Seit Jahren warnt die WHO vor einer neuen Volksseuche: COPD, also chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen, sind auf dem Vormarsch. Trotz reger Forschungsaktivitäten fehlen aber nach wie vor wirksame Therapien.
Stand das Leiden COPD 2002 noch auf Platz fünf der Weltrangliste aller Todesursachen, prognostizieren die WHO-Forscher bis 2030 einen Spitzenplatz an dritter Stelle. Bereits heute leiden etwa 80 Millionen Menschen an mittelschwerer bis schwerer COPD. Zumindest in den westlichen Ländern ist der Auslöser leicht zu finden: Rund 90 Prozent aller COPD-Patienten frönen dem Glimmstängel. Dessen Schadstoffe führen bei entsprechender genetischer Veranlagung unter anderem zu einer chronischen Entzündung der Lunge. Und Schätzungen zufolge sterben zwischen 15 und 20 Prozent aller Raucher an COPD. Hinzu kommen koronare Ereignisse, Karzinome sowie zahlreiche andere Leiden. Der Einfluss des Passivrauchens ist aber noch nicht mit letzter Sicherheit geklärt.
Ein unauffälliger Patient
Die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung hat viele Gesichter: Ein ansonsten unauffälliger Patient, Anfang 50, körperlich fit, kein Übergewicht, seit 30 Jahren Raucher, klagt über Husten mit Auswurf. Auf Nachfrage gesteht er, bereits im Jahr zuvor ähnliche Symptome über mehrere Monate hinweg beobachtet zu haben – es sei aber von selbst wieder besser geworden. Dahinter kann sich eine chronische Bronchitis verbergen – Vorbotin der COPD. Hält vor allem die Schadstoffexposition weiter an, kommt es früher oder später zu einer abnormen Entzündung der Lunge sowie zu einer Verengung der kleinen Atemwege. Auffällig ist auch die übermäßige Schleimproduktion. Durch Umbauprozesse im Gewebe kann ein Emphysem entstehen, also eine unwiederbringliche Überblähung kleiner, luftgefüllter Strukturen. Im Spätstadium wird neben anderen Folgeerkrankungen auch das Herz belastet.
Therapeutische Optionen
Je nach Schweregrad der COPD sieht die Weltgesundheitsorganisation WHO verschiedene Therapien vor. Die „Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Diesease“ (GOLD) hat dazu ein entsprechendes Stufenschema erarbeitet. Ausschlag gebendes Kriterium ist die Verringerung der Einsekundenkapazität (FEV1, Forced Expiratory Volume in one second). Zu deren Bestimmung muss der Patient aus der normalen Ruheatmung maximal ausatmen und maximal einatmen. Anschließend wird so schnell wie möglich erneut ausgeatmet und gemessen.
Schutzimpfungen gegen Pneumokokken bzw. Influenza helfen in allen Stadien als Basistherapie, um das Risiko einer Lungeninfektion zu minimieren. Auch verbessert gezieltes körperliches Training die Leistungsfähigkeit der Lunge. Ansonsten steht die symptomatische Erweiterung der Bronchien im Fokus.
Liegt die FEV1 über 80 Prozent, so startet man mit kurz wirksamen inhalativen Bronchodilatatoren wie Salbutamol und Ipratropium. Bei FEV1-Werten zwischen 50 und 80 Prozent wird außerdem zu lang wirksame Bronchodilatatoren gegriffen, etwa Formoterol, Salmeterol oder Tiotropium. Leiden die Patienten unter akuten Verschlechterungen (Exazerbationen) und bewegen sich die Werte der FEV1 zwischen 30 und 50 Prozent, sind auch inhalative Glucocorticoide wie Budesonid oder Fluticason Mittel der Wahl. Und sind die Werte für die Flussrate unter 30 Prozent abgesunken, muss zur Gabe von Sauerstoff sowie gegebenenfalls zu chirurgischen Interventionen gegriffen werden.
Gerade Inhalatoren erfordern eine intensive Begleitung durch Arzt und Apotheker: Die richtige Handhabung will erlernt sein, und manche Systeme haben durchaus ihre Tücken. So sinkt bei Dosieraerosolen mit suspendiertem Wirkstoff dessen Gehalt bei den letzten zehn bis 15 Hüben, von Anwendungsfehlern beim Einatmen ganz zu schweigen.
