Sport ist gut – aber ist Yoga besser? Nicht in jeder Hinsicht. Breit angelegte Studien konnten Yoga zwar bemerkenswerte Wirkungen bei psychischen Störungen, Wirbelsäulenbeweglichkeit und Asthma nachweisen. Allerdings sind die Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren.
Nach einer Studie von Marcy McCall der Universität Oxford hat Yoga nachweisbare Effekte auf das endokrine System, das Nervensystem und die körperliche Gesundheit. Die Arbeitsgruppe wies nach, dass Yoga den Cortisolspiegel senkt, den Melatonin- und Serotoninspiegel steigert und den Anteil proinflammatorischer Zytokine mindert. Allein der Einfluss auf diese Neurotransmitter erklärt eine mögliche Wirkung bei zahlreichen Erkrankungen. [content_banner]
Ein Forscherteam der Universitätsklinik Jena um die Psychologin Rahel Klatte analysierte 25 Studien zur Heilwirkung von Yoga. Die 1.339 Patienten litten unter Depressionen, Alkoholabusus, posttraumatischer Belastungsstörung, Schizophrenie oder Essstörung. Die „Verumgruppe“ absolvierte ein zwei- bis 24-wöchiges Yoga-Gruppenprogramm von fünf bis 100 Stunden, die Kontrollgruppe nicht. Alle Probanden bekamen vergleichbare Grundbehandlungen wie Psychotherapie, die sie während der Intervention wie gewohnt weiterführen sollten. Als Ergebnis der Studien wurde eine Verbesserung von Angst, Stress, Lebensqualität und Wohlbefinden definiert. Die Yoga-Gruppe verbesserte sich bei diesen Kriterien signifikant gegenüber der Kontrollgruppe. Die Metaanalyse lieferte Hinweise dafür, dass Yoga mit den zentralen Bestandteilen Asanas (Körperhaltungen des Yoga) und Pranayama (Atemübungen) einen vielversprechenden komplementären Ansatz in der Behandlung psychischer Störungen darstellt. „Die Ergebnisse der vorliegenden Analysen sollten allerdings wegen eines Verzerrungsrisikos und der Heterogenität der Studien mit Vorsicht interpretiert“, so die Autoren einschränkend. Ein Nachteil der Analyse von Klatte et al. war zudem, dass die Studien die Wirkung von Yoga nicht mit anderer sportlicher Aktivität verglich.
Dieses Manko war in einer Studie zur Rückengesundheit nicht gegeben. Mit einem regelmäßigen Yogatraining lässt sich die Wirbelsäulenbeweglichkeit signifikant verbessern. Das fand die Sportwissenschaftlerin Dr. Sabrina Rudolph der Universität Göttingen heraus. In der Studie wurden 50 Teilnehmer mit Rückenproblemen untersucht. 30 von ihnen absolvierten ein zehnwöchiges Yogatraining mit Inhalten des Ashtanga-Yoga. Die Übungen wurden einmal wöchentlich für eine Stunde durchgeführt. Die Kontrollgruppe führte mit gleichem Intervall und Dauer ein funktionelles Training mit Übungen wie Kniebeugen, Ausfallschritten, Zieh- und Stoßbewegungen durch. Bei allen Teilnehmern wurde zu Beginn und nach zehn Wochen die Wirbelsäulenbeweglichkeit und der Winkelgrad der Krümmung mit der MediMouse ® ermittelt. Das computergestützte Hilfsmittel analysiert die sagittale und frontale Rückenform sowie die Beweglichkeit für jedes Wirbelsegment. Die Yogagruppe hatte sich in Flexion und Extension der Brust- und Lendenwirbelsäule signifikant verbessert. Die Teilnehmer der Kontrollgruppe hatten sich nur mäßig verbessert oder sogar teilweise verschlechtert. Aus den Ergebnissen schlussfolgerten die Wissenschaftler, dass ein regelmäßiges Yogatraining die Wirbelsäulenbeweglichkeit verbessern kann, und empfehlen Yoga präventiv und rehabilitativ, um Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule vorzubeugen oder zu verbessern. Eine Cochrane Library Studie von Wieland et al. kommt zu einem anderen Schluss. Bei den untersuchten Patienten im Alter zwischen 34 und 48 zeigte sich ein lediglich ein leichter Vorteil gegenüber Patienten, die keinerlei Rückenübungen durchführten. In den ersten sechs bis zwölf Monaten reduzierte Yoga die Symptome nur zu einem geringen Ausmaß, das nicht als klinisch relevant eingeordnet werden kann. Analysiert wurden 12 Studien mit insgesamt 1.080 Patienten. Yoga ist bei Rückenschmerzen anderen Übungen nicht überlegen, so das Resümee. Eine randomisierte Studie von Newton et al. untersuchte die Wirkung von Yoga auf Hitzewallungen und Schlafstörungen bei Frauen im Klimakterium.
