Nicht lange her, da haben Ärzteverbände sich zur Empfehlung zur Online-Anbindung von Praxen durchgerungen. Das Echo war begrenzt. In Bayern führt die KV deswegen ein PIN/TAN-Verfahren ein. In der Pfalz sind plötzlich Karten erlaubt. Droht das Online-Chaos?
Praxiscomputer ans Netz? Das war wegen berechtigter Sicherheitsbedenken lange Jahre komplett indiskutabel. Das Dogma weichte freilich auf, als sich mehr und mehr Anbieter mit speziell für das Gesundheitswesen konzipierten Intranet-Lösungen auf den Markt wagten. Vor anderthalb Jahren zogen dann auch die Spitzenverbände der Ärzteschaft, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Bundesärztekammer, nach. Mit den von beiden Organen gemeinsam verantworteten Empfehlungen zum Datenschutz gab es erstmals einen offiziellen Leitfaden, auf den sich Ärzte, die mit ihrer Praxis online gehen wollen, seither berufen können.
Das KV SafeNet bleibt hinter den Erwartungen zurück
Die Botschaft dieses Leitfadens ist auch ziemlich eindeutig: Zu bevorzugen ist ein so genanntes Hardware-VPN (Virtual Private Network), also ein mittels VPN-Box aufgebautes Intranet. Nur das biete jene maximale Sicherheit, die im medizinischen Bereich anzustreben sei, heißt es sinngemäß in den Empfehlungen. Natürlich war die Veröffentlichung im Sommer 2009 kein Zufall: Die Kassenärztlichen Vereinigungen hatten mit dem KV-SafeNet ein eigenes Hardware-Intranet zur Kommunikation zwischen Arzt und KV entwickelt. Der Fairness halber muss man allerdings dazu sagen, dass die Empfehlungen diesbezüglich neutral waren und sind. Spezielle SafeNet-Router sind bis heute keine zwingende Voraussetzung, um die Empfehlungen von KBV und BÄK einzuhalten. Es geht auch mit anderen Boxen.
So weit, so gut, dachte man damals. Seither freilich hat sich ein Problem aufgetan. Vor lauter Vorfreude wurde seitens der Kassenärztlichen Bundesvereinigung beschlossen, die stark bürokratiereduzierende Online-Abrechnung mit der KV für Kassenärzte ab 2011 zur Pflicht zu machen. In einem Jahr also. Unglücklicherweise haben bisher aber nur etwa 10000 niedergelassene Ärzte bundesweit einen SafeNet-Anschluss von einem der dafür in Frage kommenden Anbieter beantragt. Das zumindest ist die offizielle Zahl der KBV. Soll heißen: Wenn sich hier nicht schleunigst was tut, wird das entweder nichts mit der flächendeckenden Online-Abrechnung. Oder aber, andere Variante, die Ärzte rechnen online ab, aber ohne KV SafeNet. Das geht durchaus, entspricht dann aber nicht den Empfehlungen der Spitzenverbände.
KV Ident als „Online Light“?
Der Grund für die Zurückhaltung der Ärzte ist relativ simpel. Das SafeNet kostet Geld, so rund 20 bis 30 Euro pro Monat. Zwar gibt es diverse Online-Initiativen der KVen, die Online-Abrechnern das online abrechnen finanziell versüßen. Das war aber offensichtlich nicht überzeugend genug, beziehungsweise teilweise waren die Teilnehmerzahlen in diesen Initiativen auch einfach limitiert. Nachdem auch im Gebiet der KV Bayerns die SafeNet-Quote bisher nicht wesentlich über 10 Prozent liegt, zieht man dort jetzt die Notbremse und präsentiert der etwas erstaunten Fachöffentlichkeit das KV Ident-Verfahren. Klingt aufwändig, ist aber nichts anderes als ein abgewandeltes PIN/TAN-Verfahren, bei dem nicht – wie bei den meisten Banken – TAN-Listen verschickt werden, sondern eine kleine Tabelle, ein TAN-Generator. Will sich ein Arzt via KV Ident bei der KB Bayerns einloggen, dann gibt er eine PIN ein und dann eine TAN, die jeweils für jede Sitzung individuell erzeugt wird. Die entsprechenden Vorgaben erhält er von der Software. Den einzugebenden Code liest er dann von seiner Tabelle ab. Das Ganze kostet die Ärzte nichts extra. Online-Banking halt.
Schöne bunte Online-Welt
Dass die KV Bayerns als Mit-Erfinderin des KV SafeNet jetzt plötzlich eine kostenlose Alternative präsentiert, ist nicht ganz ohne Pikanterie. Jene Ärzte, die das SafeNet schon nutzen, könnten sich zumindest fragen, warum sie Geld für etwas bezahlen sollen, das andere umsonst kriegen. Denn die KV-Anwendungen, die über SafeNet und KV Ident zur Verfügung stehen, sollen sich nicht unterscheiden, heißt es. KV Ident ist im Übrigen auch nicht die einzige Orchidee in der ärztlichen Online-Welt. Die KV Rheinland-Pfalz lässt für ihre Online-Anwendungen seit Kurzem neben dem KV SafeNet die MediSign-Karte zu, bietet also einen dritten Weg, der so in den Empfehlungen der Spitzenverbände auch nicht vorkommt. Dieser liegt preislich zwischen SafeNet und KV Ident. Als weitere Option steht zumindest punktuell bereits der elektronische Heilberufsausweis zur Verfügung, den die Ärztekammern gerade einführen wollen. Die interessanten Fragen lauten jetzt: Droht das totale Online-Chaos im deutschen Gesundheitswesen? Stirbt das KV SafeNet aus? Setzt sich der elektronische Heilberufsausweis durch oder wird er eine Pleite? Oder ist die Tatsache, dass dank unterschiedlicher Wege zum Netz vermutlich mehr Ärzte den Weg in die Online-Welt finden werden, schon ein Segen an sich?