Die zyostatische Wirkung von Vincristin bei nierdergradigen Gliomen wird von Molekularmedizinern in Frage gestellt. Eine Studie kommt zu einem überraschenden Ergebnis: Das antiparasitäre Mittel Mebendazol erreicht Tumorzellen besser als Vincistrin.
Zu den niedergradigen Gliomen (Low Grade Glioma) gehören „semi-benigne“ Astrozytome, Oligodendrogliome, Oligo-Astrozytome sowie Ependymome. Sie wachsen langsam und verursachen zumindest anfangs kaum Beschwerden, da andere Gehirnregionen Aufgaben übernehmen. Wie alle Hirntumore können Gliome je nach Lage chirurgisch entfernt, bestrahlt oder mit Chemotherapien behandelt werden. Pharmazeutisch bleibt als Herausforderung, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden.
Professor Marc Symons, Molekularforscher am Feinstein Institute for Medical Research, untersuchte im Labor verschiedene Pharmaka, die in Chemotherapie-Protokollen zu finden sind. „Wir waren ziemlich überrascht, zu sehen, dass Vincristin in unserem In-vivo-Gliom-Modell völlig inaktiv war“, berichtet der Experte. „Im gleichen Modell wirkte Mebendazol sehr gut.“ Symons spekuliert, Vincristin sei irrtümlich als nützlich eingestuft worden. Ärzte hätten das Molekül immer zusammen mit anderen Wirkstoffen eingesetzt. Mebendazol überwindet die Blut-Hirn-Schranke und erreicht Tumorzellen besser als Vincristin. Bislang ist Mebendazol Apothekern vor allem als Anthelminthikum ein Begriff. Es wird bei Wurminfektionen durch Nematoden oder Bandwürmer sowie bei der zystischen Echinokokkose, der alveolären Echinokokkose und der Trichinose eingesetzt. Der Wirkstoff bindet an Mikrotubuli im Darm von Würmern. Hier kommt es zur Unterbrechung der Glukose-Aufnahme.
Basierend auf den neuen Ergebnissen – und aufgrund der Tatsache, dass Vincristin oft schwere Nebenwirkungen im Vergleich zu relativ harmlosen Reaktionen auf Mebendazol hervorruft – plant Symons jetzt klinische Studien. Er will testen, ob sich Vincristin durch Mebendazol austauschen lässt. Dem Wissenschaftler kommt zu Gute, dass der Patentschutz des Pharmakons längst abgelaufen ist, denn Mebendazol wurde schon in den frühen 1970er-Jahren von Janssen entwickelt.