Die Forscher vom Group Health Research Institute in Seattle schlossen 249 klimakterische Frauen in die Studie ein. Die Hälfte der Frauen nahm einmal wöchentlich an 90-minütigen Übungen teil. Sie umfassten Atemübungen und 11 bis 13 Positionen zur Tiefenentspannung mit der Yoga Nidra-Technik. Primärer Endpunkt der Studie war die Häufigkeit von vasomotorischen Beschwerden und deren Bewertung durch die Frauen. Die Zahl der täglichen Hitzewallungen nahm von 7,4 zu Beginn der Studie auf 4,6 ab. Der Unterschied zur Yogafreien Kontrollgruppe war jedoch nicht signifikant. Auch depressiven Verstimmungen und Angstsymptomen wurden durch Yoga nicht signifikant stärker gebessert. Die Teilnehmer die Yoga praktizierten gaben jedoch an, besser Schlafen zu können. Der 28-Punkte umfassende Insomnia Severity Index besserte sich signifikant um 1,3 Punkte. In der Gruppe ohne Yoga und einer dritte Gruppe, die Omega-III-Fettsäuren erhielt, trat keine Besserung der Schlafqualität ein. Dr. Diana Taibi Buchanan der University of Washington kam in einer Studie mit 186 menopausalen Frauen zu einem anderen Ergebnis. Die Frauen wurden in zwei Interventionsgruppen und eine Kontrollgruppe randomisiert. Es wurden die Ergebnisse von zwölf Wochen Yoga vs. Ausdauersport vs. kein Sport verglichen. Weder Sport noch Yoga war in der Lage, die Schlafqualität signifikant zu verbessern.
Insgesamt ist die Studienlage zu Yoga und Schlafstörungen dürftig, räumte auch die Studienleiterin ein. Erheblich besser sieht es beim Beschwerdebild Asthma aus. Yoga-Übungen können die Symptome eines Asthma bronchiale lindern und die Lebensqualität der Patienten verbessern. Ein günstiger Einfluss auf die Lungenfunktion war in einer Meta-Analyse in der Cochrane Database of Systematic Reviews jedoch nicht erkennbar. Yang et al. von der Jockey Club School of Public Health and Primary Care an der chinesischen Universität Hongkong analysierten für die Cochrane Collaboration die Resultate von 15 randomisierten klinischen Studien mit insgesamt 1.048 Teilnehmern. In den Studien wurde die Wirkung von Yoga bei Asthma mit der konventionellen Behandlung und „Scheinyoga“ verglichen. Beim Scheinyoga führt der Proband gymnastische Übungen aus, die jedoch nicht den Grundsätzen von "echtem" Yoga entsprechen. Durch Yoga verbesserte sich die Lebensqualität und Asthma-Beschwerden wurden gelindert. Es hatte aber keinen signifikanten Einfluss auf die Lungenfunktion. Im Asthma Quality of Life Questionnaire wurde eine Besserung um 0,57 Punkte auf einer Skala von 0 bis 7 Punkten erzielt. Auch die Asthma-Symptome besserten sich signifikant.
Die ESC-Pocketguideline zur Prävention von Herzkreislauf-Erkrankungen besagt, dass sich die Patienten sportlich betätigen sollen. „Mindestens 150 Minuten/Woche gemäßigtes aerobes Fitnesstraining (je 30 Minuten an 5 Tagen/Woche) oder 75 Minuten/Woche intensives aerobes Fitnesstraining (je 15 Minuten an 5 Tagen/Woche) oder eine Kombination davon“. Die Zielgruppe ist nicht selten jedoch adipös und weißt ein höheres Lebensalter auf, weshalb die sportliche Adhärenz nicht immer die beste ist. Ein ähnlicher protektiver Effekt lässt sich nach einer Meta-Analyse im European Journal of Preventive Cardiology auch durch regelmäßige Yoga-Übungen erzielen. Yoga-Übungen werden in den Koronarsportgruppen in der Regel nicht angeboten. Der BMI und der LDL-Spiegel und Gesamtcholesterin sanken, ebenso wie der systolische Blutdruck, auch die Herzfrequenz reduzierte sich. Yoga kann für Koronarpatienten eine Alternative für ein aerobes Training sein. Eine Studie von Chu et al. unterstützt diese Ergebnisse und belegt, dass Yogaübungen die Lebensqualität von Patienten mit Vorhofflimmern verbessern sowie Druck und Frequenz senken. Multiple Sklerose, Inkontinenz, Suchterkrankungen – die Liste der Indikationsgebiete, bei denen Yoga die konventionelle Therapie unterstützen kann, ist lang. In der Datenbank Pubmed sind fast 4.000 Studien zur Heilwirkung von Yogaübungen gelistet. "Sport ist gut, aber Yoga ist oft besser", so beurteilt ein Beitrag im Magazin GEO eine Studie der University of California, die die Wirkung von Aerobic mit Yoga verglich. Es stellt sich die Frage, ob sich die ganzheitlichen Wirkungen überhaupt mit Studien erfassen lassen, da das Biasrisiko häufig hoch ist. Der Autor, Matthias Bastigkeit, führte ein Expertengespräch mit Lydia Brandt. Sie ist Yogalehrerin im Mahananda Yogazentrum in Falkensee bei Berlin. Welche Erkrankungen können Ihrer Ansicht nach durch Yoga gelindert werden? Lydia Brandt: Regelmäßige Yogapraxis wirkt sich nach meiner Erfahrung positiv auf folgende Bereiche aus.
