Es sind keine Kinder, die gerne vorgezeigt werden. Sie wirken befremdlich, unzugänglich, abweisend, zeigen keine Gefühle und vermeiden Augenkontakt. Dabei sind autistische Kinder faszinierende Menschen mit häufig verblüffenden Sichtweisen und außergewöhnlichen Fähigkeiten, die einer ganz speziellen Förderung bedürfen, um ihr Potenzial ausschöpfen zu können.
Was ist eigentlich Autismus?
Autismus wird von der WHO als eine tiefgreifende Entwicklungsstörung klassifiziert. Ärzte, Forscher, Angehörigen und Autisten selbst beschreiben Autismus als eine angeborene, unheilbare Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitungsstörung des Gehirns, die sich schon im frühen Kindesalter bemerkbar macht. Auch wird Autismus als angeborenen abweichenden Informationsverarbeitungsmodus, der sich durch Schwächen in sozialer Interaktion und Kommunikation sowie durch stereotype Verhaltensweisen und Stärken bei Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Intelligenz zeigt, bezeichnet.
In den aktuellen Diagnosekriterien wird zwischen frühkindlichem Autismus Kanner-Syndrom und dem Asperger-Syndrom unterschieden, das sich oftmals erst nach dem 3. Lebensjahr bemerkbar macht. Es wird jedoch mittlerweile ein Autismusspektrum (Autismusspektrums-Störung) vermutet, das ganz verschiedene Schweregrade kennt.
Wo kommt der Begriff Autismus her?
Autismus (von griechisch Selbstbezogenheit) nannte im Jahre 1911 der Züricher Psychiater Eugen Bleuler den Rückzug in die eigene psychische Welt - ein Symptom, das auch bei schizophrenen Menschen zu beobachten ist. Bleuler bezeichnete damit "die Loslösung von der Wirklichkeit zusammen mit dem relativen oder absoluten Überwiegen des Innenlebens". Der US-amerikanische Kinderpsychiater Leo Kanner und der Kinderarzt Hans Asperger aus Österreich beschrieben 1943 und 1944 unabhängig voneinander zwei unterschiedliche Störungsbilder, die sie ebenfalls jeweils als autistisch bezeichneten. Diese Störungsbilder sind heute als Kanner-Syndrom beziehungsweise Asperger-Syndrom bekannt.
Woran erkennt man Autismus?
Die Symptome und die individuellen Ausprägungen des Autismus sind vielfältig. Sie können von leichten recht unauffälligen Verhaltensproblemen (häufig als Schüchternheit verkannt) bis zu schwerster geistiger Behinderung reichen. Der frühkindliche Autismus ist eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, die in den ersten 3. Lebensjahren beginnt. Die Hauptsymptome werden dabei im sozialen Umgang mit Mitmenschen, in der Kommunikation, der Sprachentwicklung und in sich stets wiederholenden Handlungen (Stereotypien) deutlich. Das Asperger-Syndrom unterscheidet sich vom frühkindlichen Autismus in erster Linie dadurch, dass oft kein Entwicklungsrückstand in der Sprache oder der kognitiven Entwicklung vorhanden ist. Hingegen sind in der psychomotorischen Entwicklung und der sozialen Interaktion Auffälligkeiten festzustellen.
Symptome:
Wie häufig kommt Autismus vor?
Während man noch vor wenigen Jahren davon ausging, dass der Autismus eine sehr seltene Störung ist, weisen neuere Untersuchungen höhere Häufigkeiten auf. Leider liegen für Deutschland keine genauen Angaben vor. Die folgende Tabelle geht auf Untersuchungen in Europa, Kanada und den USA zurück. Häufigkeit der autistischen Spektrumstörungen
Von der Störung sind Jungen häufiger betroffen als Mädchen.Was ist die Ursache von Autismus?
Es gibt trotz umfangreicher Forschungsergebnisse bislang noch kein Erklärungsmodell, das vollständig und schlüssig die Entstehungsursachen des frühkindlichen Autismus belegen kann. Die noch bis in die 1960er Jahre vertretene These, Autismus entstehe aufgrund der emotionalen Kälte der Mutter (ehemaliger Terminus der sogenannten „Kühlschrankmutter“), durch lieblose Erziehung, mangelnde Zuwendung oder psychische Traumata, gilt heute als widerlegt.
