Der große Schweiger hat sein Schweigen gebrochen: Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler debütiert auf dem wichtigsten Schauplatz des gesundheitspolitischen Parketts, den Kosten der GKV, mit einer unoriginellen Maßnahme: einem Arzneimittelsparpaket.
Der Mann hat´s nichts leicht. Neulich, bei der CEBIT, erzählte Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler in launigen Sätzen, dass er gerne mal unerkannt im T-Shirt auf dem Ku’damm einkaufen würde. Die Presse habe daraufhin geschrieben, er wolle nackt durch Berlin laufen. Ganz so war es nicht. Aber als ein wenig nackt kam Dr. med Philipp Rösler schon rüber in letzter Zeit, als einer, der angesichts der Probleme des Gesundheitswesens etwas hätte sagen müssen, das aber nicht tat.
Jetzt hat sichs ausgesödert
Geredet haben dafür andere, Markus Söder zum Beispiel, der das von der FDP favorisierte Prämienmodell als „nicht deutschlandtauglich“ abqualifizierte, ohne irgendein Detail zu kennen. Unbestätigten Berichten zufolge knallten daraufhin in der Parteizentrale der Linken die Sektkorken. Kanzlerin Merkel fand die Situation immerhin kritisch genug, dass sie eine Regierungskommission zur Gesundheitsreform einberief, die am 17. März anfangen soll zu arbeiten. In ihr sind nicht weniger als acht (!) Bundesminister vertreten. Schon deswegen dürfte kaum mehr herauskommen als bei den Klausurtagungen des Bundeskabinetts in Meseberg. Söder ist übrigens nicht dabei. Er ließ dann auch prompt das Scheitern der Regierungskommission verkünden, zwei Wochen vor Antritt ihrer Tätigkeit.
Seit wenigen Tagen redet Markus Söder wenigstens nicht mehr ganz alleine: Philipp Rösler ist konkret geworden. Jedenfalls ein bisschen, denn bisher hat er seine Pläne nur holzschnittartig bekannt gemacht. Der Berg hat gekreißt, und heraus kam – ein kleiner Polit-Klon von Ulla Schmidt. Ganz ohne Ironie ist es wahrlich nicht, dass der Gesundheitsminister einer schwarzgelben Regierung, ein FDP-Mann zumal, als erste ernsthaft budgetrelevante Maßnahme seiner Amtszeit ausgerechnet ein Arzneimittelsparpaket auf den Weg bringt. Wir erinnern uns: Rösler hatte sich nur kurz zuvor jegliche Diskussion über eine Priorisierung medizinischer Leistungen verbeten, und zwar mit der Begründung, in einem Gesundheitswesen à la FDP stelle sich dieses Problem gar nicht.
Das hätte Ulla auch so gemacht
Tatsache ist, dass Rösler derzeit dieselben Probleme hat wie alle seine Vorgänger, und dass er jetzt erst einmal genau dieselben Lösungen vorschlägt. Weil schon absehbar ist, dass die GKV in diesem Jahr ganz erheblich zu knabbern haben wird, will Rösler Big Pharma mit kurzfristigen Maßnahmen an die Kandare nahmen. Zwangsrabatt und Preismoratorium, lauten die Schlagworte. Der schon existierende, gesetzlich verordnete Arzneimittelrabatt in Höhe von 6 Prozent soll auf 16 Prozent angehoben werden. Preissteigerungen werden den Unternehmen für drei Jahre untersagt. Besser hätte das Ulla Schmidt auch nicht gekonnt. Der gesundheitspolitische Sprecher der Union, Jens Spahn, hatte denn auch einige Mühe, Röslers Pläne mit dem niedlichen Begriff des „Pharma-Soli“ in etwas weniger knallrotes Licht zu tauchen. Mittelfristig will Rösler die Industrie jetzt auch bei patentgeschützten Arzneimitteln ohne Me too-Drumherum in (Rabatt-)Verträge mit den Krankenkassen zwingen. Grundlage sollen Kosten-Nutzen-Analysen des IQWiG sein, die dann ins Spiel kommen, wenn sich Kostenträger und Unternehmen nicht über sinnvolle Preise einigen können. Das ist auf den ersten Blick neu, war aber in der Politik der letzten Jahre schon angelegt.
„Planwirtschaft“
Zwar kennt bisher niemand die konkreten Pläne Röslers. Trotzdem wird wie üblich schon eifrig darüber geredet. Die forschenden Pharmaunternehmen warnen vor Schnellschüssen: „Die Politik muss entscheiden, ob sie wieder Planwirtschaft oder künftig Wettbewerb will“, sagt vfa-Hauptgeschäftsführerin Cornelia Yzer. Sie geht aber auch einen deutlichen Schritt auf Rösler zu: „Wir stehen dazu, dass künftig Hersteller und Krankenkassen direkt miteinander Verträge abschließen sollen, die jetzt zügig in Gang kommen müssen.“ Tatsächlich hat der vfa gerade erst ein Positionspapier vorgelegt, in dem die Art dieser Verträge etwas konkretisiert wird. Eine vfa-Idee ist, nur dann Kosten-Nutzen-Analysen zu machen, wenn ein innovatives Arzneimittel nicht innerhalb von zwei Jahren nach Zulassung einen Marktanteil von 50 Prozent hat. Das klingt erst einmal großzügig, bedeutet aber natürlich, dass die Preise für alle neuen Medikamente de facto viele Jahre lang frei bleiben. Denn Kosten-Nutzen-Analysen brauchen Zeit.
„Nicht an Sparpaketen messen lassen“
Auch bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ist man auf die Details von Röslers Plänen gespannt. Bei schnellen Kosten-Nutzen-Bewertungen von Arzneimitteln durch das IQWiG sieht man aber Probleme: „In der Vergangenheit sind schnelle Bewertungsversuche häufig durch Diskussionen über die Methoden des Instituts torpediert worden“, betont KBV-Chef Carl-Heinz Müller. Ein Schelm, wer das als Seitenhieb in Richtung Industrie versteht. Die Krankenkassen schließlich scheinen sich noch nicht so ganz schlüssig darüber zu sein, ob die Rückkehr von Ullas Rittern nachhaltig ist oder nicht. „Es sind gute Ideen dabei“, sagt der Chef des AOK-Bundesverbands, Herbert Reichelt, vorsichtig. Klar, weniger zahlen ist immer gut. Andere Krankenkassen wie die Barmer-GEK sind skeptisch, was die Kosten-Nutzen-Bewertungen angeht, da solche Bewertungen unmittelbar nach der Markteinführung schwierig seien. Gut erkannt.
Und Philipp Rösler? Fair bleiben, heißt bis auf weiteres die Devise: „Ich werde mich nicht an Sparpaketen messen lassen“, betont der Minister und beweist damit zumindest Rückgrat. Die entscheidende Frage ist, ob er die Södereien in den Griff kriegt. Die Opposition sitzt im eigenen Haus.