Rauchentwöhnung rettet Leben
Als Basistherapie der COPD raten Fachleute vor allem zur sofortigen Abstinenz. Etwa jeder zweite Raucher will ohnehin von seinem Laster loskommen, speziell bei hohem Leidensdruck. Das ergab eine infas-Umfrage im Auftrag der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. Je früher Patienten vom Nutzen einer Rauchentwöhnung überzeugt werden, desto besser: Wer auf den Glimmstängel bereits im Alter von 30 Jahren verzichtet, kann sein Risiko, an Folgeerkrankungen des Tabakkonsums zu sterben, komplett eliminieren. Raucher, die mit 50 Jahren den Weg aus der Sucht schaffen, halbieren ihr Risiko, und Raucher, die mit 60 Jahren abstinent werden, gewinnen immerhin noch drei Jahre. Das hat die Britische Studie an rund 35.000 Medizinern gezeigt. Bei der Sterblichkeit wurden alle Fälle berücksichtigt, also COPD, koronare Ereignisse, Karzinome o.ä.
Um von der Sucht loszukommen, können neben der Verhaltenstherapie oder der Nikotinersatztherapie Arzneimittel mit den Wirkstoffen Vareniclin oder Bupropion Unterstützung bieten. Wenn alle Stricke reißen, ist eine partielle Entwöhnung anzustreben – zehn Zigaretten oder weniger pro Tag machen Sinn. Gerade bei starken Rauchern wird dieses Teilziel leichter zu erreichen sein als die vollständige Abstinenz.
Therapie und Prävention: Wohin die Reise geht
An erster Stelle steht bei modernen Gesundheitskonzepten heute die Prävention. Mehr als 270.000 Menschen konnten sich etwa in den Jahren 2000 bis 2008 durch fünf Rauchfrei-Kampagnen des Deutschen Krebsforschungszentrums vom Glimmstängel verabschieden und damit einer gesünderen Zukunft entgegenblicken. Aber auch die Politik leistet ihren Beitrag: Die Länder haben Verbote in verschiedener Form verankert. Meist ist der blaue Dunst in öffentlichen Gebäuden untersagt. Dazu gehören auch Schulen, Kliniken, Hochschulen oder Behörden des Landes. Auch Restaurants, Bars, oder Diskotheken wurden oftmals zur qualmfreien Zone erklärt. In abgeschlossenen Nebenräumen kann allerdings weiter dem Laster gefrönt werden.
Neben präventiven Ansätzen konzentriert sich die Forschung vor allem auf die Regulation von Entzündungsprozessen in der Lunge. Mit Roflumilast steht bald ein neues Therapeutikum bei COPD zur Verfügung. Für Patienten bringt der Arzneistoff eine leichte Verbesserung der Lungenfunktion mit sich. Kombiniert mit Salmeterol bzw. Tiotropium konnte die Zahl an akuten Verschlechterungsereignissen um bis zu 21 Prozent verringert werden. In den USA wird das Präparat bald auf dem Markt verfügbar sein.
Ein weiteres Ziel der Wissenschaftler ist die Entwicklung von länger wirksamen Bronchodilatatoren. Dadurch könnte die Applikationsfrequenz gesenkt und die Compliance erhöht werden. Das oral zu applizierende Indacaterol verbindet eine rasch einsetzende Wirkung mit einem über 24 Stunden anhaltenden Effekt. Im Dezember 2009 erteilte die europäische Arzneimittelbehörde EMEA dem Präparat die Zulassung.
Um den Nikotinentzug zu erleichtern, sind entsprechende Impfstoffe in der Erprobung. Der Komplex aus Nikotin und dem passenden Antikörper würde die Blut-Hirn-Schranke nicht mehr durchdringen und der Sucht wäre ein wirksamer biochemischer Riegel vorgeschoben.
Ziel einer zukünftigen Arzneimitteltherapie ist allerdings die Heilung und nicht – wie momentan – die Linderung der Symptome. Sollte es gelingen, regenerative Prozesse in der Lunge anzukurbeln, wäre eine Genesung von COPD-Patienten möglich. Trotz erster Erfolg versprechender Ansätze mit Stammzellen oder Abkömmlingen des Vitamins A braucht die Forschung hierfür aber noch einen langen Atem.