Besonders Frauen ärgern sich über einen großen Umfang ihrer Oberschenkel. Beine so schmal wie lang sind aber zumindest medizinisch gar nicht so erstrebenswert. Denn ein geringer Schenkelumfang erhöht offenbar das Risiko einer späteren Herzerkrankung und des Todes.
Dicke Schenkel entsprechen kaum dem gängigen Schönheitsideal, sind allerdings aus medizinischer Sicht mit Vorteilen behaftet. Denn stramme Schenkel mit einem Umfang von 60 cm sind mit Herzgesundheit assoziiert. Frauen und Männer unterhalb dieser magischen Grenze erkranken deutlich häufiger am Herzen und riskieren, früher zu sterben, ergab eine Studie von Berit Heitmann vom Institut für Präventivmedizin des Kopenhagener Universitätskrankenhauses. Damit entdeckte sie vielleicht einen neuen Parameter und Marker des kardiovaskulären Risikos.
Fett: Gefährlich oder harmlos?
Bereits belegt ist eine U-förmige Beziehung zwischen dem Body Mass Index (BMI) und der Mortalität. Sowohl ein zu hoher als auch zu niedriger BMI sind demnach mit Krankheit und Tod assoziiert. Während bei Übergewicht der hohe Fettanteil für das erhöhte Todesrisiko verantwortlich ist, ist es bei Untergewicht wahrscheinlich der zu geringe Anteil an freiem Fett. Im Hinblick auf das kardiovaskuläre Risiko erwies sich allerdings der BMI als nicht so aussagekräftig wie Messungen des zentralen Fettanteils, etwa des Taille-Hüft-Umfangs (Waist-to-Hip-Ratio) oder des Verhältnisses der Körpergröße zur Taille (Waist-to Height-Ratio), ergab eine Metaanalyse (Journal of Clinical Epidemiology 2008; 61: 646-653). Damit ist Fett nicht grundsätzlich gefährlich, jedoch die Verteilung bedeutend. Die aktuelle Studie weist nun eine neue möglicherweise relevante anthropometrische Messung als relevant aus. Dabei zeigte sich des Maß des Oberschenkelumfangs unterhalb der Glutealfalte völlig unabhängig von Messungen des Bauchfetts oder allgemeinen Fetts.
Dünne Beine, krankes Herz
Zugrunde liegt die Auswertung von Daten des dänischen MONICA (Multinational MONItoring of trends and determinants in CArdiovascular disease)-Projekts. Diese von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) initiierte Studie diente in den 80er Jahren der Ermittlung von Risikofaktoren und deren Veränderungen in 21 Ländern. Von den durchschnittlich 50 Jahre alten 2.800 Frauen und Männern lagen verschiedenste Messungen wie Größe, Gewicht, Oberschenkel-, Hüft- und Taillenumfang sowie bioelektrische Impedanzmessungen der Körperzusammensetzung vor. Mittels nationaler Register ließen sich Personen identifizieren, die in den folgenden zehn Jahren kardiovaskulär erkrankten oder nach 12,5 Jahren gestorben waren.
Personen mit dünnen Oberschenkeln, gemessen unterhalb der Glutealfalte, wiesen ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und die koronare Herzkrankheit auf. Auch die Gesamtsterblichkeit betroffener Frauen und Männer war erhöht. Dabei zeigte sich ein Grenzwert von 60 cm. Unterhalb jener Grenze war das Erkrankungs- und Todesrisiko mehr als doppelt so hoch wie bei Menschen mit kräftigeren Schenkeln. Allerdings war noch mehr Schenkelumfang nicht mit einem zusätzlichen Nutzen verbunden. Die Ergebnisse waren von anderen bekannten Risikofaktoren wie Rauchen, Bluthochdruck, Hyperlipidämie, u.a. unabhängig.
Starke Muckis an Beinen und Herz
Der Fakt, dass die gefundenen Zusammenhänge nicht vom Körperfett oder dem abdominalen Fett abhängen, lässt die Forscher vermuten, dass die geringe Muskelmasse bei dünnen Beinen verantwortlich zu machen ist. Allerdings führten sie keine Untersuchungen der Gewebezusammensetzung durch. Doch stimmt diese Theorie mit anderen Befunden überein, wonach eine geringere Körpermuskelmasse mit der Entwicklung eines Typ-II-Diabetes assoziiert ist und mit einer erhöhten Insulinresistenz einhergeht. Dies hat mit Über- oder Untergewicht zunächst einmal wenig zu tun, was z.B. auch für Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) bekannt ist. Diese weisen speziell an der unteren Extremität einen Muskelschwund auf. Ihr mittlerer Oberschenkeldurchmesser erwies sich in einer Studie als besserer Prädiktor der Mortalität als der BMI.
Möglicherweise ist der geringe Schenkelumfang schlicht ein Maß für mangelnde körperliche Aktivität. Einfaches Gegenmittel wäre demnach Training. Auch wenn die Befunde in weiteren Studien zu bestätigen sind, wie es im zugehörigen Editorial heißt, könnte der Oberschenkelumfang Ärzten helfen, Risikopatienten zu identifizieren.