Einige Monate vor dem geplanten Rollout der elektronischen Gesundheitskarte sind die Diskussionen um die Eingabe einer Geheimzahl wieder aufgeflammt. Und auch beim elektronischen Rezept läuft vieles noch nicht rund.
Es hatte ein wenig gedauert, aber im Juni kam die Meldung dann doch: Der Bezirk Nordrhein hat offiziell seine Bereitschaft erklärt, beim Rollout der elektronischen Gesundheitskarte den Anfang zu machen. Ab Herbst sollen Arztpraxen und Kliniken dort mit den neuen Kartenlesegeräten ausgestattet werden. Anfang 2009 könnten die Krankenkassen dann elektronische Gesundheitskarten an ihre Versicherten versenden.
Beim eRezept laufen die Tests noch nicht rund
Apotheker werden bei diesem Basis-Rollout zunächst zusehen: Die Karten, die ausgegeben werden, leisten noch nicht mehr als die alte Krankenversichertenkarte. Interessant wird es in der Apotheke erst mit dem elektronischen Rezept und mit der elektronischen Arzneimitteldokumentation. Doch der Weg dahin ist noch weit, wie die Erfahrungen in den Testregionen zeigen. Wo man auch fragt: Die Test-Apotheker sind mit dem bisher erreichten nicht zufrieden. "Es gibt im Moment bei jedem zweiten eRezept Probleme", sagt beispielsweise die Apothekerin Birgit Schleicher aus Löbau in der Testregion Sachsen. Ihr Kollege Henrik Wintzen aus Oderwitz, ebenfalls Sachsen, berichtet über Schwierigkeiten bei etwa jeder dritten Karte. Was genau nicht funktioniert, lässt sich dabei oft nur schwer festmachen: Das Schreiben der eRezepte durch die Praxis-EDV der Ärzte scheint ein wunder Punkt zu sein. Die Karten selbst könnten es auch sein - so ganz klar ist das nicht.
Unabhängig von den technischen Problemen gibt es beim eRezept aber auch konzeptionell noch Schwierigkeiten. Vor allem vermissen die Apotheker die Möglichkeit, das elektronische Rezept beschreiben zu können. "Wenn wir zum Beispiel einen Hersteller substituieren oder eine Dosis verändern, dann dokumentieren wir das auf dem Papierrezept. Das geht beim eRezept nicht", so Wintzen. Auch die realen Vorteile, die das eRezept einmal bringen soll, sind in den Tests bisher noch nicht umgesetzt. Irgendwann einmal soll der Arzt beispielsweise elektronische Verlängerungsrezepte direkt an den Apotheker versenden können. Der Patient spart sich damit den Gang zum Arzt. Das freilich wird erst in einer Online-Welt gehen. Doch erst ab 2009 sollen die insgesamt einhundert Apotheken in den sieben Testregionen schrittweise ans Netz geholt werden.
Gesucht: Neue Lösungen für die PIN-Eingabe durch den Patienten
Wenigstens eine Sache ist beim elektronischen Rezept kein Thema - die Eingabe einer Geheimzahl durch die Versicherten. Als so genannte Pflichtanwendung der Karte ist für Ausstellen oder Einlösen eines eRezepts keine PIN erforderlich. Bei der elektronischen Arzneimitteldokumentation ist das anders. Sie ist die zweite für Apotheker unmittelbar relevante Anwendung, und sie wird derzeit vor allem in Datenschutzkreisen heiß diskutiert. Der Anlass liegt eigentlich schon ein paar Monate zurück: In der Testregion Schleswig-Holstein hatten Apotheker und Ärzte im März beschlossen, aus den freiwilligen Anwendungen der eGK auszusteigen, weil die PIN-Eingabe durch die Versicherten nicht funktionierte. "Streckenweise waren drei von vier Karten gesperrt, weil die Patienten falsche PIN-Nummern eingegeben hatten", sagt Dr. Eckehard Meissner, Sprecher der Testregion auf ärztlicher Seite. Vor allem ältere Patienten haben die Nummer oft vergessen. Seither überlegen die Verantwortlichen in Berlin fieberhaft, wie das Verfahren einfacher gemacht werden kann, ohne die gesetzliche Vorgabe der PIN über Bord werfen zu müssen.
Ärzte machen Druck
Für die Teilnehmer an der Testregion Schleswig-Holstein ist die Sache klar: "Wir plädieren für eine ein- und ausschaltbare PIN", so Meissner. Der Versicherte könnte sich in diesem Szenario dafür entscheiden, die PIN nicht zu nutzen. Die Daten einer Arzneimitteldokumentation wären dann für Inhaber eines elektronischen Heilberufsausweises - und nur für diese - auch ohne PIN einsehbar. Die Politik ist damit nicht so ganz glücklich. Hier sähe man es lieber, wenn Ärzte und Apotheker als PIN-Treuhänder aufträten, die die PIN bei vergesslichen Patienten aufbewahren und bei Bedarf selbst eingeben. Dass das mit Mehrarbeit verbunden ist, liegt auf der Hand. In Schleswig-Holstein und anderen Testregionen stößt diese Option deswegen auf wenig Gegenliebe. Der Bundesdatenschutzbeauftragte allerdings hat signalisiert, dass er mit dem Konzept der PIN-Treuhänderschaft leben könnte. Aber er muss die PIN ja auch nicht aufbewahren und eingeben. Neuer Druck auf die Politik kommt jetzt von der Bundesärztekammer. Deren Chef Jörg-Dietrich Hoppe hat sich in einem Brief an Ulla Schmidt gewandt und sie zu einer detaillierten Stellungnahme zum Forderungskatalog aufgefordert, den die Ärzte nach dem Ulmer Ärztetag formuliert haben.