man auch am UKE in der Hansestadt. Hier öffnete im Januar dieses Jahres das Comprehensive Wound Center (universitäres Wundzentrum, CWC) seine Pforten. Mit seinem interdisziplinären und interprofessionellen Versorgungs- und Forschungsansatz ist das Projekt bundesweit bislang einzigartig. Sein Ziel sind laut Dr. Kathrin Herberger vom CWC die kompetente, fachübergreifende und patientengerechte Diagnostik und Therapie komplizierter, chronischer Wunden auf universitärem Niveau: »Für diese Wundtherapie auf neuesten wissenschaftlichen Stand arbeiten alle Beteiligten hoch motiviert«. Das zahlt sich aus – Patientenzufriedenheit, Versorgungs- und Lebensqualität haben sich durch die interdisziplinäre Vernetzung signifikant erhöht.
Alternative Verfahren zur Wundreinigung
Um die Wundreinigung und so den Heilungsprozess – gerade bei stagnierenden Situationen – zu stimulieren, etablieren sich derzeit einige Methoden. Darunter die Elektrostimulation, die sich nach den Erfahrungen von PD Dr. Axel Larena-Avellaneda, Klinik und Poliklinik für Gefäßmedizin am UKE, insbesondere auch bei therapierefraktären Wunden mit freiliegenden Knochen oder Gelenken bewährt: »Selbst bei schwierigen Wunden haben wir eine hervorragende Heilungsrate. Die Elektrostimulation stellt eindeutig eine Alternative zu ausgedehnten chirurgischen Maßnahmen dar«. Das gilt auch für den operativen Wundverschluss bei Verbrennungen.
Im Rahmen der Elektrostimulation macht man sich die elektrophysiologischen Vorgänge zu Nutze, die bei der Wundheilung ablaufen: Mit niederfrequenten, kontrollierten Gleichstromimpulsen werden die stagnierten Strom- und Ionenflüsse im Wundgebiet aktiviert. Dies erfolgt mittels einer speziellen semiokklusiven Hydrogel-Verband-Elektrode, die zweimal täglich für jeweils dreißig Minuten an das Elektrotherapiegerät angeschlossen wird. Damit verbessert sich in dem behandelten Bereich die kutane Mikrozirkulation und -nutrition. In Folge dessen beschleunigen sich die Wundreinigung und Bildung von Granulationsgewebe, die Fibroblastenmigration und Epithelisierung werden gefördert und der Wundschmerz reduziert. »Mit dem Verfahren kann eine bis zu 2,8-fach schnellere Wundheilung erzielt werden«, so Dr. Larena-Avellaneda.
Die ultraschallassistierte Wundreinigung (UAW) ist eine weitere effiziente Methode, die Wundheilung zu beschleunigen. Dabei werden feste Fibrinbeläge und Nekrosen mit Hilfe von niederfrequentem Ultraschall gelöst – ohne dabei das umliegende, gesunde Gewebe zu beschädigen. Laut Dr. Herberger »eine zeit- und kostensparende sowie schonende Alternative zum chirurgischen Débridement«. Die Ultraschallwellen können zudem laut Dr. Anke Bültemann vom Wundzentrum Asklepios Klinik Hamburg-Harburg, »besonders gut den oftmals bestehenden Biofilm lösen«.
Maden und Wundkleber – Exotik in der Wundversorgung
Gewöhnungsbedürftig, zumal für den medizinischen Laien, aber dennoch ein fester Bestandteil der Wundbehandlung: Die Larven der Goldfliege Lucilia sericata, gemeinhin bekannt als Maden. Das Verdauungssekret, das sie in die Wunde absondern, daut Nekrosen und Beläge an. Die dabei entstehende Flüssigkeit dient den krabbelnden Wundtherapeuten als Nahrung – was sie davon wieder ausscheiden, regt zugleich die Wundheilung an. Bis vor einigen Jahren setzte man die Maden noch frei in den Wunden ein. Inzwischen stehen spezielle Beutel zur Verfügung, in dem die sterilen Maden eingeschweißt sind. So ist sichergestellt, dass auch keines der Tierchen ausbüchsen kann – was bei den so genannten Freiläufern durchaus vorkam. Die Deutsche Diabetes-Gesellschaft empfiehlt inzwischen in ihren evidenzbasierten Leitlinien die Madenbehandlung als »Biochirurgie« zur Therapie von diabetischen Fußulzera.
Wundkleber zählen ebenso eher zu den »Außenseitern« in der Wundbehandlung. Sie gelten als schlecht zu applizieren sowie teurer als Nadel und Faden. Zudem haben sie eine nur kurze Lagerstabilität. Doch die Methode »Kleben statt Nähen« bietet auch eine Reihe von Vorteilen. Mit medizinischen Acrylatwundklebern gelingt ein infektionssicherer Wundverschluss ohne Stichkanäle und Zug durch Nahtmaterial. Entsprechend ist auch die Narbenbildung besser und es treten kaum Keloide auf. Weiterhin ist bei Wundklebern keine Anästhesie erforderlich, ebenso wie der Termin zum Ziehen der Fäden entfällt. Der Patient kann zudem sofort wieder seine täglichen Aktivitäten aufnehmen und seine gewohnten Hygienemaßnahmen durchführen. Darüber hinaus können mit modernen Acrylatwundklebern nicht nur die üblichen Wunden, sondern auch Hautmeshes und Hautersatzmaterial nach Verbrennungen an den Wundrändern oder Donor sites angeklebt werden.
Last not least nicht unerwähnt bleiben soll ein Projekt von »Jugend forscht«. Dabei gingen Nachwuchswissenschaftler aus dem mittelrheinischen Boppard der Frage nach, in welchem Ausmaß moderne Schaumverbände Wundexsudat aufnehmen. Um die Versuche detailgetreu nachzustellen, griff man zu – ganz im Ernst – Curryketchup. Ob die Untersuchung mit normalem Ketchup nicht ebenso durchzuführen gewesen wäre, ist ungeklärt... Wohl aber, dass grobporige Schaumverbände das Exsudat um nahezu fünfzig Prozent besser aufnehmen als feinporige.
Quellen: Vorträge im Rahmen des Deutschen Wundkongress & 6. Bremer Pflegekongress, 05. – 06.05.2010 in Bremen.