Die Präeklampsie zählt zu den Hauptursachen für Komplikationen während der zweiten Schwangerschaftshälfte. Ein neuer automatisierter Bluttest könnte helfen, die Erkrankung rascher und sicherer als bisher zu erkennen.
Wenn werdende Mütter nach der 20. Schwangerschaftswoche einen erhöhten Blutdruck haben und viel Eiweiß in ihrem Urin ausscheiden, ist größte Vorsicht geboten. Dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie an einer Präeklampsie leiden. Diese Erkrankung tritt bei rund fünf Prozent aller Schwangerschaften auf und äußert sich sehr vielgestaltig. Die Betroffenen klagen über Schwindel, Kopfschmerzen, Benommenheit, Sehstörungen, Übelkeit und Erbrechen. Die Erkrankung kann mild verlaufen, jedoch im schlimmsten Fall bis zum Tod von Mutter und Kind führen. Zur Gefahr wird sie vor allem dann, wenn Krampfanfälle auftreten und das Kind vorzeitig entbunden werden muss.
Als viel versprechender Ansatz, um eine Präeklampsie vorherzusagen und sie sicherer als bisher zu diagnostizieren, gilt die Bestimmung der Biomarker sFlt-1 und PlGF im Blut: Beide Proteine spielen eine wichtige Rolle bei der Bildung von Blutgefäßen. Seit einigen Jahren ist bekannt, dass bei Präeklampsie die Plazenta mehr sFlt-1 und weniger PlGF produziert und sich dadurch die Konzentration der beiden Botenstoffe im Blut verändert. Dieses Ungleichgewicht schädigt Blutgefäße im ganzen Körper und führt schließlich zu Bluthochdruck und Proteinurie, den Leitsymptomen der Präeklampsie.
Bereit zum Routineeinsatz
In einer klinischen Studie haben Mediziner nun untersucht, ob sich die automatisierte Messung der beiden Proteine eignet, um Patientinnen mit einer Präeklampsie zu identifizieren. Wie Stefan Verlohren und seine Kollegen im American Journal of Obstetrics and Gynecology berichten, lassen sich mit einem automatisierten Test der Firma Roche sehr schnell die Konzentrationen von sFlt-1 und PlGF sowie der Quotient der beiden Moleküle bestimmen und zuverlässig vorhersagen, welche Schwangere später eine Präeklampsie entwickelt und welche nicht. „Das Verfahren war bisher nur im Forschungslabor verfügbar, jetzt kann man es routinemäßig einsetzen“, sagt Verlohren, der Assistenzarzt an der Klinik für Geburtsmedizin der Berliner Charité ist.
Insgesamt wurden 351 schwangere Frauen in mehreren Kliniken untersucht. Davon hatten 280 eine normale Schwangerschaft, 71 waren an Präeklampsie erkrankt. Bei 37 Patientinnen war die Krankheit zwischen der 20. und der 34. Schwangerschaftswoche ausgebrochen, bei 34 Patientinnen danach. Im Vergleich zu den gesunden Frauen zeigte sich, dass bei den Frauen, die an einer Präeklampsie litten, die Menge an sFlt-1 erhöht und die Menge an PlGF im Blut erniedrigt war. Besonders deutlich wurde der Unterschied zwischen den beiden Gruppen, wenn man den Quotient aus sFlt-1 und PlGF bildete: In der Präeklampsie-Gruppe betrug der Quotient durchschnittlich 354,5 und in der Kontrollgruppe 19,4.
Test zeigt hohe Spezifität
Zur einfacheren Handhabung für den Routineeinsatz in Kliniken, legten die Mediziner einen Grenzwert für den Quotienten fest. Überschritt der Quotient den Wert von 85, sollte die Testperson an einer Präeklampsie erkrankt sein; bei Werten darunter sollte eine normale Schwangerschaft vorliegen. Beim Vergleich mit den tatsächlichen Diagnose-Ergebnissen der Studie zeigte sich, dass der Test eine Sensitivität von 82 Prozent und eine Spezifität von 95 Prozent aufwies, der Test erkannte also 82 Prozent der erkrankten Probandinnen und stellte fest, dass bei 95 Prozent der gesunden Schwangeren keine Krankheit vorliegt.
