Schokolade, Kuchen, Junk-Food – das Verlangen nach ungesunden Nahrungsmitteln hat System. Denn hinter Jo-Jo-Effekt und Heißhunger nach Süßem und anderem Ungesunden stecken schlicht und ergreifend Entzugssymptome mit Angst und Stress.
Erfahrungen mit dem Jo-Jo-Effekt nach Diäten und besonders starken Gelüsten nach Ungesundem haben schon etliche Abnehmwillige gemacht. Wider besseres Wissens isst manch einer, dessen wochenlanger Verzicht auf alles Schmackhafte sogar mit schwindenen Pfunden honoriert wurde, wieder genau die Nahrungsmittel, die dick machen. Alles umsonst.
Essen gegen Stress und Angst
Mangelnder Wille oder Unvernunft aber steckt, wie oft vermutet, nicht hinter dem Phänomen, das Füllige trotz Abnehmversuchen weiter zunehmen lässt. Vielmehr aktivieren wechselnde Perioden von ungesunder und gesunder Ernährung das Stresssystem des Gehirns, so das Ergebnis einer Studie um Pietro Cottone des Committee on the Neurobiology of Addictive Disorders des Scipps Research Instiute in La Jolla Kalifornien. Folge dieser Aktivierung sind laut Forscher vermehrte Fressattacken, die Angst und Entzugssymptome reduzieren.
Zumindest ließ sich dies bei Ratten beobachten, die wechselnde Nahrung erhielten. Während es fünf Tage lang reguläres Fressen gab, wurden sie zwei Tage lang mit einer mit Schokoladen-Aroma versetzten Nahrung gefüttert. Eine zweite Gruppe der Tiere erhielt das gewohnte Futter. Alle Tiere durften soviel essen wie sie wollten.
Ratten mit Schokoladen-Futter wollten sehr bald nicht mehr vom schmackhaften Essen lassen und verweigerten das normale Futter. Zudem vermieden sie angstauslösende Situationen. Bekamen sie wieder die Leckerbissen, normalisierte sich nicht nur ihr Verhalten, sie fraßen auch mehr als eigentlich nötig.
Stresssystem im Hirn beeinflusst Verhalten
In einem nächsten Schritt maßen Cottone und Mitarbeiter die Menge des Cortikotropin-Releasing-Faktors (CRF) in der Amygdala des Gehirns. Die Amygdala ist für die Verarbeitung von Stress und Angst bedeutend. CRF gilt als Schlüsselneuropeptid des Stresses. Eine Aktivierung des CFS-Systems der Amygdala ließ sich bereits in Studien zur Drogen- und Alkoholabhängigkeit nachweisen. Die mit Süßem verwöhnten Tiere wiesen bei „Entzug“ fünffach höhere Werte des CRF auf als normal Gefütterte.
Dass die Aktivierung des Stresssytems Ursache der Verhaltensveränderungen der Tiere war, belegt der folgende Therapieversuch mit der Substanz R121919, ein CRF-Rezeptor-Antagonist minderte Fressanfälle und normales Fressen wurde wieder akzeptiert. Angstverhalten trat nicht mehr auf.
Die CRF-Rezeptor-Blockade ist auch Thema bei der Therapie der Alkoholabhängigkeit. Forschung auf diesem Gebiet betreibt Markus Heilig, Psychiater am National Institute on Alcohol Abuse and Alcoholism in Bethesda, Maryland. Er identifizierte eine vielversprechende Substanz, die Ratten vom Alkoholtrinken abhielt.
Ungesundes Essen als Selbsttherapie
Den Mechanismus des Jo-Jo-Effekts erklärt Eric Zorilla, Mitarbeiter der Studie und Mitglied des Pearson Center for Alcoholism ans Addiction Research des Scipps Research Institute, mit negativer Verstärkung. Demnach essen Menschen nach Diäten nicht der Lust und positiven Verstärkung wegen, sondern aufgrund der Stressreduktion. Das Essen wird auf diese Art zur Selbsttherapie. Die Klärung der neurochemischen Basis von Verhalten nach Diäten macht deutlich, warum v.a. wiederholte Diäten häufig nicht wirksam sind, um Gewicht zu reduzieren.
Die Aktivierung des Stresssystems ist nicht nur mit seelischen Erkrankungen sondern auch mit anderen körperlichen Erkrankungen wie Herzerkrankungen verbunden. Bedeutung könnte die Arbeit auch für Patienten mit Essstörungen wie der Bulimie haben. Ob hier der bei den Tieren eingesetzte Wirkstoff therapeutisch eingesetzt werden könnte, sollte Gegenstand weiterer Untersuchungen sein.