Neuste Untersuchungen von Heidelberger Neurowissenschaftlern deuten allerdings darauf hin, dass Fehlfunktionen synaptischer Moleküle an der Entstehung dieses Krankheitsbildes beteiligt sind. Der Mangel an Neuroligin-1, einem Stimulator der Synapsenbildung, könnte Autismus auslösen. Damit Gehirnzellen kommunizieren können, müssen ihre Kontakte untereinander funktionieren. Dabei spielt das Eiweißmolekül Neuroligin-1 eine wichtige Rolle, da es die notwendigen Reifungsprozesse an den Synapsen stimuliert. Die Synapsen junger Nervenzellen müssen reifen, bevor sie ihre Transmitter in vollem Umfang freisetzen können. An gentechnisch veränderten Nervenzellen von Mäusen konnten die Wissenschaftler zeigen, dass das postsynaptische Neuron Neuroligin-1 in ausreichender Menge bilden muss, damit diese Reifungsprozesse ablaufen. Außerdem müssen die Synapsen eine geringe Menge an Botenstoffen abgeben können, um das Neuroligin in der nachgeschalteten Nervenzelle zu stimulieren. Ein voll funktionsfähiger Kontakt kommt also nur zustande, wenn sich beide Seiten also Sender und Empfänger der Information, am Reifungsprozess beteiligen. Wird kein Neuroligin-1 gebildet, bleiben die Nervenendigungen in unreifen Stadien und setzen weniger Botenstoff frei, der Informationsfluss ist somit gestört.
Wie kann man Autismus behandeln?
Ausgehend vom individuellen Entwicklungsprofil der jungen Patienten wird ein ganzheitlicher Behandlungsplan aufgestellt, in dem die Art der Behandlung einzelner Symptome festgelegt und die einzelnen Behandlungsarten aufeinander abgestimmt werden. Bei den Kindern wird das gesamte Umfeld (Eltern, Familien, Kindergarten, Schule) in den Behandlungsplan einbezogen.
Die Verhaltenstherapie ist in der Autismustherapie die am besten wissenschaftlich abgesicherte Therapieform. Ziel ist es, einerseits störende und unangemessene Verhaltensweisen wie übermäßige Stereotypien oder (auto)aggressives Verhalten abzubauen und andererseits soziale und kommunikative Fähigkeiten aufzubauen. Im Prinzip wird dabei so vorgegangen, dass erwünschtes Verhalten durchgängig und erkennbar belohnt wird (positive Verstärkung). Verhaltenstherapien können entweder ganzheitlich oder auf einzelne Symptome ausgerichtet sein.
Eltern autistischer Kinder erleben nachweislich signifikant mehr Stress als Eltern von Kindern mit anderen Krankheiten oder Behinderungen. Eine Reduzierung des Stresses der Eltern zeigt deutliche Besserungen im Verhalten ihrer autistischen Kinder. Es gibt starke Hinweise für einen Zusammenhang zwischen der Stressbelastung der Eltern und den Verhaltensproblemen ihrer Kinder, unabhängig von der Schwere des Autismus. Von daher ist Elterntraining ein wichtiger Therapiebestandteil.
Es gibt keine Medikamente gegen den Autismus an sich, und bis heute wurde noch kein einziges Medikament für autistische Menschen zugelassen. Lediglich eine medikamentöse Behandlung der Begleitsymptome des Autismus wie beispielsweise Angst, Depressionen, Aggressivität oder Zwänge mit Medikamenten wie Antidepressiva (etwa SSRI), atypische Neuroleptika oder Benzodiazepine kann eine Komponente im Gesamtbehandlungsplan sein.
Die Ergotherapie umfasst handwerkliche, gestalterische sowie spielerische Übungen. Einen elementaren Bereich stellt das Üben lebenspraktischer Tätigkeiten dar, um eine möglichst eigenverantwortliche Alltagsbewältigung zu erzielen.
Physiotherapie kann motorische Defizite abbauen.
Logopädie kann Sprachauffälligkeiten in Lautstärke, Tonlage, Geschwindigkeit und Modulation normalisieren.
Mögliche ergänzende Methoden sind etwa Musiktherapie, Kunsttherapie, Massagetherapie, Reittherapie oder Delfintherapie. Sie können die Lebensqualität steigern, indem sie positiv auf Stimmung, Ausgeglichenheit und Kontaktfähigkeit einwirken.