Ein körpereigenes Protein, bisher als Tumormarker bekannt, hat offensichtlich noch andere Fähigkeiten. Bei der Substanz handelt es sich um die Prostataspezifische Saure Phosphatase. Das Enzym soll das Potenzial haben, Schmerzen effektiver zu unterdrücken als Morphium.
In Tierversuchen mit Mäusen fand das amerikanische Forscherteam um Mark Zylka, heraus, dass die schmerzlindernde Wirkung der Prostataspezifischen Sauren Phosphatase (PAP = prostatic acid phosphatase) achtmal länger anhält als das bei Morphin der Fall ist. Um die Wirkung zu messen, injizierten sie eine hohe Dosis PAP in das zentrale Nervensystem des Rückenmarks der Versuchstiere. In weiteren Experimenten konnten die Forscher auch die Wirkungsweise des PAP-Proteins nachweisen. Das Prinzip beruhe auf der Umwandlung von ATP (Adenosintriphosphat) in Adenosin. Dieses organische Molekül habe die Eigenschaft, die Übertragung von Schmerzsignalen zu blockieren, was sich Schmerz lindernd auswirkt, so die Forscher aus North Carolina.
Klinische Studien ungewiss
DocCheck fragte Zylka, wann sein Team mit klinischen Studien beginnen wird. Seine Antwort: „Das steht noch nicht fest und hängt davon ab, ob und wann wir Mittel zur Finanzierung der klinischen Studien bekommen. Oder ob sich ein Pharma-Unternehmen findet, das an der Fortsetzung interessiert ist.“ Über einen ähnlichen Ansatz berichteten japanische Forscher bereits in 2004. Sie hatten ein künstliches Molekül entwickelt, mit dem das körpereigene ORL-1 (Opioid-Receptor-Like 1) blockiert werden sollte. Obwohl sie bereits damals mit einem pharmazeutischen Unternehmen zusammen arbeiteten, ist es um das Projekt still geworden. Ob es dem Team um Zylka genau so ergehen wird?
Wichtige neue Erkenntnis über PAP
DocCheck wollte wissen, wie Experten in Deutschland dieses Forschungsprojekt bewerten und fragte Prof. Dr. Kay Brune, Direktor am Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie in Erlangen und Sprecher der DGPT. Er erklärte: „Die Forschungsergebnisse von Mark Zylka sind wichtig und in einer herausragenden Zeitschrift publiziert. Sie sollten daher ernst genommen werden. Die Stoßrichtung dieser Analyse ist nicht, ein körpereigenes, verwertbares Schmerzmittel zu finden, sondern die Bedeutung der PAP im Rahmen der Schmerzwahrnehmung aufzuklären. Neu ist, dass PAP die Bildung von Adenosin im Zentralnervensystem erhöhen kann. Unklar bleibt allerdings in den Untersuchungen von Zylka et al, warum der Adenosin-1-Rezeptorblocker Koffein, den viele Menschen täglich in erheblichem Umfang zu sich nehmen und der sehr leicht ins ZNS vordringt, nicht schmerzverstärkend, sondern eher schmerzlindernd wirkt, wie zahlreiche Arbeiten auch aus unserer Gruppe gezeigt haben.“
Zu Risiken und Nebenwirkungen
Wie sieht es mit Risiken von Adenosin und PAP aus? Adenosin ist ein ubiquitärer Botenstoff im menschlichen Organismus. Sein Vorläufer AMP (Adenosinmonophosphat), so Brune, ist von entscheidender Bedeutung für die Steuerung des Energiehaushaltes (AMP-Kinase). Auch im Zentralnervensystem hat Adenosin wahrscheinlich eine Vielzahl modulatorischer Eigenschaften. Adenosin und verwandte Substanzen können ganz unterschiedlich Adenonsinrezeptoren aktivieren, darunter auch die Modulation der Schmerzwahrnehmung. „Eine direkte Verwendung von Adenosin oder Adenosinmonophosphat in der Schmerztherapie ist ausgeschlossen, da die Wirkung zu unspezifisch ist und beispielsweise zu Blutdruckabfall führt. Auch die Gabe von PAP ins Rückenmark von schmerzkranken Menschen, wie im Tierversuch durchgeführt, ist ausgeschlossen, da die direkte Injektion von Eiweißstoffen in das ZNS regelmäßig zu erheblichen, lebensgefährlichen, unerwünschten Arzneimittelwirkungen führt", erläutert Brune den derzeitigen Erkenntnisstand.
Kein Durchbruch in der Schmerztherapie
„Wir sind ‚world experts’ bei der Erforschung von körpereigenen Schmerzmitteln“, so die Behauptung Zylkas gegenüber DocCheck. Experten auf dem Gebiet wie Brune sehen das anders: „Was die Schmerzverarbeitung im Rückenmark angeht, gibt es sicher andere, die mindestens genauso wichtig sind, darunter Clifford Woolf an der Harvard Medical School in Boston und Hanns Ulrich Zeilhofer von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich“, so Brune. Sein Fazit: „Ich freue mich, dass zumindest eine Eigenschaft der PAP, die wir bisher nur als Marker für einen sich entwickelnden Prostatakrebs kannten, dingfest gemacht werden konnte. Ein Durchbruch in der Schmerztherapie ist daraus nicht abzuleiten. Die direkte Anwendung dieses Enzyms durch Gabe in das zentrale Nervensystem bei schwerst Schmerzkranken erscheint zumindest für die nächsten Jahre ausgeschlossen, zumal die bereits jetzt übliche Therapie mit Zikonotid mit einer Reihe schwerer Nebenwirkungen assoziiert ist und daher nur in verzweifelten Fällen zur Anwendung kommen kann.“