Herstellern kam die Idee, „wundersame“ Magnesiumpräparate zum Auftragen auf die Haut anzubieten. Doch kann Magnesium durch transdermale Applikation überhaupt in den Blutkreislauf gelangen? Sucht man nach Beweisen, macht sich rasch Ernüchterung breit.
Magnesium ist einer der vielseitigsten und bestuntersuchtesten Mineralstoffe – die Wirkungen sind in der Tat nachweisbar. Dies gilt jedoch für die Anwendung in eingenommener Form und nicht über die Haut. Auf der seriös erscheinenden Website von news-medical wird die transdermale Applikation von Magnesiumsalzen oder „Öl“ u.a. für Kinder mit Schlafstörungen empfohlen. Medizinische Fakten über Magnesium werden geschickt mit nicht belegbaren Aussagen verwoben. Das Mineral soll durch die Haut in den Körper gelangen und Rheuma, Asthma, Diabetes, Migräne, Stress und zahlreiche andere Störungen heilen. Studien der University of Edinburgh und der University of Cambridge belegen die Rolle von intrazellulärem Magnesium bei Schlafstörungen, es werden auch Verknüpfungen zu den GABA-Rezeptoren hergestellt. Hierauf bezieht sich news-medical. Der Beleg, dass Magnesiumöl den intrazellulären Mangnesiumspiegel anhebt, bleibt jedoch aus. Der Laie hat hier Probleme die Spreu vom Weizen zu trennen.
Beispielsweise wird auf einer Herstellerwebsite eine Publikation über die transdermale Magnesium-Resorption von Dr. Charles Heard, Universität Cardiff, erwähnt. Heard ist tatsächlich Mitarbeiter der Universität. In seinem Publikationsverzeichnis ist die erwähnte Studie aber nicht aufgeführt. Auch in Pubmed ist sie nicht gelistet und eine Anfrage bei der erwähnten Zeitschrift zeigt auch: diese Studie wurde niemals publiziert. Lediglich im Internet befindet sich ein unveröffentlichter Bericht über die transdermale Magnesiumresorption von Heard, in Auftrag gegeben von Andrew Thomas, der Herstellerfirma Better You des Magnesiumsprays. Sogar in Fachportalen wie apotheke adhoc wird Mangesiumöl als Spray, Fußbad und Mundspülung als Multitalent angepriesen. Es heißt: „Über die Haut kann die gesamte Wirkstoffmenge aufgenommen werden, die Speicher werden schneller wieder aufgefüllt“. Quellenangaben für die Behauptungen gibt es nicht. Muskelkrämpfe, Sportverletzungen, Arthritis, Gelenkschmerzen, Osteoporose, Multiple Sklerose, Restless-Leg-Syndrom, Hauterkrankungen, Asthma, Diabetes, Bluthochdruck, Stress, Erkältungen – das Öl soll gegen alles wirken. „Ganz im Ernst: Vier Jahre Pharmaziestudium, und das setzt ihr uns hier vor?“, so ein Kommentar zum Beitrag. Oder etwas sarkastischer: „Um betrunken zu werden, mache ich immer ein Bierfußbad.“
Im KOPP-Verlag wird ebenso vom Magnesiumöl geschwärmt: „Magnesiumoxid beispielsweise kommt nur zu vier Prozent im Organismus an. Ganz anders Magnesiumöl. Die Flüssigkeit kann auf die Haut aufgetragen werden. Auf diesem Weg werden hundert Prozent (!) des Magnesiums vom Körper absorbiert. Das Mineral zeigt so sehr schnell seine erstaunlichen Effekte“. Eine Studie von Gulick et al. untersuchte die Wirkung einer magnesiumchloridhaltigen Creme bei Sportlern. Ergebnis: keine signifikante Wirkung gegen Muskelbeschwerden. „In dieser [Zubereitung] liegt Magnesium in ionisierter Form vor und ist nicht in der Lage, eine lipophile Schicht, wie die Haut sie darstellt, zu durchdringen“, so Professor Dr. Jürgen Vormann vom Institut für Prävention und Ernährung (IPEV), Ismaning, in einem Beitrag über transdermale Applikation. Eine ebenfalls herangezogene Studie für den Beleg der transdermalen Magnesiumresorption ist eine Untersuchung von Dr. Rosemary Waring von der University of Birmingham, in der Probanden an sieben Tagen täglich für zwölf Minuten ein Ganzkörperbad bei 50 bis 55° C in einer Lösung von Magnesiumsulfat nahmen. Die Autoren berichten danach von einem Anstieg der Serum-Magnesiumkonzentration. Diese Studie ist bisher nur auf einer kommerziellen Internetseite veröffentlich, jedoch nicht in einer wissenschaftlichen, peer-reviewed Zeitschrift.