Physis: Bewegungsapparat u.a. Funktionsverbesserung im Muskel- und Skelettsystem bis hin zu Verbesserungen bei Lordose und Skoliose, bessere Flexibilität & Mobilität, Kraft- und Muskelaufbau, Dehnung der Faszien, Schmerzreduktion insbesondere von Rückenschmerzen, Lösen von Verspannungen und Blockaden, Verbesserung des eigenen Körpergefühls – für letzteres eignet sich besonders gut „Aerial Yoga im Tuch“, wo man sich in den Umkehrhaltungen richtig „aushängen“ kann und anstrengungslos eine Dekompression der Wirbelsäule erfährt, die ideale Ergänzung zum Yoga auf der Matte.
Physiologie: Anregung des Herz-Kreislauf-Systems und des Drüsensystems, Anregung des Lymphflusses, Massage der inneren Organe, Stärkung des Herzens, Erhöhung des Lungenvolumens, Blutdruckregulation insbesondere Senkung des Blutdrucks – eine meiner Teilnehmerinnen konnte nach nur 4 Yogakursen ihren Blutdruck spürbar und messbar senken, wie ihr Arzt ihr bestätigte, Verbesserung von hormonell bedingten Wechseljahresbeschwerden.
Psyche: Verbesserung der Lebensqualität durch mehr Achtsamkeit und bewussteres Handeln, Hilfe gegen Depression, Burnout, Fatigue, Stress. Verbesserung der Schlafqualität – hier habe ich eine Teilnehmerin, die nach nur 2 Yogastunden besser einschlafen konnte. Verbesserung von Konzentration und „raus aus dem Gedankenkarussel“ durch gezielte Atemübungen und Meditation. Verbesserung der Wahrnehmung, was einem gut tut und die Kraft, sein Leben durch bewusste Entscheidungen zu verändern und ihm eine positive Richtung zu geben. Veränderung der gesamten Lebenseinstellung im positivsten Sinne. Mehr Zufriedenheit, Gelassenheit, innere Leichtigkeit, Weckung von Kreativität und Erkennen, was wesentlich ist, was es bedeutet, „aktiv Mensch zu sein“. Bis hin zu einem besseren Verständnis und Umgang mit allen Prozessen des Lebens – auch Angstzuständen, Traumata und dem Tod.
Wer sollte auf Yoga lieber verzichten? Brandt: Im Prinzip braucht keiner auf Yoga zu verzichten, da ein guter Yogalehrer für jede „Problematik“ eine passende Alternativ-Asana anbieten kann. Einzig bei einem akuten Bandscheibenvorfall würde ich dazu raten, solange zu warten, bis die Bewegungsfähigkeit wiederhergestellt ist, und dann mit sanften Yogaübungen zu beginnen. Und natürlich sollten Schwangere Yoga nur nach Absprache mit ihrem Arzt praktizieren, hier gibt es auch spezielle Schwangeren-Yogakurse. Bei bestimmten Asanas gibt es Kontraindikationen, z.B. keine Umkehrhaltungen bei Glaukom, aber auch hier gibt es entsprechende Alternativen für die Übenden. Selbst Menschen im Rollstuhl können Yoga praktizieren, sofern sie nicht geistig behindert sind und den Anweisungen deshalb nicht folgen können. Es gibt auch „Yogaübungen auf dem Stuhl“, so dass selbst ältere Menschen, die nicht mehr so mobil und kraftvoll sind, auf dem Stuhl die positiven Wirkungen des Yoga genießen können. Und es gibt auch ein Beispiel von einer Frau, die einen Unfall hatte und im Krankenhaus für mehrere Wochen ans Bett gefesselt war. Die Ärzte wunderten sich über ihren schnellen Heilungserfolg und erfuhren dann von der Patientin, dass diese im Geiste ihre Yogaübungen weiter praktiziert hatte und dadurch ungewöhnlich gute Heilungsprozesse verzeichnen konnte. Ist Yoga auch für Unsportliche geeignet? Brandt: Gerade für die. Ein guter Yogalehrer ist in der Lage, auch unsportliche Menschen Schritt für Schritt in die Yogaübungen zu begleiten und insbesondere bei regelmäßiger Praxis gute Fortschritte in Beweglichkeit und Kraft zu erzielen. Hier eignet sich der Einsatz von Hilfsmitteln wie z. B. Sitzkissen, Blöcke und Gurte, um die Schüler zu unterstützen und manche Übungen erst möglich zu machen.