Bei NASA Missionen zur ISS, zum Mond und vielleicht sogar zum Mars bedarf es einer medizinischen Versorgung, die auf das Notwendigste beschränkt sein muss, aber nach Möglichkeit keine Abstriche bei der Sicherheit verzeichnen sollte. Ein schwieriger Spagat zwischen Sicherheitsbedürfnis & begrenzten personellen sowie räumlichen Kapazitäten…
Dass einem selbst das Feld-, Wald- & Wiesenhospital mal fehlen könnte, erschließt sich nicht nur dem Bewusstsein, sobald man eine Backpackingtour durch Nepal macht und am dritten Tag von diabolischen Durchfällen heimgesucht wird. Sondern lässt sich schon nachvollziehen, wenn man ein Antibiotikum in einem europäischen Land verschrieben haben möchte, dessen Sprache man nur unzureichend mächtig ist. Wie sieht es aber aus, wenn man sich auf eine Reise fern ab jeglicher Hospitalversorgung begibt, bei der die nächste Hausarztpraxis mehrere hunderttausend, wenn nicht sogar mehrere Millionen Kilometer entfernt ist? Die NASA, sowie auch die ESA sehen sich gerade diesem Problem konfrontiert, und dessen Lösung beeinflusst maßgeblich die personelle als auch die materielle Planung von Raummissionen. Dass eine Grundversorgung, wie sie selbst im Provinzkrankenhaus möglich ist, im All nicht zu leisten ist bedarf keiner weiteren Erläuterung, beachtet man alleine das Platzangebot in einem ISS Modul, vom zu transportierenden Gewicht mal ganz abgesehen. (Ein CT wiegt ca. 50mal so viel, wie ein ganzes Labormodul der USA).
Dies ist auch nicht notwendig, denn es befinden sich im Allgemeinen nur auf Herz und Nieren geprüfte Raumpiloten im Orbit. Weiterführende medizinische Maßnahmen im All müssen da nicht erwartet werden. Trotz jeglicher „präventiver Maßnahmen“ im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen kann auf eine Akutversorgung jedoch nicht verzichtet werden. Deshalb müssen für Raummissionen in Abhängigkeit von ihrer Reisedauer, bzw. Erdentfernug medizinische Geräte zur Verfügung stehen müssen.
Zur Grundausstattung und damit Pflicht für „low-earth-orbit“ Missionen zur ISS gehören eine ganze Batterie an i.v. bzw. i.m. Medikamenten, Instrumente zur Intubation bzw. Notfallkoniotomie, automatische Beatmungsgeräte, Pulsoxymetrie & Blutdruckmesser, ein mobiles Ultraschallgerät, ein EKG Monitor mit integriertem Defibrillator, sowie eine kleine sterile Einheit für minimalistische Operationen. Mindestens ein Astronaut braucht die Ausbildung zum Rettungsassistenten, damit ein professioneller Umgang mit dem reduzierten Instrumentarium gesichert ist, auch wenn Telemedizin oder Audioanleitungen bei diesen geringen Erde-Raumstation Abständen noch möglich wären. Sollte es wider aller Vorsichtsmaßnahmen und Möglichkeiten vor Ort dennoch zu gesundheitlichen Problemen kommen, die einen terrestrisch-stationären Aufenthalt erzwingen, kann zumindest von der ISS aus innerhalb von 24 Stunden eine adäquate Versorgung erreicht werden. Mit größerem Abstand von der Erde wird diese Zeitspange aber immer länger, weshalb mit zunehmender Reisedauer die astronautisch-medizinische Expertise sowie das dazugehörige Equipment an Bord höheren Qualitätsansprüchen genügen muss.
Auf eine Reise zum Mond sollte daher zumindest ein fortgebildeter Rettungsassistent oder sogar Arzt anwesend sein, der speziell im „advanced cardiac life support“ (ACLS) sowie im „advanced trauma life support“ (ATLS) geschult ist. Über konkrete ergänzende Ausstattung bezüglich des Apparativums besteht noch keine letztendliche Einigkeit. Sie sollte aber vorzugsweise bildgebende Verfahren beinhalten und eine modulintegrierte Überdruckkammer zur Rekompression nach Außeneinsätzen.
Reisen zum Mars bedürfen einer weiteren Aufrüstung, kalkuliert man mit (Rück-) Reisezeiten von bis zu 30 Monaten, je nach planetarer Konstellation. Auf einen Arzt ist jetzt definitiv nicht mehr zu verzichten. Weiterhin muss es Infusionslösungen, Blut- & Plasmaprodukte, Antibiotika & weiterführendes chirurgisches Besteck geben, das mindestens zur Entfernung eines akuten Appendix reicht. Die telemedizinische oder funkvermittelte Anweisung von der Erdenstation macht hier keinen Sinn mehr, da die Übertragungsverzögerung bis zu einer Stunde betragen kann.
Die extremen Bedingungen im All führen zu medizinischen Problematiken, denen auf der Erde in der Regel zumeist nur wenig Beachtung geschenkt werden muss. Hierzu gehören 3 wesentliche Dinge: Zum einen ist die psychische Belastung der Astronauten auf interplanetaren Flügen im wahrsten Sinne exorbitant. Hier bedarf es neben bekannten medikamentösen Optionen einem intensiven Austausch zwischen Psychologen und den Raumreisenden. Zum anderen führen die harte kosmische Strahlung und die konstante Schwerelosigkeit zu noch nicht abschätzbaren Langzeitschäden. Die Entwicklung weiterer präventiver Maßnahmen ist hier eine absolute Notwendigkeit, wenn wir Menschen guten Gewissens auf eine Langzeitmission zum Mars schicken wollen. So ein Backpackingtrip der besonderen Art kann nämlich gute 3 Jahre dauern.