Auch wenn diese Zahlen aufgrund der geringen Anzahl an erkrankten Patientinnen noch vorläufig sind, stellen sie einen großen Fortschritt dar, um Präeklampsie besser vorhersagen zu können: „Bislang war die einzige Früherkennungsmethode der Doppler-Ultraschall im Rahmen der Feindiagnostik während der 20. Schwangerschaftswoche“, sagt Verlohren. „Mit diesem Verfahren wird die Durchblutung der Gebärmutter-Arterie gemessen, die bei Präeklampsie-Patientinnen reduziert ist.“ Allerdings ist es nur wenig spezifisch. Verlohren: „Wir verunsichern damit viele eigentlich gesunde Schwangere.“ Der neue Test könne diesen Frauen die Angst nehmen.
Engmaschige Beobachtung der Risikopatientinnen
Da die veränderten Werte schon vor dem Auftreten von Symptomen messbar sind, kann nach Ansicht von Verlohren der Test vor allem dabei helfen, exakt die schwangeren Frauen zu identifizieren, die ein stark erhöhtes Risiko für das spätere Auftreten der Erkrankung haben. „Die Betroffenen können dann intensiver beobachtet sowie an eine spezialisierte Klinik überwiesen werden“, schildert Verlohren. Da die genaue Ursache der Krankheit nicht bekannt ist, gibt es bislang noch keine kausale Therapie. Gerade bei schweren Verläufen, also wenn eine Schädigung der Leber oder Krampfanfälle drohen, bleibt den Medizinern dann nur die Möglichkeit der sofortigen Entbindung. „Wir schützen dadurch die Mutter, denn nach dem Entfernen der Plazenta bilden sich die Symptome rasch zurück“, sagt Verlohren. „Leider kommt das Kind dann als Frühgeburt auf die Welt.“ Durch die Überwachung in einem Perinatalzentrum könne man allerdings Zeit gewinnen, um noch vor der Geburt die Lungenreifung des Kindes einzuleiten.
Noch wird der Test nur an wenigen Kliniken in Deutschland angewendet. Bis er in allen deutschen Frauenkliniken zum Einsatz kommt, wird wohl noch eine Weile vergehen. Denn Verlohren rät zu einem schrittweisen Vorgehen bei der Einführung des neuen Tests. Er stimmt darin überein mit seinem Kollegen Thorsten Fischer, Chefarzt der Frauenklinik des Krankenhauses Landshut-Achdorf. „Möglichst viele Forschungsgruppen in Deutschland, die sich mit Präeklampsie beschäftigen, sollten in den nächsten zwei Jahren erst einmal weitere klinische Erfahrungen sammeln“, empfiehlt Fischer. „Dann hätten wir mehr Daten als bisher, um genauer zu evaluieren, wie breit der Test zum Einsatz kommen sollte.“
Aspirin senkt Krankheitsrisiko
Dagegen fordert Markus Schmidt, Oberarzt an der Frauenklinik des Universitätsklinikums Essen, eine raschere Verbreitung des neuen Tests. „Möglichst viele Schwangere sollten auf sFlt-1 und PlGF getestet werden“, meint Schmidt, „idealerweise schon zwischen der 12. und 14. Schwangerschaftswoche, damit man auch Risikopatientinnen mit frühzeitigem Erkrankungsbeginn erkennt, bevor die Präeklampsie ausbricht.“ Wie frühere Studien ergeben hätten, ließe sich das Krankheitsrisiko reduzieren, wenn mit der Gabe von Aspirin vor der 16. Schwangerschaftswoche begonnen werde.