Auf der österreichischen Homepage medizin-transparent wird ein Resümee gezogen: „Gut gemachte Studien mit ausreichend vielen Probanden, verlässlicher Randomisierung, Kontrollgruppen sowie Verblindung von Probanden und Ärzten fehlen“. Stiftung Warentest positioniert sich deutlich: „Zur dermalen Aufnahme von Magnesium gibt es keine validen Studien, so lassen sich derzeit keine Aussagen über die möglichen Wirkungen von Magnesiumölen machen“.
Die Hornschicht der Epidermis bildet eine sehr stabile Barriere gegen Fremdstoffe. Sie macht es zahlreichen Stoffen unmöglich, in den Körper einzudringen. Dabei spielt die Größe der Teilchen eine untergeordnete Rolle, sondern vielmehr die Löslichkeit in Wasser oder Fett. Nur fettlösliche Substanzen sind in der Lage, die Hautbarriere durch Diffusion zu überwinden und in den Körper zu gelangen. Mineralsalze wie Magnesiumchlorid zerfallen in einer wässrigen Lösung in Ionen. Metallionen wie die von Magnesium sind wasser- und nicht fettlöslich. Ein wichtiger Fakt für die Tatsache, dass Magnesiumionen nicht über die Haut in das Körperinnere gelangen können. Die Verabreichung von transdermalen Arzneimitteln hat eine lange Tradition. Es müssen jedoch zahlreiche Bedingungen erfüllt sein, damit Substanzen über die Haut in das Körperinnere gelangen und dort einen wirksamen Blutspiegel aufbauen. Transdermale-therapeutische Systeme (TTS) sind komplex aufgebaute Wirkstoffspeicher, die Hormone, Schmerzmittel oder weitere Arzneistoffe in den Körper schleusen. Aber auch aus Salben oder Cremes gelingt es Substanzen, in das Körperinnere zu gelangen.
Hautanhangsgebilde wie Haarfollikel, Schweiß- und Talgdrüsen treten durch die Epidermis hindurch und könnten theoretisch als Einlassöffnungen für Fremdstoffe dienen. Diese „Öffnungen“ bilden jedoch flächenmäßig einen so geringen Anteil der Haut, dass dies keine Rolle spielt. Schweißdrüsen und Haarfollikel machen etwa 0,1 bis 1 Prozent der Hautoberfläche aus. Ein weiterer Beleg dafür, dass Ionen nicht in nennenswertem Umfang in das Körperinnere gelangen, ist das Tote Meer. Das Wasser dort enthält 37 Prozent Kalium-, 53 Prozent Magnesium- und 8 Prozent Natriumchlorid. Würden bei einem Bad tatsächlich die Ionen in den Körper gelangen wäre ein Aufenthalt im Toten Meer tödlich, weil Kalium zu extremen Herzrhythmusstörungen führen würde.
Laut zahlreicher Werbeaussagen soll die transdermale Anwendung von Magnesiumöl hochwirksam und frei von Nebenwirkungen sein. Magnesiumöl ist aber laut Definition kein Öl und auch nicht fettlöslich. Es handelt sich um eine konzentrierte Lösung von Magnesiumchlorid von hochviskoser, scheinbar öliger Konsistenz. Das österreichische unabhängige Verbraucherportal KONSUMENT hat klar Stellung bezogen: „Es gibt keine guten Studien zu diesem Thema. Daher fehlen verlässliche Informationen, ob oder in welcher Form Magnesium die Haut durchdringen und eine Wirkung entfalten kann“. Die Beweislage wird als unzureichend eingestuft. Magnesium ist ein wertvolles Mineral und spielt in der orthomoleklularen Medizin eine bedeutsame Rolle mit zahlreichen validen Indikationen. Es ist schade, dass unseriöse Veröffentlichungen über transdermale Zubereitungen ein schlechtes Licht auf das zweiwertige Ion werfen.